Keine „Dreier-Fusion“ zwischen den Verbandsgemeinden Gerolstein, Hillesheim und Obere Kyll

Gerolstein. „Der Verbandsgemeinderat Gerolstein beschließt die Gespräche über einer Fusion mit den Nachbarverbandsgemeinden Hillesheim und Obere Kyll zu beenden. Der Hauptgrund für diese Entscheidung ist die strukturell bedingt sehr unterschiedliche Finanzkraft der drei Verbandsgemeinden. Den erheblichen finanziellen Nachteilen, die für die verbandsangehörigen Gemeinden in der VG Gerolstein dauerhaft zu erwarten sind, stehen keine fusionsbedingten Vorteile gegenüber, die für eine Fortsetzung des Fusionsprozesses sprechen würden…“ so lautet der einstimmige Beschluss des Verbandsgemeinderates Gerolstein.

Die Eifel-Zeitung hat den Bürgermeister der Verbandsgemeinde Gerolstein zu diesem Thema befragt.  Matthias Pauly erläuterte uns die Gründe für den „Ausstieg“ der Verbandsgemeinde Gerolstein aus den Fusionsverhandlungen. Lesen Sie unser Interview:

EAZ: Herr Pauly, Sie haben über ein dreiviertel Jahr für die VG Gerolstein die Fusionsverhandlungen geleitet und dann dem Verbandsgemeinderat empfohlen, die Gespräche zu beenden. Warum?

Pauly:  „Wir haben die Verhandlungen geführt mit dem Ziel, in eine Dreierfusion einzusteigen. Dabei hatten wir die langfristige Erwartung, dass wir für unsere Gemeinden eine Entlastung bei künftigen Umlagen erreichen können; zumindest sollte durch die Neustrukturierung  keine dauerhafte finanzielle Mehrbelastung entstehen. Diese Erwartungen haben sich nicht erfüllt. Die Finanzausstattung der drei Verbandsgemeinden ist leider zu unterschiedlich. Ich sehe keine realistische Chance, die Situation in einer neuen Verbandsgemeinde nachhaltig so zu verbessern, dass auch für unsere Gemeinden und für die Stadt Gerolstein finanzielle Vorteile entstehen könnten. Und diese Erkenntnis hat mich nach eingehender Beratung mit unserer Verhandlungsgruppe dazu bewogen, dem Rat eine Beendigung der Fusionsgespräche zu empfehlen.“

EAZ: Wo sehen Sie die Unterschiede in den Finanzdaten?

Pauly: Die Unterschiede drücken sich z.B. aus in der Höhe der Umlagensätze, die von den Gemeinden zur „Finanzierung“ der Verbandsgemeindehaushalte erhoben werden müssen. Die VG Obere Kyll muss seit Jahren 47,5  % an Umlagen erheben und Hillesheim 42,5 %. Die VG Gerolstein hatte im letzten Jahr ebenfalls einen Umlagesatz von 42,5 %, den wir für 2012 aber auf 39 % senken konnten. Man muss dabei aber sehen, dass die Haushalte der beiden Nachbarverbandsgemeinde – trotz höhe-rer Umlagensätze – nicht ausgeglichen waren bzw. sind, während die VG Gerolstein ihre Haushalte ausgleichen oder sogar mit einem Überschuss abschließen kann.

Besonders deutlich werden die Unterschiede bei den sog. „Liquiditätskrediten“, also den Krediten, die notwendig sind, um die Fehlbeträge zu finanzieren. Die  VG Hillesheim benötigt aktuell knapp 2 Mio. € und die VG Obere Kyll sogar rd. 11 Mio. Euro an Liquiditätskrediten. Die VG Gerolstein hingegen ist in diesem Bereich schuldenfrei. Die Schulden aus Investitionskrediten wurden in den Verhandlungen als „unproblematisch“ gesehen, weil diesen Schulden notwendige Investitionen in die kommunale Infrastruktur gegenüberstehen.

