Hubert Salentin

Maler aus Zülpich

Hubert Salentin
Hubert Salentin

Wann kommt es schon vor, dass anlässlich des 100. Geburtstages einer großen Persönlichkeit in deren Heimatort die Glocken läuten? Höchst selten – aber genau so geschah es Mitte Januar 1922 in Zülpich zu Ehren des Malers Hubert Salentin. Wie Friedrich Schreiber im Eifel-Kalender (1931) berichtete, gedachten die Zülpicher festlich des Mannes, der an einem Winterabend 1822 als Sohn des Gast- und Landwirts Johann Salentin und dessen aus Euskirchen stammender Frau Ursula geboren worden war.

Da Huberts Mutter aus einer Familie von Schmieden kam, war es nicht verwunderlich, dass er mit 14 Jahren in Köln eine Lehre als Nagelschmied begann. Bemerkenswert an diesen harten Lehrjahren bei Meister Niessen war der Umstand, dass der angehende Schmied nebenher begann, Pinsel und Palette in seine „riesigen Fäuste“ (F. Schreiber) zu nehmen. Als er für das Portrait eines Gerichtsvollziehers sieben Taler erhielt, erschien diese relativ hohe Summe seiner Mutter geradezu als Betrug am Käufer – Zeichen für den Geist äußerster Bescheidenheit im Hause Salentin.

Nach seiner Gesellenzeit arbeitete Hubert Salentin zunächst als Schmiedemeister in Zülpich an Amboss und Esse. Mit 26 Jahren rang er sich jedoch zum riskanten Entschluss durch, fortan als Künstler zu leben. Er zog erneut nach Köln und nahm dort Unterricht beim Trierer Maler Ramboux. Als einer der Ersten erkannte der Kölner jüdische Lithograph David Levy Elkan Salentins außerordentliche Malbegabung und schrieb 1848 in der Kölnischen Zeitung begeistert darüber. Salentin, ähnlich bescheiden wie seine Mutter, war dies unangenehm.

Er fühlte sich überschätzt, aber die Folgezeit erwies die Richtigkeit der Einschätzung Elkans. Etwa ab Mitte des 19. Jahrhunderts wandte sich Salentin der Genremalerei zu. Die Vertreter dieser damals populären Richtung liebten es, gemütvolle Alltagsszenen aus dem bürgerlichen oder bäuerlichen Leben darzustellen. Die Meister der Genre-Malerei, von denen viele in Düsseldorf lebten und lehrten, legten Wert auf die erbauliche Darstellung von Natur und Landschaft, wohingegen bildungsbeladene Themen mit antiken und historischen Stoffen in den Hintergrund traten.

Die 1850er Jahre Salentins wurden geprägt von seinem Kunststudium in Düsseldorf, einem Zentrum der Genremalerei, und dem engen Kontakt mit den gefeierten Größen der Düsseldorfer Schule wie Wilhelm von Schadow, Carl Sohn oder dem Norweger Adolph Tidemand. Hinzu kamen Salentins ausgedehnte Aufenthalte im Schwarzwald, was sich vielfach in seinen Werken motivisch widerspiegelte. Mit seinen sehr sorgfältig ausgeführten Gemälden wurde der Zülpicher Künstler erstaunlich schnell international bekannt.

Besonders die weiblichen Mitglieder der europäischen Herrscherhäuser und Aristokratie schätzten seine Bilder, in denen häufig Kinder im Vordergrund standen. Salentin arbeitete um 1860 erfolgreich als selbständiger Maler und verkaufte Gemälde sowohl an die Zarengattin als auch an die Ehefrauen der Kaiser von Österreich-Ungarn und Frankreich. Zu seinen Kunden gehörten darüber hinaus bürgerliche Kunstliebhaber in ganz Europa und Nordamerika. In den folgenden Jahrzehnten entstanden im Düsseldorfer Atelier Salentins Hunderte von Gemälden. Sein Gesamtwerk umfasste schließlich über 400 Werke, von denen sich ein beträchtlicher Teil heute in Zülpich befindet und gerade in jüngster Zeit der Öffentlichkeit durch Ausstellungen wieder besonders nahegebracht wurde.

Als das 19. Jahrhundert sich dem Ende zuneigte, kam Salentin zu einer so optimistischen Lebensbilanz, wie man sie selten findet: „Das glücklichste Künstlerleben, das je einem Menschen beschieden war, habe ich geführt, und sollte ich sterben, und unser Herrgott wollte mich noch einmal auf die Erde schicken, so würde ich ihn auf den Knien bitten, es noch einmal so zu gestalten, wie es gewesen ist.“ Dem fast 80-Jährigen war indes noch ein weiteres Jahrzehnt Lebenszeit vergönnt; es verlief so, dass er sein Lebensresümee nicht revidieren musste. In seiner Zülpicher Heimat, wo man einst dem jungen Schmiedemeister Salentin dringend abgeraten hatte, sein solides Handwerk zugunsten eines mutmaßlich ungesicherten Künstlerdaseins aufzugeben, war man längst stolz auf den berühmten Landsmann. 1901 wurde Salentin ehrenhalber Professor an der Kunstakademie Düsseldorf, was ihn ebenso freute wie die Feierlichkeiten zu seinem 80. Geburtstag im folgenden Jahr.

Mit 86 Jahren gelang dem hochbetagten Meistermaler mit der „Kapuzinerpredigt“ ein letztes Gemälde, das er sogar für sein bestes Werk überhaupt hielt. Im Hochsommer 1910 verstarb Professor Hubert Salentin in Düsseldorf. Dass einige Jahrzehnte später mit dem Dürener Hans Salentin (1925-2009) ein Mitglied seiner Verwandtschaft zu den wichtigsten deutschen Künstlern des 20. Jahrhunderts gezählt werden würde, konnte er natürlich nicht vorhersehen. Aber es hätte den bodenständigen Altmeister sicher gefreut, auch wenn seine gemütvolle Genremalerei und die Avantgarde-Kunst Hans Salentin durch Welten getrennt scheinen.
Verfasser: Gregor Brand

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