Georg Fischer

Georg Fischer

„Was kommen soll, steht in Gottes Hand. Ich selber bin vorerst noch ganz ruhig. Die materiellen Dinge sind mehr oder weniger gleichgültig geworden. Man tut seine Pflicht und damit basta.“ Als der 62-jährige Wittlicher Verleger Georg Fischer im Februar 1943 diese Zeilen an seinen Sohn Ernst schreibt, hatte wenige Tage vorher die Schlacht um Stalingrad nach dem Sterben von weit über einer Million Soldaten ihr grausiges Ende gefunden.

Es hätte aber nicht dieser historischen Niederlage bedurft, um den lebensklugen Mann des Buches von dem verhängnisvollen Weg zu überzeugen, den sein geliebtes Vaterland nach der NS-Machtergreifung nahm. Zentrumsmitglied und Stadtrat Fischer blieb, wie der mit ihm befreundete M. J. Mehs, dem Nationalsozialismus gegenüber ablehnend. Bewusst veröffentlichte Fischer in seinem Verlag auch in der NS-Zeit kein Buch, „das sich nicht auch heute noch sehen lassen kann“ (M. J. Mehs, 1962).

Die Liebe zum Buch war Georg Fischer gleichsam in die Wiege gelegt worden. Sein Vater, der Buchbindermeister Franz Fischer (1836–1919), war aus Oberwesel in die Lieserstadt gezogen und hatte in der Burgstraße ein Schreibwarengeschäft und einen Buchladen eröffnet – und Bücher konnte man bei ihm natürlich auch binden lassen. Der 1881 in Wittlich geborene Georg war ein Sohn aus der zweiten Ehe seines Vaters, der als Witwer die fast 20 Jahre jüngere Margarethe Clotten geheiratet hatte; aus beiden Ehen Franz Fischers gingen insgesamt neun Kinder hervor. Georg fühlte sich von klein auf wohl in der Welt der Bücher. Als er 1905 das Geschäft übernahm, hatte er eine gediegene Buchhändlerausbildung hinter sich, die ihn bis in die Kulturmetropolen Leipzig und Wien geführt hatte. Bücher waren für Georg Fischer keineswegs nur Ware. Gute Bücher verkörperten für ihn vor allem geistiges Kapital, das unerlässlich ist zur Erweiterung des Horizonts. Fischer selbst war ein eifriger Leser von großer Bandbreite.

Georg Fischer
Georg Fischer

Es wäre aber völlig falsch, in dem Buchmenschen bloß einen lebensfremden „Bücherwurm“ zu sehen. Ein solches Bild ist nicht nur mit seiner erfolgreichen Aktivität als Buchhändler und Verleger unvereinbar, es würde unter anderem auch außer Acht lassen, dass Fischer sich vielseitig in Vereinen und Verbänden engagierte. Wegbegleiter wie Mehs oder der Publizist Hermann Klippel, der 1951 in den Georg Fischer Verlag als Lektor eintrat, heben Menschlichkeit und Geradlinigkeit des Wittlichers hervor – und seinen erdverwachsenen Humor. Dieser bodenständige Witz scheint deutlich durch Fischers eigene Veröffentlichung durch: „Das Wittlicher Wörterbuch“. In diesem schmalen, aber köstlichen Büchlein erläutert er Ausdrücke des Wittlicher Dialekts nicht hochdeutsch, sondern verdeutlicht sie durch mundartliche Beispiele. So heißt es etwa zu „Laadschen“: „Dä Maan eloo hodd’n poar Laadschen fier Pedscher z‘ drääden“ oder zu „Labperzoorisch“: „Giehd m’r ewäsch med dääm ganse Labperzoorisch“ oder zu „Pebschi“: „Hohsde dad Pebschi vom Nikloos kred?“ Die liebevolle Zusammenstellung zeigt Fischers Leutseligkeit und ist zudem eines von vielen Zeichen, wie intensiv sich Fischer mit Land und Leuten seiner Eifelheimat befasste.

Als Verleger, aber auch als Hobbyfotograf, wollte er möglichst viel vom Wertvollen seiner Heimat dokumentieren und bewahren. Herzensmittelpunkt des Verlegers aber blieb die Familie. 1913 hatte er Johanna Schuh (1886–1974) aus Reil geheiratet. Sie wurden Eltern von sechs wohlgeratenen Töchtern sowie des eingangs erwähnten Sohnes Ernst; vielleicht wären es ohne den Weltkrieg, an dem Fischer als Soldat teilnahm, sogar noch mehr geworden. Obwohl Georg Fischer es gern gesehen hätte, wenn sein einziger Sohn den Verlag fortgeführt hätte, widersetzte er sich nicht dessen Entscheidung, Arzt zu werden. Aus den Aufzeichnungen des Sohnes geht das Bild eines liebevollen Vaters hervor, der – anders als viele seiner Zeitgenossen – Gewalt in der Erziehung ebenso verabscheute wie in der Politik.

„Befasse Dich mit Hans Carossa“, riet Georg Fischer 1939 seinem Sohn vor Krieg und Studium. Gewiss wird der Verleger, der 1962 nach schmerzvollen Krankheitsjahren verstarb, öfters auch an eines von Carossas bekanntesten Gedichten gedacht haben: „Ja, wir sind Widerhall ewigen Halls“. Darin heißt es: „Was hier nicht gebunden wird, ist nirgends gebannt.“  Ein Gedanke, der Lebensmotto dieses denkwürdigen Wittlichers hätte sein können.

 Verfasser: Gregor Brand

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