Franz Ludwig Reichsgraf von Kesselstatt

Domkapitular, Kunstsammler und Maler aus Föhrener Adelsgeschlecht148_kesselstatt_franz_29_13

Die Persönlichkeit des englischen Schriftsteller-Titanen William Shakespeare ist seit jeher mit besonderen Geheimnissen verbunden. Seit Jahrhunderten wird darüber spekuliert, welche Biographie sich hinter dem Verfasser solcher Meisterwerke wie „Hamlet“ oder „Macbeth“ verbirgt. Nicht minder unsicher war das Aussehen dieses Genies. Seit einigen Jahren geht man aufgrund der Forschungen der Shakespeare-Expertin Hammerschmidt-Hummel davon aus, dass sich die zuverlässigste Shakespeare-Abbildung jahrzehntelang im Besitz eines Eiflers befunden hatte: seine Totenmaske. Der Föhrener Reichsgraf Franz von Kesselstatt hatte die Gipsmaske von einer England-Reise nach Mainz mitgebracht und bis zu seinem Lebensende in Besitz gehabt.

Graf Kesselstatt war schon zu Lebzeiten als Kunstsammler und Kunstkenner berühmt. Kein Geringerer als der Shakespeare-Bewunderer Goethe besuchte Reichsgraf Kesselstatt in Mainz und ließ sich dessen Kunstschätze zeigen. Die Domstadt Mainz war der maßgebliche Lebens- und Wirkungsort von Graf Kesselstatt, aber seine Wurzeln lagen im Trierer Land. In Trier selbst, wo seine Familie seit Mitte des 18. Jahrhunderts ein herrschaftliches Palais besaß – das bekannte Palais Kesselstatt gegenüber der Liebfrauenkirche – war Franz Ludwig 1754 als Sohn des 1776 in den Reichsgrafenstand aufgenommenen Landhofmeisters Hugo Kasimir Eduard von Kesselstatt und dessen Gattin Katharina Elisabeth aus dem Adelsgeschlecht Knebel von Katzenelnbogen geboren worden; insgesamt hatte das Paar 17 Kinder. Die altadlige Familie von Kesselstatt ist nach ihrem ursprünglichen Sitz in Hessen benannt, lebt aber seit über 500 Jahren auf Schloss Föhren in der Eifel. Über Jahrhunderte hinweg stellte die Familie Amtsträger an vielen Orten des Kurfürstentums Trier. „Die Ritter von Kesselstatt erwiesen sich als tatkräftige, treue und tapfere Dienstmannen der Trierer Kurfürsten“, urteilte der Historiker Richard Laufner und hob hervor, dass es dieser Familie sowohl durch Leistung, aber auch durch kluge Familienpolitik gelungen war, Besitz und Status stetig zu vergrößern. Zu dieser Familienpolitik gehörten Heiratsverbindungen mit ruhmvollen rheinischen Adelsgeschlechtern, aber auch das Prinzip, im Erbfall das neue Oberhaupt der Familie nicht schematisch nach dem an sich geltenden Erstgeburtsrecht zu bestimmen, sondern nach Fähigkeit und Neigung. Zudem war es üblich, dass außer diesem Familienoberhaupt alle Söhne unverheiratet blieben, wodurch eine Besitzzersplitterung vermieden wurde.
Entsprechend dieser Tradition stand auch für Franz Ludwig früh fest, dass er auf die Gründung einer eigenen Familie würde verzichten müssen. Wie mehrere seiner Brüder wurde er zur Ausbildung an die Ritterakademie nach Wien geschickt, wo er in den Jahren 1770 bis 1774 jene Wissenschaften studierte, die für herrschaftliche Führungsaufgaben wichtig waren, vor allem also Recht und Finanzwesen. Weitere Studienorte waren Straßburg und Nancy, wo sich der Graf aus Föhren noch besser mit der Sprache und Kultur der damals dominierenden Kulturnation Frankreich vertraut machte. 1778 wurde der Eifler Adlige Domkapitular des Erzstiftes Mainz und rückte damit in den Führungszirkel dieser wichtigen geistlichen Herrschaft auf. Der für Graf Kesselstatt sich abzeichnende Karriereweg, der ihn bis an die Spitze des Erzstifts hätte führen können, wurde durch die Ereignisse nach der französischen Revolution jäh unterbrochen. Als französische Revolutionstruppen Mainz besetzten, blieb Domkapitular von Kesselstatt in Mainz, obwohl er als Adliger und Geistlicher keineswegs seines Lebens sicher sein konnte. Wir wissen nicht, ob dies eher an seinem Gottvertrauen lag oder am Vertrauen auf die Toleranz und Sympathie seiner Mitbürger. Fest steht, dass der kunstsinnige Domkapitular die turbulenten Revolutionszeiten in Mainz, in denen die Herrschaft mehrfach zwischen Franzosen und Franzosenfeinden wechselte, relativ unbeschadet überstand und sich wohl letztlich mit allen Beteiligten zu arrangieren wusste. Sein Ansehen und seine Beliebtheit wurden gefördert durch seine eigenen künstlerischen Aktivitäten. Graf Kesselstatt ließ sich von den Mainzer Malern Johann Jakob Hoch und Johann Kaspar Schneider in der Malkunst unterrichten und schuf selbst zahlreiche Werke, darunter etliche bemerkenswerte Mainzer Stadtansichten, die bis heute wegen ihres historischen Wertes geschätzt werden. Nach dem Ende der Franzosenherrschaft, die in der Eifel die Existenz der Familie lebensgefährlich bedroht hatte, gehörte Franz von Kesselstatt zusammen mit dem reichen Baron Mappes und dem Juristen Dr. Hadamar zur Deputation, die Mainz beim Wiener Kongress vertrat. Als Graf Kesselstatt 1841 hochbetagt starb, verlor Mainz nicht nur einen herausragenden Kunst- und Antiquitätenfachmann, sondern auch das letzte lebende Symbol seiner untergegangenen kurfürstlichen Zeit.
Verfasser: Gregor Brand

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