Carl Wilhelm Scheibler

Carl Wilhelm Scheibler
Carl Wilhelm Scheibler

Wer nach bemerkenswerten historischen Persönlichkeiten der Eifel Ausschau hält, wird in der Nordeifler Tuchmacherfamilie Scheibler vielfach fündig. Johann Heinrich Scheibler (1705–1765), Sohn eines evangelischen Pfarrers und Urgroßonkel des Chemikers Carl Wilhelm Scheibler, hatte nach Heirat und Niederlassung in Monschau dort eine außerordentlich erfolgreiche Tuchfabrikation begründet; das von ihm erbaute Rote Haus dokumentiert bis heute in Monschau den Ruhm dieser Familie. Andere Scheibler führten die Fabrikantentätigkeit über Generationen in großem Stil fort und bauten sie durch Niederlassungen und Neugründungen international aus. Aus der reichen Reihe der Scheibler-Unternehmer seien hier nur noch zwei Industriepioniere des 19. Jahrhunderts erwähnt: Karl Wilhelm Scheibler (1820–1891), der die Scheiblerwerke in Polen zu den größten Textilbetrieben des Landes machte und als „Baumwollkönig“ von Polen ein gewaltiges Vermögen anhäufte, und Carl J.H. Scheibler (1852–1920), einer der wichtigsten deutschen Düngemittelfabrikanten seiner Zeit.

Der 1827 geborene Carl Wilhelm Scheibler war eines von über zehn Kindern des Kaufmanns Friedrich A. T. Scheibler und dessen Ehefrau Anna Gertrud Eschweiler. Carls Großmutter väterlicherseits war die Berlinerin Sophie Scheibler (geb. Koblanck), deren Bruder Hauslehrer der Humboldt-Brüder und Hofprediger des Preußenkönigs Friedrich des Großen war, und die auch selbst als Verfasserin eines erfolgreichen Kochbuchs hervortrat. Als Geburtsort von Carl Scheibler wird teilweise Gereth, teilweise Kettenis angegeben. Beide Ortschaften gehören heute zum ostbelgischen Eupen, während sie zu Scheiblers Zeit Teil des preußischen Regierungsbezirks Aachen waren. In dieser „Scheibler-Region“ zwischen Monschau, Eupen und Aachen verbrachte Carl überwiegend seine Kinder- und Jugendjahre. Ob er damals  das eindrucksvolle Erbe seiner Vorfahren eher als Last oder als Ansporn sah, wissen wir nicht. Die  Tatsache, dass er nach seiner Aachener Schulzeit 1848 an der Universität Berlin das Studium der Chemie aufnahm, deutet an, dass er neue Wege gehen wollte. Die Chemie gehörte im 19. Jahrhundert zu den besonders rasant aufstrebenden Wissenszweigen.  Wer sich dieser jungen Wissenschaft verschrieb, konnte bei günstigem Karriereverlauf sowohl auf wissenschaftliche Entdeckungen als auch auf besonderen wirtschaftlichen Erfolg rechnen.

Genau dieser Gang der Dinge zeichnete sich auch bereits beim Jungchemiker Scheibler ab. Nach dem Studium in Berlin wurde er 1853 für mehrere Jahre Assistent von Professor Gustav Werther in Königsberg. Bald nach der Promotion 1861 trat Carl Scheibler mit einer kommerziell nutzbaren Eigenentwicklung hervor:  „Scheibler‘s Mundwasser“ versprach als parfümierte antiseptische essigsaure Tonerde-Lösung eine Reinigung des Mundes von Schadkeimen und erzielte beachtlichen Absatz. Das für sein weiteres Berufsleben maßgebliche Feld fand Scheibler, als er 1858 in die Pommersche Provinzial-Zuckersiederei in Stettin eintrat. Zucker – auf diesem Gebiet gelangen dem Eifler Chemiker bedeutende Fortschritte, die bis heute mit seinem Namen verbunden sind. 1863 erfand er ein neues Verfahren zur Melasseentzuckerung; die praxisorientierte Zuckerforschung blieb fortan Schwerpunkt seiner Arbeit. Scheibler, der seit 1870 an der Gewerbeakademie Berlin lehrte, hatte 1867 das Berliner Zuckerinstitut mitgegründet, das eng mit der Rübenzuckerindustrie zusammenarbeitete. Dabei spielten sicherlich auch Scheiblers Eifler Verbindungen eine Rolle; mit dem Dürener Valentin Pfeifer (1837–1909) und dessen Kölner Unternehmen Pfeifer & Langen war die Nordeifel in der Zuckerproduktion an führender Stelle vertreten. Von 1864 bis 1878 war Scheibler Redakteur der Zeitschrift des Vereins für die Rübenzucker-Industrie, dann wurde er Herausgeber der von ihm gegründeten Neuen Zeitschrift für die Rübenzucker-Industrie. 1880 gelang dem im gleichen Jahr zum Professor ernannten Scheibler mit der Entwicklung des Strontianverfahrens zur Melasse-Entzuckerung ein weiterer Meilenstein auf seinem Spezialgebiet.

Durch die Patentierung dieses Verfahrens sowie 18 weitere Patente konnte es sich Scheibler leisten, seine Zuckerforschungen in einem Privatlaboratorium zu betreiben und schließlich ein Leben als wohlhabender Privatier zu führen. Sein eigentliches Privatleben war nach der Scheidung von seiner Frau seit 1863 durch das Zusammenleben mit Charlotte Uterhart (1845–1906) gekennzeichnet; aus dieser Beziehung gingen fünf außereheliche Kinder hervor. Wissenschaftsgeschichtlich bedeutsam bleibt Scheibler, der rund 180 Fachpublikationen aufzuweisen hatte, nicht zuletzt auch als Mitgründer der Deutschen Chemischen Gesellschaft. Wenn sich auch sein wissenschaftlicher Rang nicht mit dem seines Eifler Landsmannes und Chemie-Nobelpreisträgers Emil Fischer vergleichen lässt, so zählt  der 1899 in Berlin verstorbene Zuckerchemiker Carl Wilhelm Scheibler doch zu den Forscherpersönlichkeiten, die zur frühen Weltgeltung der deutschen Chemie beitrugen. Verfasser: Gregor Brand

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen