Johann Justus Mitscher

Mitscher: Der Name dieser bereits im Mittelalter in Litzig nachweisbaren Familie wurde im vorigen Jahrhundert durch US-Admiral Marc A. Mitscher weltberühmt. Aber dieser in seiner amerikanischen Heimat als Weltkriegsheld gefeierte Flottenführer war nicht der erste über das Moseltal hinaus bekannte Träger dieses Familiennamens. Im 18. Jahrhundert zog Justus Mitscher mit Verwandten aus seinem heute zu Traben-Trarbach gehörenden Geburtsort nach Berlin, wo sie und ihre Nachkommen über viele Generationen „eine Wein- und Gesellschaftskultur formten“ (C. Knop).

Justus Mitscher, dessen Biographie vor allem vom Heimathistoriker Dr. H.-G. Böse erforscht wurde, kam 1755 als Sohn des Küfermeisters Peter Mitscher und dessen Ehefrau Anna Maria Caspari zur Welt. Wie bei den Mitschers, die sogar unter den Vorfahren Beethovens zu finden sind, so handelte es sich auch bei der Familie Caspari/Caspary um eine angesehene Familie, die generationenlang als Hofleute – vor allem des Corveyer Hofs – wichtige Güter bewirtschafteten. Justus Mitscher erlernte wie seine Brüder Peter und Nicolaus das in der Familie übliche Küferhandwerk. Nach dem Tod der Eltern folgte Justus Mitscher 1784 seinem älteren Bruder Peter nach Berlin, um sich dort auf eine Stelle in der Hofkellerei des Preußenkönigs Friedrich des Großen (1712–1786) zu bewerben. Vom Fehlschlag dieser Bewerbung ließ sich Mitscher nicht entmutigen. Zusammen mit seinem Vetter Nicolaus Caspary (1758–1839) beantragte er die Erlaubnis zur Einfuhr von Mosel- und Rheinwein nach Berlin. Mit Bangen werden die beiden Moselaner die Entscheidung des Alten Fritz abgewartet haben, denn der Preußenkönig schützte den einheimischen Spreewein durch starke Importbeschränkungen und war zudem als Freund französischer Rotweine bekannt. Aber eine persönliche Probeverkostung des von Mitscher gelieferten Moselweins überzeugte den greisen König, der nun vielleicht bedauerte, diesen Genuss erst an seinem Lebensabend kennenzulernen. Mit dem angebotenen Rheinwein konnte er sich dagegen nicht anfreunden und bewilligte daher nur die Einfuhr von zehn Fass Moselwein. Auf diese Ende 1784 erteilte königliche Erlaubnis reagierten die beiden Moselaner sofort. 1785 gründeten sie als Kompagnons die Weinhandlung Mitscher & Caspary. In der im Osten Berlins gelegenen einstigen Königstraße 40 an der Ecke zur Klosterstraße mieteten sie ein Anwesen mit Kontor, Stallungen, Lager und Weinhandlung. Das angeschlossene Weinlokal wurde zu einem wichtigen Treffpunkt Berlins und „führte Adel und Nobelbürgertum zusammen“ (C. Knop). 

1792 ging das Grundstück für 20.100 Taler in das Eigentum von Mitscher und Caspary über, zudem erwarben die Südeifler das Berliner Bürgerrecht. Als erfolgreicher Weingroßhändler und stolzer Neuberliner hielt der 38-jährige Mitscher nun erfolgreich um die Hand der halb so alten Dorothea Eleonore Wollank (Wollanck) an. Mitschers Schwiegervater war ein vermögender Steinhändler aus alteingesessenem Berliner Bürgertum. Die Wollanks produzierten einheimischen Spreewein, der im 19. Jahrhundert als „Schulwein“ verspottet wurde: Angeblich wurde Kindern saurer Spreewein angedroht, wenn sie die Schule schwänzen wollten. Im Revolutionsjahr 1848 schenkte man diesen Spreewein letztmalig in der Weinstube von Mitscher & Caspary aus; die Moselaner hatten die Berliner Gesellschaft inzwischen an bessere Weine gewöhnt. 

Zwischen 1795 und 1799 wurden dem Ehepaar Mitscher zwei Töchter und ein Sohn geboren. Das Familienglück währte nur kurz. Im März 1802 starb Justus Mitscher, der noch wenige Jahre zuvor ein wohlbeleibter Mann gewesen war, rätselhaft an „Auszehrung“. Wenig später setzten weitere erschütternde Schicksalsschläge ein. Nur vier Monate nach dem Vater starb der fünfjährige Sohn Carl Wilhelm, im folgenden Jahr machte der Tod der erst 29-jährigen Mutter die beiden Töchter zu Vollwaisen. Sie kamen zu Wollank-Verwandten, während im Haus nur der Junggeselle Nicolaus Caspary zurückblieb. Die ältere Mitscher-Tochter Auguste starb als 13-jähriges Mädchen, die jüngere Caroline heiratete 1819 einen Offizier aus der angesehenen Familie von Krohn.

Die Weinhandlung Mitscher & Caspary blieb fast 200 Jahre lang über Nebenlinien der Gründer im Familienbesitz, auch wenn ihr die Weltkriege und Enteignungen des 20. Jahrhunderts schwersten Schaden zufügten. Die berühmten Weinstuben, wo sich  einst auch „die Großen der musikalischen Welt“ (E. Szatmari) eingefunden hatten, waren bereits in den „goldenen Zwanzigern“ geschlossen worden.

Verfasser: Gregor Brand

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