Clemens Fürst von Metternich

Der berühmteste Staatsmann Österreichs, dessen Wirkungszeit häufig als „Ära Metternich“ bezeichnet wird, war ein Spross Eifler Adels: Clemens Wenzel Lothar von Metternich, geboren 1773 als Grafensohn in Koblenz, gestorben 1859 als weltberühmter Fürst und Herzog in Wien. Bis heute mischen sich in der Beurteilung seiner Person und Politik Hochachtung und Verachtung. 

Clemens von Metternich stammte als Sohn des Diplomaten Franz Georg Graf von Metternich-Winneburg und dessen Ehefrau Maria Beatrix Gräfin von Kageneck aus der Linie Winneburg-Beilstein des altadeligen Geschlechts Metternich, deren Herrschaftssitz die Südeifler Höhenburg Winneburg bei Cochem war. Die meisten Adelsfamilien seiner Vorfahren – etwa die seiner Großmutter Clara Luise von Kesselstatt – sind eng mit der Geschichte der Eifel verbunden. Der Lebensweg von Graf Clemens war früh darauf angelegt, den diplomatischen Spuren seines Vaters zu folgen. Bereits als 15-Jähriger bezog er die Universität Straßburg und ließ sich in der Elsaßmetropole in der Diplomatenschule des Juristen Wilhelm Koch ausbilden. Hier erlernte er nicht nur weitere Feinheiten diplomatischer Umgangsformen, sondern war mit all den staatsrechtlichen und staatspolitischen Fragen konfrontiert, die in jener welthistorischen Umbruchszeit auf der Tagesordnung standen. Kurz bevor die Französische Revolution Straßburg erreichte, verließ Junggraf Metternich das Elsaß und sammelte als Zeremonienmeister bei der Kaiserkrönung 1790 in Frankfurt/Main erste praktische diplomatische Erfahrungen. In den folgenden Jahren diktierte die blutige Entwicklung in Frankreich sein weiteres Schicksal. Metternich musste Mainz nach zweijährigem Jurastudium 1792 fluchtartig verlassen, um nicht in die Hände der Revolutionäre zu fallen und als Adliger einem lebensbedrohlichen Schicksal entgegen zu sehen. Brüssel und England waren Etappen dieser Flucht, ehe Clemens seinem Vater ins revolutionssichere Wien folgen konnte. 1795 heiratete der enorm selbstbewusste Rheinländer, dessen angenehmes Äußere und weltmännische Manieren von Zeitgenossen oft anerkennend hervorgehoben wurden, Fürstin Eleonore von Kaunitz (1775–1825). Diese Ehe mit einer Enkelin des ruhmvollen Staatskanzlers von Kaunitz verschaffte Metternich endgültig Zugang zu den höchsten Kreisen am Kaiserhof. Nach dem Tod seiner geliebten Gemahlin ging Fürst Metternich zwei weitere Ehen ein. Durch die Nachkommen aus diesen Verbindungen sowie weitere aus außerehelichen Affären, die der als Lebemann bekannte Metternich ohne nennenswerte moralische Bedenken unterhielt, lebt sein leibliches Erbe bis in die Gegenwart fort.

1801 wurde Metternich Gesandter in Sachsen, nach weiteren Tätigkeiten ernannte ihn Kaiser Franz bereits 1809 zum Minister des Äußeren. Schon in jenen Jahren war es ein Hauptanliegen seiner Politik, durch kühl-rationales und vorsichtiges Agieren die Großmacht Österreich einerseits vor kriegerischen Konflikten zu bewahren, anderseits ihren Einflussbereich klug auszubauen. Nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft galt Fürst (seit 1813) Metternich auf dem Wiener Kongress 1815 als der dominierende europäische Staatsmann. In den folgenden Jahrzehnten prägte Metternich die politischen Geschicke des Kontinents wie kaum ein anderer europäischer Politiker seiner Zeit. Es entstand das sehr konservative „System Metternich“, das primär auf innere und äußere Stabilität bedacht war und zur Verwirklichung dieses Ziels nicht vor dem rücksichtslosen Einsatz der Staatsgewalt zurückschreckte. Von Demokratie und liberalen Bürgerrechten hielt der Revolutionsfeind und Monarchist Metternich ebenso wenig wie von dem anwachsenden Nationalismus. Fürst Metternich, seit 1822 Staatskanzler, berief sich gern auf den „gesunden Menschenverstand“ und die Vernunft, die er bei sich selbst am besten verwirklicht sah: „Warum muß gerade ich unter so vielen Millionen Menschen der sein, der da denken soll, wo andere Andere nicht denken, handeln, wo andere nicht handeln, schreiben, weil es Andere nicht können?“ Als im März 1848 die bürgerliche Revolution in Wien ausbrach, musste der heftig angefeindete Metternich zurücktreten. Nach dreijähriger Emigration in England verbrachte er seine letzten Lebensjahre als Privatmann im Habsburgerreich. Das Verständnis für seine auf europäischen Ausgleich und Zurückdrängung von politischen Leidenschaften gerichtete Politik ist nach den Katastrophen des 20. Jahrhunderts unter Historikern wieder deutlich gestiegen.

Verfasser: Gregor Brand

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen