Hugo Zöller

Journalist und Forschungsreisender aus Schleiden

Der imposante „Mount Wilhelm“ (Wilhelmsberg) ist mit 4509 m der höchste Berg in Papua-Neuguinea. So getauft wurde er von einem Eifler, der 1888 als erster Europäer das geheimnisvo169_zoeller_51_13lle Gebiet genauer erkundete: dem 1852 im heute zu Schleiden gehörenden Dorf Oberhausen geborenen Hugo Zöller. Die Neuguinea-Expedition war nur eine von vielen Forschungsreisen, die Zöller als Korrespondent für die „Kölnische Zeitung“ unternahm und bei denen er immer wieder Neuland betrat und beschrieb. Seine Zeitungsartikel und Bücher mit ihren präzisen Schilderungen einer exotischen Welt machten ihn zu einem der großen Forschungsreisenden seiner Zeit.  Zöller, Sohn des Eisenhüttenbesitzers August Zöller und der Elise Peuchen, gehörte seiner Herkunft nach mitten in den Kreis der historisch so bedeutenden Schleidener Eisenelite. Journalist wurde der Reidemeister-Spross eher zufällig. Als er nach seinem Jurastudium im Mittelmeerklima Linderung eines Lungenleidens suchte und zu diesem Zweck Spanien bereiste und in Marokko erstmals seinen Fuß auf afrikanischen Boden setzte, ließ sein Vater 1873/74 Hugos Reisebriefe in der „Kölnischen Zeitung“ veröffentlichen. Diese war von dem dadurch hervorgerufenen Echo sehr angetan – der Beginn einer jahrzehntelangen wechselseitig ergiebigen Zusammenarbeit. Der rheinisch-regional klingende Name dieser Zeitung täuscht über ihre enorme historische Bedeutung als „deutsche TIMES“: Das nationalliberal-konservative Blatt vom Rhein galt im Kaiserreich als führendes deutsches Presseorgan. Nachdem Zöller 1878 eine Weltreise angetreten hatte, prägten fortan seine Zeitungs- und Buchveröffentlichungen das Bild der Deutschen über ferne Länder und ihre Menschen maßgeblich mit. Sein publizistisches Wirken fiel in die Hochphase des europäischen Kolonialismus und Imperialismus.

Der Schleidener gehörte zu den überzeugten Kolonialbefürwortern. Bismarck-Freund Zöller wollte nicht einsehen, warum das 1871 gegründete Kaiserreich die Aufteilung der Welt Briten, Franzosen, Belgiern und anderen überlassen sollte, die sich riesige Kolonialgebiete unterwarfen. Fasziniert von den unerforschten Stellen der Erde, traf man Zöller bald an allen Brennpunkten deutscher Kolonisation. Oft war er der erste, der aus eigener Kenntnis über Land und Leute – etwa in Togo oder Kamerun – berichtete. Bei der Schilderung der Einheimischen verteilte Zöller Lob und Kritik, wie es ihm nach seinen eigenen Erfahrungen richtig schien. So nahm er einerseits die Bewohner Neuguineas gegen den pauschalen Vorwurf in Schutz, es seien blutdurstige und heimtückische Wilde, andererseits bescheinigte er ihnen „stark ausgeprägte Faulheit“. Was manche seiner Zeitgenossen von Eifelbauern dachten, das empfand Zöller in Neuguinea: „Der Blick dieser Papua reicht gar nicht weit über ihre Dorfgrenze hinüber“. Die „Papua-Damen“ fand Zöller „viel langweiliger als die unübertrefflich liebenswürdigen Samoanerinnen oder die Afrikanerinnen“, war aber trotzdem von den dortigen fröhlichen „mit einem kleinen Grasröckchen bekleideten Mädchen“ sehr angetan. Der welterfahrene Zöller wusste gut, wie man das Zeitungspublikum unterhalten konnte, aber er war trotz solcher Bemerkungen alles andere als ein Klatschreporter.

Viele Gebiete bereiste er als ethnologisch hoch interessierter Pionier und seine Beobachtungen über Sprache, Kleidung und Lebensweise bis dahin fast unbekannter Bevölkerungen waren auch für ein wissenschaftlich interessiertes Publikum faszinierend. Aus heutiger Sicht fällt das – für die damaligen Europäer nahezu selbstverständliche – Überlegenheitsgefühl der „zivilisierten Weißen“ gegenüber den „Eingeborenen“ kritisch auf. Nicht nur für Zöller verhielt sich der zivilisationsfremde Afrikaner zum kultivierten Europäer „wie der wilde Eber unserer Wälder zur Mast-Sau.“ In solchen Vergleichen schwang durchaus auch Kritik an der europäischen Überzivilisiertheit mit, die Zöller der Ursprünglichkeit der sogenannten „Naturvölker“ gegenüberstellte. Letztlich ließ er aber keinen Zweifel daran, dass er die Kolonialherrschaft als legitim ansah. Als Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg seine Kolonien aufgeben musste, während führende Kolonialmächte wie Frankreich und Großbritannien ihre Gebiete behalten konnten, war Zöller über die Begründung der etablierten Kolonialstaaten empört, die sich als die besseren Kolonisatoren darstellten. Seine Sicht der verflossenen Epoche geht noch aus dem Titel seiner 1931 veröffentlichten Autobiographie hervor: „Als Journalist und Forscher in Deutschlands großer Kolonialzeit“. Zwei Jahre später starb Hugo Zöller 81-jährig in München. Trotz aller Reisegefahren in seinem abenteuerlichen Leben hatte er damit seinen Bruder, den gleichfalls hoch begabten Landesbauinspekteur und Philosophen Egon Zöller, um mehr als 40 Jahre überlebt; diesen ereilte der Unfalltod bereits 1891 in der rheinischen Heimat.

Verfasser: Gregor Brand

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