Charles-Mathias Simons

Bei der Gestaltung des Großherzogtums Luxemburg im 19. Jahrhundert spielten Persönlichkeiten Eifler Herkunft eine enorme Rolle. Das gilt etwa für die Dudeldorfer Familie München, für die Prümer Willmar, die mit J. G. Willmar (1763–1831) den ersten Generalgouverneur des Großherzogtums stellten, für den Nationalkomponisten J. A. Zinnen aus Neuerburg oder den Dichterjuristen C. T. André aus Roth, den „rouden André“, der 1848 die luxemburgische Arbeiterbewegung begründete. Zur Spitzengarde Eifler Luxemburger gehörte auch der liberale Charles-Mathias Simons, der es bis zum Chef der luxemburgischen Regierung brachte. 

Simons wurde 1802 in Bitburg als Sohn des aus Masthorn stammenden Friedensrichters und Staatsanwalts Peter Simons (ca. 1756–1818) und dessen Ehefrau Elisabeth Hubertine Kierser (ca. 1763–1829) geboren. Charles-Mathias studierte Jurisprudenz an der Universität Lüttich, erwarb dort 1823 den juristischen Doktortitel und wurde ein Jahr später Anwalt in Diekirch. Die belgische Revolution 1830 entfachte die politische Leidenschaft des jungen Juristen. In diesem folgenreichen Konflikt, in dem sich der katholische Süden des Vereinigten Königreichs der Niederlande vom protestantisch dominierten Norden lossagte und zum neuen Staat Belgien zusammenschloss, gehörte Simons zu den besonders belgienfreundlichen Aktivisten – und damit zu den Gegnern des niederländischen Königs, der in Personalunion auch Großherzog von Luxemburg war. Im Arrondissement Diekirch wählte man den redegewandten Bitburger Advokaten in den Brüsseler Nationalkongress, wo Simons an der berühmten belgischen Verfassung mitarbeitete, die für mehrere europäische Staaten zum Vorbild wurde. Die staatliche Zukunft Luxemburgs blieb allerdings für weitere Jahre umstritten. Bis Juni 1839 gehörte das Großherzogtum zu Belgien, dann einigten sich die Niederlande und Belgien unter dem Einfluss von Preußen und Frankreich auf eine radikale Gebietsneuregelung.

Luxemburg wurde stark verkleinert: Der französischsprachige Westen mit rund 150 000 Einwohnern fiel an Belgien, das dafür aber auf das übrige Luxemburg verzichten musste. Simons vertrat in diesen Konflikten meist die Positionen des von ihm als fortschrittlicher und demokratischer empfundenen Belgien. Die niederländischen Könige und Großherzöge, seine Landesherrn, nahmen ihm allerdings diese Belgien-Freundlichkeit nicht sonderlich übel. Nachdem er schon vorher wichtige Ämter im Großherzogtum bekleidet hatte, wurde Simons von 1843 bis 1848 erstmals Mitglied der Regierung. Politisch blieben es unruhige Zeiten in dem moselfränkischen Land. Innerhalb weniger Jahre erhielt das Großherzogtum zwei Verfassungen, die letztere geprägt von der revolutionären Entwicklung des Jahres 1848, die auch Luxemburg mitriss. In der Frankfurter Paulskirche war Luxemburg als Teil des Deutschen Bundes mit mehreren Abgeordneten vertreten, darunter dem sehr deutschfreundlichen Linken André, der für den preußischen König als deutschen Kaiser stimmte. Nach dem Scheitern der Revolution blieb die politische Elite Luxemburgs sich uneins, ob man sich stärker an Preußen oder Frankreich orientieren sollte.

Als Charles-Mathias Simons 1853 als „Staatsminister“ an die Spitze der Regierung berufen und zudem für die Außenpolitik zuständig wurde, bemühte er sich um gute Beziehungen nicht nur zu Frankreich, sondern gerade auch zu den Niederlanden und Preußen, obwohl er lange Zeit eher als Feind beider Staaten gegolten hatte. Innenpolitisch musste sich seine Regierung dem antidemokratischen Kurs Großherzogs Wilhelm III. fügen, der 1856 eine neue reaktionäre Verfassung durchsetzte, die seine Macht auf Kosten des Parlaments maximal erweiterte. 1859 wurde Simons Präsident des Staatsrats; nach seinem Rückzug aus der Regierung blieb er bis zu seinem Tod 1874 Mitglied dieser wichtigen Institution.  Unter Staatsminister Simons kam es wirtschaftlich zu weitreichenden Neuerungen, mit denen sich das bäuerlich geprägte Großherzogtum in der Zeit der Industrialisierung behauptete. So wurde beispielsweise 1856 die Banque Internationale à Luxemburg gegründet und 1859 die erste Eisenbahnstrecke eröffnet.

Die hier angedeuteten Entwicklungen bilden nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Mosaik der luxemburgischen Konflikte im 19. Jahrhundert. Charles-Mathias Simons versuchte während dieser rasanten Umbruchzeit, sein Ideal eines liberalen, fortschrittlichen Staates umzusetzen. Ähnliches gilt für weitere Mitglieder dieser Simons-Familie, die vielfach führend im Großherzogtum wirkten.

Verfasser: Gregor Brand

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