Elwin Bruno Christoffel

Als Albert Einstein 1915 vor der Berliner Akademie der Wissenschaften seine Allgemeine Relativitätstheorie – die berühmteste wissenschaftliche Theorie des 20. Jahrhunderts – vorstellte, erwähnte er neben dem „Fürsten der Mathematiker“ C. F. Gauss einen weiteren deutschen Mathematiker als Vordenker seiner Methode: den Eifeler Elwin Christoffel. Der 1829 in Monschau (damals „Montjoie“ geschrieben) geborene Christoffel war zu diesem Zeitpunkt zwar schon 15 Jahre tot, aber sein Ruhm als Mathematiker ungebrochen. Dies ist bis auf den heutigen Tag so geblieben. Nach wie vor wird Elwin Christoffel zu den größten Mathematikern überhaupt gezählt.

Es wäre voreilig, Christoffels Leistung als brillanter Fortentwickler der von Gauss und Riemann begründeten Differentialgeometrie mit seiner Monschauer Herkunft in Verbindung zu bringen, auch wenn ihm in den dortigen Fachwerkhäusern von Kindheit an besonders zahlreich faszinierende Formen begegnet sind. Der soziale Hintergrund ist gleichfalls wenig aussagekräftig zur Erklärung von Christoffels Spitzenbegabung. Sein Vater Franz Carl war Kammstricker und arbeitete damit in einem für die Tuchmacherstadt Monschau typischen Gewerbe. Elwins Mutter Maria Helena Engels entstammte gleichfalls einer Tuchmacherfamilie. Nach der Volksschule erhielt der hochintelligente Handwerkersohn zur Vorbereitung auf das Gymnasium Privatunterricht. Christoffel erwies sich auf den Gymnasien in Köln als guter Schüler und bestand 1849 das Abitur mit Auszeichnung.

Bei der Wahl des Studienfachs Mathematik an der Berliner Universität könnte Christoffels entfernte Verwandtschaft mit dem genialen Mathematiker Peter Dirichlet (1805–1859) eine Rolle gespielt haben. Der in Düren geborene Eifeler Dirichlet zählt zu den größten Mathematikern der Neuzeit. Wie Christoffel hatte er das Jesuiten-Gymnasium in Köln besucht; als Professor in Berlin gehörte er zu den Lehrern Christoffels, ehe er in Göttingen Nachfolger von Gauss wurde. Der junge Christoffel machte seinem Eifeler Landsmann Dirichlet alle Ehre. Nach Doktorarbeit und einer wegweisenden Habilitationsschrift wurde Christoffel 1859 selbst Dozent in Berlin.

In den Jahren zuvor hatte sich eine andere Seite des Kopfmenschen Christoffel gezeigt. Um seiner kranken Mutter helfend nahe zu sein, hatte er sich nach Militärdienst und Doktorarbeit in die Monschauer Eifelheimat zurückgezogen. Drei Jahre lang lebte der schüchterne Jungmathematiker, der zeitlebens Junggeselle blieb, zurückgezogen in der Rurgemeinde, ehe er wieder ins akademische Leben zurückkehrte. Von Berlin aus ging es 1862 nach Zürich, von dort 1868 wieder zurück nach Berlin. Hier lehrte Christoffel an der Gewerbe-Akademie, dem Vorläufer der berühmten TU Berlin. Trotz des bereits gewonnenen Rufs als exzellenter Mathematiker musste Christoffel bald erkennen, dass die Gewerbe-Akademie nicht mit der Anziehungskraft der ruhmreichen Berliner Universität konkurrieren konnte. Gerne griff er daher 1872 auf ein Angebot aus Straßburg zurück, an der dortigen Universität – einst mitgegründet von seinem Schleidener Landsmann Sturmius – als Mathematikprofessor zu lehren. Die elsässische Hauptstadt gehörte seit einem Jahr nicht mehr zu Frankreich, und der patriotische Grenzlanddeutsche Christoffel setzte seinen Ehrgeiz daran, Straßburg nun zu einem Spitzenplatz im deutschen Wissenschaftsleben zu verhelfen. Angezogen von Christoffels Ruhm fanden Mathematiker aus der ganzen Welt den Weg nach Straßburg. Die meisten Christoffel-Schüler wurden selbst bedeutende Mathematiker und beeinflussten teilweise erheblich die Entwicklung in bedeutenden Staaten. Fujisawa Rikitaro, der erste moderne Mathematiker Japans, folgte ebenso den Vorlesungen des Eifelers wie Oskar Bolza, der von grundlegender Bedeutung für die Mathematik in den USA wurde. Neben der fachlichen Brillanz Christoffels imponierte sein persönlicher Stil. Die von feiner Vornehmheit geprägten Vorlesungen waren bis ins kleinste Detail vorbereitet und riefen durch Klarheit und ästhetische Perfektion Bewunderung hervor. Christoffels Forschungsfelder waren vielseitig, und seine Erkenntnisse haben bis heute Bedeutung für zahlreiche Wissenschaftsbereiche. Begriffe wie die „Christoffel-Symbole“ oder die „Schwarz-Christoffel-Transformation“ verewigen den Namen des Eifelers. Bei seiner Beerdigung rühmte ihn der Philosoph Windelband als „gewaltigen Lehrer“ und stellte fest: „Er wollte nichts von der Welt als die Wissenschaft.“

Verfasser: Gregor Brand
 

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