Franz Reuleaux

Im Jahr 2007 veröffentlichte Francis C. Moon, führender US-Maschinenbauwissenschaftler und Technologiehistoriker, das Buch „The Machines of Leonardo da Vinci and Franz Reuleaux“. Allein schon mit diesem Buchtitel erwies er dem 1829 in Eschweiler geborenen Eifler Reuleaux höchste Reverenz: Von einem Top-Experten als Maschinenbauer in einem Atemzug mit dem Universalgenie Leonardo genannt zu werden – das kommt nicht alle Tage vor.
Der so geehrte Franz Reuleaux war eins von sieben Kindern der Eheleute Joh. Joseph Reuleaux (1796-1832) und Walburga C. H. Graeser (1803-1867). Sein französischer Nachname  verweist auf familiäre Wurzeln in der Wallonie, wo schon  Reuleaux-Vorfahren als Pumpenbauer und Ingenieure wirkten. Vater Joseph war „Mechanikus und Fabrikant“ in Eschweiler; die von ihm mitbegründete Firma „Englerth, Reuleaux u. Dobb“ gehörte zu den ersten Dampfmaschinenfabriken der Nordeifel. Franz Reuleaux‘ Mutter verfasste Kinderbücher und Mädchenromane. Von den Kindern dieses Paares machte sich neben Franz auch Karl Reuleaux als Ingenieur und Dichter einen Namen, während der Bruder Ludwig später in Mainz als einflussreicher Unternehmer tätig war.  Franz Reuleaux heiratete Charlotte Overbeck, eine Enkelin des Lübecker Bürgermeisters und Dichters C. A. Overbeck; einige ihrer Nachkommen traten wiederum durch besondere technische und unternehmerische Leistungen hervor.

Nach dem frühen Tod des Vaters wuchs Franz Reuleaux in Koblenz auf, wo er erste Maschinenbaukenntnisse in der „Maschinenfabrik Gebr. Zilken in Coblenz“  erwarb. Ab 1850 studierte er am Polytechnikum Karlsruhe beim berühmten Ferdinand Redtenbacher Maschinenbau, ab 1852 in Berlin und Bonn Philosophie und Mathematik. 25-jährig veröffentlichte Reuleaux zusammen mit C. L. Moll eine „Construktionslehre für den Maschinenbau“, durch die Fachleute auf ihn aufmerksam wurden. Obwohl ohne formellen Studienabschluss, verhalfen ihm diese Schrift und die Fürsprache von G. A. Zeuner zu einer Professur für Maschinenbau an der neugegründeten ETH Zürich. Ab 1864 lehrte Professor Reuleaux  Maschinenkunde an der Berliner Gewerbeakademie; von 1868 bis 1879 war er Direktor der zur Königlich Technischen Hochschule zu Berlin erhobenen Einrichtung (der heutigen TU Berlin), 1890 wurde er deren Rektor.

Diese knappen Karrieredaten lassen allenfalls erahnen, welch wichtige Rolle dem Eifler beim Aufstieg Deutschlands zu einer der führenden Maschinenbau-Nationen zukam. Noch 1877 hatte Reuleaux deutsche Industrieprodukte als „billig und schlecht“ kritisiert. Diese ihm vielfach angekreidete Bemerkung war jedoch im Kaiserreich ein nachhaltiger Weckruf, diesem Zustand energisch abzuhelfen. Reuleaux forderte, im internationalen Wettbewerb nicht durch niedrigere Preise, sondern mit höherer Qualität erfolgreich zu sein. In wissenschaftlicher Hinsicht erwarb sich Reuleaux bleibenden Ruhm als Hauptbegründer der modernen Kinematik. Leicht erkennbare Dokumente seiner Pionierarbeit in diesem Gebiet, wo es um die Lehre von den Bewegungen in Maschinen geht, sind Begriffe wie das „Reuleaux-Dreieck“ oder das „Reuleaux-Tetraeder“. Um die Analyse und Synthese von Maschinen zu rationalisieren, entwickelte Reuleaux zudem eine eigene kinematische Zeichensprache. Weitere Veröffentlichungen galten dem Zusammenhang von Kultur, Ästhetik und Technik oder den sozialen Problemen fortschreitender Mechanisierung.

Stärker als andere versuchte Reuleaux, dem Maschinenbau eine wissenschaftliche Grundlage zu verschaffen: „Theoretische Kinematik: Grundzüge einer Theorie des Maschinenwesens“ ist der passende Titel eines seiner Hauptwerke. Unermüdlich studierte und sammelte er Maschinen unterschiedlicher Zeitalter und Kulturen und baute für praktische und wissenschaftliche Zwecke eine riesige Sammlung von Maschinenmodellen auf. Zugleich versuchte er, dem Phänomen Innovation auf den Grund zu kommen, wobei er Erfindungen mit dem Schaffen von Kunstwerken verglich. So groß das theoretische Interesse dieses Eifler Maschinen-Gurus auch war, so wenig darf man seine praktische Wirksamkeit unterschätzen. Reuleaux beriet und förderte Erfinder und Unternehmer wie N. A. Otto (Otto-Motor), Siemens und Mannesmann und war eine gewichtige Stimme in den Diskussionen um Technologieförderung, Patentschutz oder Ingenieurs-Ausbildung. Professor Reuleaux, in der internationalen Fachwelt als geniale Verkörperung deutscher Maschinenbau-Exzellenz angesehen, starb  1905 in Charlottenburg.
 

Verfasser: Gregor Brand

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