Josef Steinhausen

Quelle: Stadtbibliothek Trier (Sammlung TRIPOTA)
Quelle: Stadtbibliothek Trier (Sammlung TRIPOTA)

Lehrer, Geschichtsforscher und Archäologe aus Euskirchen

Im 19. Jahrhundert erfasste die Faszination für Geschichte und Archäologie immer mehr Menschen. Das gilt auch für die Eifel, wo es nicht selten historisch interessierte Geistliche wie der langjährige Daleidener Pfarrer Michael Bormann (1795-1860) waren, die mit Eifer den geschichtlichen Zeugnissen ihrer Heimat nachspürten. Aber auch einfache Eifler Bauern freuten sich, wenn sie beim Pflügen auf Schwertklingen oder Münzen stießen und machten sich mit ihren Fundmeldungen um die Geschichtsforschung verdient. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahmen viele Geschichtsbewusste mit Begeisterung die Berichte über Aufsehen erregende Entdeckungen aus aller Welt auf. Die Grabungen in Troja durch Schliemann oder die Funde im alten Babylonien und in Ägypten weckten nicht nur die Neugier von Spezialisten, sondern begeisterten auch aufgeweckte Jugendliche.

Von dieser Faszination war auch der 1885 in Euskirchen geborene Josef Steinhausen erfüllt, der nach dem Abitur in Münstereifel von 1904 bis 1910 in Bonn Klassische Philologie, Archäologie und Alte Geschichte studierte. Sein Berufsziel war das Höhere Lehramt – vermutlich weil es ihm eine sichere materielle Basis bot als eine rein wissenschaftliche Tätigkeit. Dabei waren die wissenschaftlichen Neigungen Steinhausens, der 1910 den Doktorgrad erwarb, schon früh unübersehbar; später dokumentierten sie sich in etlichen Veröffentlichungen. Von 1914 bis 1918 nahm der promovierte Junglehrer als Soldat am Weltkrieg teil. Die Lehrertätigkeit konnte sich erst nach Kriegsende voll entfalten: zuerst als Oberlehrer in Mayen, dann von 1920 bis 1950 als Studienrat am FWG in Trier. Wenn man  Josef Steinhausen wegen seines Lehrerberufs nur als Hobbyhistoriker ansehen würde, so würde dies allerdings eine grobe Unterschätzung seiner Arbeit bedeuten. Seine Forschungen verschafften ihm die Anerkennung der Fachkollegen, wie seine Aufnahme als ordentliches Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts oder die Ehrenmitgliedschaft in deutschen und ausländischen Geschichts- und Altertumsvereinen bewies. Sein bis heute vielbeachtetes Hauptwerk war die 1936 veröffentlichte „Archäologische Siedlungskunde des Trierer Landes“, darüber hinaus verdanken ihm einzelne Orte des Trierer Landes bedeutende Beiträge zur Erforschung ihrer Geschichte. Als Beispiel könnte man etwa auf die Abhandlung „Zur Vor- und Frühgeschichte Welschbilligs“ verweisen, auf deren Grundlage dann andere Heimatforscher – wie im Fall Welschbilligs Eduard Lichter – weiterarbeiten konnten.

Was heute nicht mehr so stark im öffentlichen Bewusstsein ist wie früher, ist die politische Dimension der zu Steinhausens Zeit erfolgten historischen Forschungen. Die Frage nach dem geschichtlichen Verlauf der germanisch-romanischen Sprachgrenze im Moselland spielte beispielsweise für die Diskussionen um die staatliche Zugehörigkeit Lothringens und andere moderne Grenzverläufe ebenso eine Rolle wie für das Selbstverständnis der damaligen Menschen, die sich meist lieber für Nachfahren der „fränkischen Herrenschicht“ hielten als für Nachkommen der Römer. Derartige Gesichtspunkte verschärften sich noch, als mit dem Nationalsozialismus eine Ideologie an die Macht kam, für die die angebliche Überlegenheit der „nordischen Rasse“ eine ausgemachte Sache war. Steinhausens an der historischen Wahrheit interessierte Studien trafen auf Zeitgenossen, die teilweise in ihren Schriften öffentlich bedauerten, dass die romanische Bevölkerung an der Mosel bei der germanischen Landnahme nicht ausgerottet worden war. So war es auch keineswegs eine harmlose Äußerung, wenn der von Hitler favorisierte „Rassenkundler“ Hans F. K. Günther in seiner „Rassenkunde des deutschen Volkes“ erwähnte, in der Eifel trete die „ostische Rasse“ stellenweise rein auf.  In einer solchen ideologischen Atmosphäre kam jeder Entdeckung und kulturellen Einordnung von Gräberfeldern eine besondere Bedeutung zu.

Zu Steinhausens besonderen Interessen zählte die Frage der Siedlungskontinuität zwischen römischer und mittelalterlicher Zeit. Im Eifel-Kalender 1937 stellte er fest, dass die westgermanischen Franken „mit den letzten Resten der Römerherrschaft aufräumten“ und hob hervor, wie stark schon zu römischer Zeit das Land mit germanischen Ansiedlern durchdrungen gewesen sei. Die Veröffentlichung im „Eifel-Kalender“ zeigte, wie wichtig es Steinhausen war, auch über das Fachpublikum hinaus Menschen mit den Ergebnissen historischer Forschung vertraut zu machen. Zahlreiche seiner Schüler erinnerten sich noch lange an die Fähigkeit von Studienrat Dr. Steinhausen, im Unterricht für historische Themen zu begeistern. Die Arbeit des auch nach seiner Pensionierung aktiven Geschichtsforschers wurde 1955 mit dem Bundesverdienstkreuz und 1958 mit dem Ehrensiegel der Stadt Trier geehrt. Zwei Jahre nach seinem Tod 1959 in Sieglar wurde in Trier eine Straße nach dem Mann benannt, der sich um die Erforschung der Geschichte des Eifel- und Mosellandes verdient gemacht hatte. Verfasser: Gregor Brand

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