Johannes Hofmann

Rechtsgelehrter und Politiker aus Lieser

166_paulskirche_48_13Ob Johannes von Lieser – wie er auch oft genannt wird – jemals daran dachte, dass 550 Jahre nach seinem Tod eine fast 600 Seiten umfassende Biographie über ihn erscheinen würde? Die 2013 veröffentlichte Doktorarbeit von Tobias Daniels über den „gelehrten Rat“ Hofmann – das war der eigentliche Beruf des Lieseraners – kann auch als hohe Ehrung angesehen werden, wie sie nur einer winzigen Minderheit der Menschen aus dem 15. Jahrhundert zuteilwird. Wie bei einer Studie über eine Persönlichkeit des Mittelalters nicht anders zu erwarten, musste Daniels manche lebensgeschichtliche Einzelheit aus Indizien erschließen. Nach seinen Forschungen hieß der Vater des Gelehrten ebenfalls Johannes und war – der Beruf wurde zum Namen – Hofmann einer der zahlreichen Weinhöfe in Lieser. Die erste urkundliche Spur zu seinem Sohn aus der Ehe mit Margareta Stumpf aus Hintzerath findet sich in den Unterlagen der Universität Heidelberg, wo der junge Südeifler 1417 immatrikuliert wurde – ein Jahr nach Nikolaus aus dem Nachbardorf Kues; ihre Lebenswege kreuzten sich später noch oft. Da das Durchschnittsalter der Studenten bei Studienbeginn damals bei 17 Jahren lag, dürfte Johannes von Lieser um 1400 geboren sein. Sechs Jahre lang studierte Hofmann in der Neckarstadt, dann wechselte er nach Erfurt, daraufhin nach Leipzig und krönte schließlich – vermutlich nach einer Zwischenstation an der Universität Wien – seine juristische Ausbildung in Siena mit dem Doktortitel. Biograph Daniels, der immer wieder die Wichtigkeit von Netzwerken in der damaligen Zeit betont, weist darauf hin, dass der berühmte Humanist Enea Silvio Piccolomini, der spätere Papst Pius II., Kommilitone von Hofmann in Siena war. Zu schneller Bekanntheit gelangte der Rechtsgelehrte von der Mosel als Berater beim Konzil von Basel (1431–1449), dem längsten der Kirchengeschichte. Neben theologischen und weltpolitischen Fragen beschäftigte sich das Konzil auch mit regionalen Konflikten. Gerade zur damaligen Zeit bestimmten im Erzbistum Trier gewaltsame Unruhen und Machtkämpfe um das Amt des Erzbischofs und Kurfürsten das Geschehen. Drei Männer stritten um die Kurfürstenwürde: Jakob von Sierck, Ulrich von Manderscheid und Raban von Helmstatt. Obwohl sich 1430 Papst Martin V. für Raban entschieden hatte, gab der Manderscheider keine Ruhe und wollte seine Ansprüche auf dem Konzil durchsetzen. Hauptfürsprecher für Ulrich war Nikolaus von Kues, dazu gesellte sich bald als weiterer Rechtsberater Johannes von Lieser. Im März 1434 erschien der selbstbewusste Ulrich von Manderscheid persönlich mit großem Gefolge in Basel, aber als er nach einem Monat wieder abreiste, hatte er kaum etwas erreicht. Noch im gleichen Frühjahr entschied sich das Konzil gegen den Manderscheider – und damit auch gegen seine juristischen Berater aus Kues und Lieser. Trotz dieser Niederlage beeindruckte Dr. Hofmann mit seinem juristischen Sachverstand die versammelte Konzilselite und beschleunigte seine Karriere. Der Mainzer Kurfürst Konrad berief ihn sofort als Rechtsberater in seinen Dienst; als Konrad wenige Monate später starb, wurde der Lieseraner Vikar des neuen Erzbischofs Dietrich von Erbach. Als Hauptjurist der mächtigen Mainzer Kurfürsten entwickelte Hofmann in den folgenden Jahren eine rege juristisch-politische Aktivität zwischen Mainz und Basel und weit darüber hinaus. Sowohl Hofmann als auch Nikolaus von Kues machten sich in den Konzilsauseinandersetzungen nicht nur Freunde. In einem bissigen Reim wurden die beiden Moselaner öffentlich geschmäht: „Cusa et Lesura pervertunt omnia iura“ („Kues und Lieser verdrehen jedes Recht“). Trotz derartiger Angriffe festigte sich der Ruf des Rechtsgelehrten und Diplomaten Hofmann, dessen Rechtsrat und kunstvolle Redekunst in kniffligen Konflikten gefragt waren. In den 1450er Jahren wechselte Hofmann als Jurist und Diplomat in den Dienst des Trierer Kurfürsten Jakob von Sierck, ehe er sich als Mittfünfziger sogar an einen neuen Lebensweg wagte: Ab 1456 lehrte er als Professor für Kirchenrecht an der 1425 gegründeten Universität Löwen; er folgte damit den Spuren des Nikolaus Doeser aus dem Prümer Land, der einige Jahre zuvor ebenfalls Professor in Löwen gewesen war. Nach zwei Jahren gab Hofmann die gutbezahlte Professur wieder auf und verlegte sich erneut auf sein altes Betätigungsfeld als Fürsten- und Politikberater. Hohe politische Wellen schlug damals die „Türkenfrage“ – also Überlegungen, wie man gegen die Türken vorgehen sollte, die 1453 mit der Eroberung Konstantinopels einen historischen Sieg über die Christen errungen hatten. Hofmann blieb jedoch kaum noch Zeit, weiterhin eine Rolle in der Politik des Reiches zu spielen. Als Berater des Mainzer Erzbischofs starb er 1459 in Aschaffenburg. Der gelehrte Rat aus Lieser lässt sich an weltgeschichtlicher Bedeutung zwar nicht mit dem Jahrtausenddenker aus Kues vergleichen. Aber als Jurist und Politiker beeinflusste Hofmann den Lauf der Geschichte in seiner Zeit sichtbar mit. Verfasser: Gregor Brand

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