Alexander Ritter von Schoeller

149_schoeller_30_13Großindustrieller und Großkaufmann aus Düren

Mit Feldmarschall Leopold Graf Daun und dem Staatsmann Klemens Fürst von Metternich stammen zwei der bedeutendsten Persönlichkeiten der österreichisch-ungarischen Staats- und Militärgeschichte aus Eifler Familien. Weniger bekannt ist die wichtige Rolle von Eiflern in der Wirtschaftsgeschichte des Habsburgerreiches. Das gilt vor allem für mehrere Mitglieder der Nordeifler Unternehmerfamilie Schoeller – und hier wiederum besonders für den später geadelten Alexander Schoeller: „Alexander Schoeller aus Düren war eine der imponierendsten Unternehmerpersönlichkeiten der Franz-Joseph-Zeit“, stellte der österreichische Wirtschaftshistoriker Herbert Matis fest. Ein sehr hohes Lob, denn gerade in der von 1848 bis 1916 epochal lang dauernden Regierungszeit von Kaiser Franz Joseph mangelte es nicht an brillanten Unternehmern.
Alexander Schoeller war 1805 in Düren als Sohn des Tuchfabrikanten Paul Schoeller und dessen Ehefrau Elisabeth Eickel in eine Fabrikantenfamilie geboren worden, die zunächst in der Schleidener Eisenindustrie tätig gewesen war und sich dann der Tuch- und Papierfabrikation zugewendet hatte.

Im väterlichen Unternehmen sowie bei Verwandten erhielt Alexander seine erste kaufmännische Ausbildung; mehrjährige Reisen weiteten danach sein Weltbild. In der mährischen Metropole Brünn führte sein Vetter Philipp Wilhelm von Schoeller seit 1823 eine Feintuch- und Wollwarenfabrik, in der Alexander ab 1825 im Verkauf arbeitete. Bereits 1831 wurde dem 26-Jährigen die Leitung der Wiener Niederlassung übertragen. Nur zwei Jahre später gründete Schoeller in Wien sein eigenes Großhandelshaus „Alexander Schoeller“ – der eigentliche Beginn seiner höchst erfolgreichen Karriere. Von den ungemein vielfältigen wirtschaftlichen Aktivitäten Schoellers können hier nur einige markante hervorgehoben werden. Dazu zählt etwa die 1843 erfolgte Gründung der Berndorfer Metallwarenfabrik für edles Tafelbesteck, die zu einer der größten in Europa wurde.  Das Unternehmen wurde von ihm zusammen mit Hermann Krupp, dem Bruder des später weltberühmten Alfred Krupp, betrieben. Unter der technischen Leitung Krupps und der unternehmerischen  Führung Schoellers entstand ein riesiger Industriebetrieb, der einige Jahrzehnte später Tausende von Mitarbeitern beschäftigte. Der extrem dynamische Schoeller hatte in den Aufbaujahren des Unternehmens zahlreiche Erwerbungen getätigt, die dessen Energie- und Rohstoffversorgung effektiv sicherten. Kohlenminen in Oberbayern, die Nickelhütte in Losoncz, ein Eisen- und Stahlwerk in Ternitz, das nach Einführung des Bessemer-Verfahrens zu einem der größten der Donaumonarchie wurde, und andere mehr: Zug um Zug entstand ein schoellersches Industrie-Imperium in Österreich-Ungarn.

Mit nicht weniger Energie investierte Schoeller in die expandierende Zuckerindustrie. 1849 erfolgte die Gründung der Czakowitzer Rübenzuckerfabrik mit Raffinerie, bald kamen weitere hinzu, die Schoeller zum Hauptzuckerproduzenten der Monarchie machten. Typisch für Schoeller, der zahlreiche Bauerngüter erwarb und zu Musterbetrieben entwickelte, war überall der Einsatz neuester Technologien. Englische Sämaschinen, Mäh- und Dreschmaschinen oder der erste Dampfpflug in Böhmen – all das ging auf die Initiative dieses Eiflers zurück; die erste österreichische Fabrik mit elektrischer Beleuchtung war 1881 die Schoeller-Fabrik in Berndorf. Eine bei Wien errichtete Mühle mit Rollgerstenfabrik ließ Schoeller zum größten Mühlenbetrieb der Donaumonarchie ausbauen. Pionierarbeit wurde in den Schoeller-Betrieben auch in sozialer Hinsicht geleistet: Arbeiterkrankenkasse (1847), Arbeiterunfallversicherung (1867), Förderung von Arbeitereigenheimen, medizinische Betreuung – Initiativen, die auch vom evangelischen Christentum des Düreners beeinflusst wurden. Stets kooperierte Alexander Schoeller eng mit seinen Schoeller-Verwandten.

Aus dem Bankgeschäft des 1833 gegründeten Großhandelshauses entwickelte sich die bis heute existierende private Schoellerbank, die für die Finanzierung der Schoeller-Unternehmungen im 19. Jahrhundert von grundlegender Bedeutung war.  Schoeller, der über weit gestreuten Aktienbesitz verfügte, war zudem durch „seine vielfache Verwaltungsratstätigkeit im österr. Wirtschaftsleben omnipräsent“ (A. Pühringer). Der Habsburgerstaat erkannte die ökonomischen Großleistungen Schoellers im Stil jener Zeit an. Der herrschaftliche wohnende Eifler wurde als Ritter in den erblichen Adelsstand aufgenommen und erhielt auf Lebenszeit einen Sitz im Herrenhaus des österreichischen Reichsrats. Bereits 1835 hatte Schoeller in Düren seine Kusine Pauline Hoesch (1814–1881) geheiratet, eine Schwester des Industriellen Leopold Hoesch (Hoesch AG, Dortmund). Nach dem Tod seiner Frau heiratete der 77-Jährige die 32 Jahre jüngere Pauline Hendeß; beide Ehen blieben kinderlos. Alexander Ritter von Schoeller starb 1886 in Wien. Auch nach seinem Tod war die Familie Schoeller in Österreich durch namhafte Persönlichkeiten vertreten.
Verfasser: Gregor Brand

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