Bertrada die Jüngere – Mutter Karls des Großen aus Bitburg

bertrada_53_15Bertrada, Tochter des Grafen Heribert von Laon, Enkelin von Bertrada der Älteren und eine der berühmten Frauenpersönlichkeiten des Mittelalters – eine gebürtige Bitburgerin? Zwar ist schon lange bekannt, dass ihre hochadelige Sippe aus dem Eifel-Mosel-Raum stammte; immerhin gründete Bertrada die Ältere 721 das Kloster Prüm und es gibt zahlreiche Urkunden, die ausgedehnten Besitz in der Eifel dokumentieren. Aber ihr genauer Geburtsort ist – wie bei fast all ihren Zeitgenossen – unbekannt. Vor wenigen Jahren hat nun der Philologe  Gustav Adolf Beckmann mit überzeugenden Gründen Bitburg (damals „Beda“) als Geburtsort Bertradas ins Spiel gebracht. In seiner Studie „Die Karlamagnús-Saga I und ihre altfranzösische Vorlage“ (2008) zeigt er, dass Bitburg als befestigter Hauptort des Bedagaus berechtigte Ansprüche auf den Ruf als Geburtsort Bertradas erheben kann.

Die vermutlich um 725 geborene Bertrada (auch: Bertha) gehörte durch ihre hohe Abkunft zum engsten Kreis der fränkischen Elite. Sie rückte noch zentraler in das Machtzentrum der Franken, als sie den mächtigen Hausmeier Pippin den Jüngeren heiratete. Pippin (714-768) war ein Sohn Karl Martells, dessen Sieg 732 über die Araber in der Schlacht von Tour und Poitiers zu den folgenreichsten Taten der europäischen Geschichte gezählt wird. Wann die Hochzeit zwischen Bertrada und Pippin stattfand, ist nicht sicher; manche Historiker schlossen nicht aus, dass der Erstgeborene Karl um das Jahr 747 vorehelich zur Welt kam. Festeren historischen Boden betritt man erst um die Jahrhundertmitte. Ab 750 erscheint Bertrada als Ehefrau Pippins und wird in Urkunden sogar als „regina“ (Königin) bezeichnet. Als Gattin Pippins wurde sie nicht nur Mutter von sechs Kindern, sondern auch Zeugin historischer Ereignisse. Dazu zählte bereits im Jahr 751 die Proklamation Pippins zum König der Franken. Diese von Papst Zacharias I. gebilligte Ernennung stellte einen dramatischen Dynastiewechsel dar: Nachdem jahrhundertelang das Geschlecht der Merowinger mit fast religiöser Ausstrahlung die Königsherrschaft innegehabt hatte, folgten jetzt die Besitzer der tatsächlichen politischen Macht – eben die Karolinger. Eine weitere historische Neuerung war die 754 erfolgte Salbung Pippins und seiner Söhne Karl und Karlmann durch den neuen Papst Stephan. Die Unterstützung des Papstes für Pippin war keineswegs uneigennützig. Pippin erfüllte die römischen Erwartungen, indem er den Papst im Kampf gegen die Langobarden in Italien militärisch unterstützte. Eine Handlung Pippins und Bertradas von epochaler Bedeutung für die mittelalterliche Geschichte der Eifel war die 752 erfolgte Neugründung der Benediktinerabtei Prüm. Das Kloster war anscheinend nach der Erstgründung durch Bertrada die Ältere nicht richtig in Schwung gekommen und dämmerte einem frühen Ende entgegen, ehe ihm die besagte Neugründung kraftvoll neues Leben einhauchte. Pippin und Bertrada waren entschlossen, die Abtei dauerhaft als Hauskloster der Karolinger zu sichern. Sie riefen Benediktinermönche aus dem französischen Meaux in die Westeifel, und das Kloster entwickelte sich wie erhofft zu einem bedeutenden Ort der Karolingerzeit und weit darüber hinaus.

Als König Pippin im Jahr 768 starb, wurde seine Witwe Bertrada für einige Jahre zur Hauptgestalterin der fränkischen Politik. Hauptmotiv für dieses ungewöhnliche Eingreifen dürfte gewesen sein, den Nachfolgekonflikt zwischen ihren Söhnen Karl und Karlmann zu entschärfen. Beide hatten nach dem Tod ihres Vaters Pippin jeweils einen Teil des Frankenreiches erhalten und sahen sich als Konkurrenten um Macht und Einfluss. Von gesamtfränkischer Bedeutung war der Politikwechsel, den Bertrada einleiten wollte. Sie legte Wert auf ein friedlicheres Verhältnis zu Bajuwaren und Langobarden und reiste selbst zum Langobardenkönig Desiderius nach Oberitalien, um ihn zu einem Bündnis zu veranlassen. Besiegelt wurde diese Allianz durch die Heirat Karls mit der Tochter des Langobardenkönigs. Als jedoch 771 nach dem frühen Tod des erst 20-jährigen Karlmann zwangsläufig die Macht Karls enorm anwuchs, schwand der Einfluss seiner Mutter. Karl trennte sich von der Langobardin und stellte sich im Machtkampf zwischen Langobarden und Papst auf die Seite Roms. Karls Krieger griffen die Langobarden an, besiegten sie und gliederten ihr Gebiet dem Frankenreich an. Wie Bertrada auf diese expansive Politik Karls reagiert hat, ist ebenso wenig überliefert wie ihre Haltung zu den aufflammenden Sachsenkriegen. Während sie Karls  Feldzüge wohl mit mütterlicher Sorge verfolgte, dürfte sie sich über die zunehmende Zahl von Enkelkindern gefreut haben. Karls Frauenbeziehungen entsprachen zwar nicht dem monogamischen Ideal, waren aber in seinen Kreisen auch nicht völlig unüblich.

Königin Bertrada, die später in Sagen als „Bertha mit dem großen Fuß“ populär wurde, starb 784 in Chosy-au-Bac (Picardie); ihr Leichnam wurde in die Abteikirche St. Denis gebracht, wo sie an der Seite Pippins bestattet wurde. 1793 öffneten französische Revolutionäre die Königsgräber in St. Denis, plünderten und zerstörten sie. 

Verfasser: Gregor Brand

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