Die unterschiedliche Finanzausstattung ist überwiegend in der Finanzkraft, also der Steuereinnahmen der verbandsangehörigen Gemeinden begründet. Die Gemeinden der Verbandsgemeinden Hillesheim und Obere Kyll haben in den beiden letzten Jahren eine annähernd gleiche und gleichbleibende Finanzkraft zwischen 5,3 und 6,2 Mio. €. Die Finanzkraft der Gemeinden im „Gerolsteiner Land“ ist im gleichen Zeitraum mit 11,6 Mio. bzw. 15,0 Mio. € deutlich höher, aber stark schwankend. Diese Unter-schiede sind nach meiner Ansicht strukturell bedingt. Die Einflussmöglichkeiten der verantwortlichen Personen und Gremien darauf sind leider sehr gering.

EAZ: Sie gehen also davon aus, dass wegen der unterschiedlichen Finanzkraft der bisherigen Verbandsgemeinden, ihre Ortsgemeinden und die Stadt Gerolstein schlechter dastehen würden als derzeit? 

Pauly:  Wir haben dies anhand verschiedener Berechnungen für die aktuellen Jahre, aber auch für zurückliegende Jahre dargestellt. Dabei war es uns wichtig, den Haushalt einer fusionierten Verbandsgemeinde so zu berechnen, dass er ausgeglichen ist. Es macht nach meiner Meinung wenig Sinn, in Modellrechnungen weiterhin Fehlbeträge einzurechnen, die dazu führen würden, die bereits sehr hohen Liquiditätskredite weiter zu erhöhen.   

Deutlich wird das Problem an den Haushaltsdaten für das Jahr 2011:
Unter gleichbleibenden Bedingungen müsste die fusionierte Verbandsgemeinde zum Ausgleich ihres Haushaltes von ihren Ortsgemeinden eine Umlage von insgesamt 12,2 Mio. erheben. Die Gemeinden der VG Gerolstein müssten dabei in Summe 1,38 Mio. € mehr erbringen, während die Mehrbeträge in der VG Hillesheim „nur“ 636.000 € bzw. in der VG Obere Kyll 373.000 € betragen würden.

Bei den Planzahlen für 2012 wird das Missverhältnis noch deutlicher:
In 2012 wäre – nach den in den letzten Tagen bekannt gewordenen Haushaltsdaten der VG Obere Kyll – eine Umlage von insgesamt rd. 13.025.000 € notwendig, um den Haushalt der „Fusions-Verbandsgemeinde“ auszugleichen. Die Gemeinden der VG Gerolstein müssten dazu 1,49 Mio. € mehr an die „neue“ Verbandsgemeinde zahlen, während der Mehrbetrag für die Gemeinden im Bereich Hillesheim bei 316.000 € liegen würde und die Gemeinden an der Oberen Kyll rd. 15.000 €  weniger zu zahlen hätten.

Berechnungsbeispiele für zurückliegende Jahre zeigen die gleiche Tendenz: die Gemeinden der VG Gerolstein würden in allen Modell mehr an die „große“ Verbandsgemeinden zahlen, als derzeit und in der Vergangenheit.

EAZ:  … aber das Gutachten der Uni Trier geht doch von Kosteneinsparungen in Höhe von 1,1 Mio. € / jährlich aus. Das sollte sich doch auch für die Gemeinden im „Gerolsteiner Land“ positiv auswirken oder?

Pauly:  In unseren Berechnungen haben wir sogar Einsparungen von 1,5 Mio. / Jahr unterstellt. Aber: diese Einsparungen sind nicht sofort zu erzielen, sondern langfristig zu erwarten. Und auch bei diesen auf den ersten Blick deutlichen Einsparungen würden unsere Gemeinden mehr an Umlagen zahlen müssen, weil die angenommene Kostensenkung alleine möglicherweise nicht ausreichen würde, den Haushalt der Fusions-VG auszugleichen. Selbst bei Kostensenkung und Haushaltsausgleich wäre davon auszugehen, dass die Gemeinden im Gerolsteiner Land wegen ihrer stärkeren Finanzkraft mehr zahlen müssen als heute. Die Kostensenkung würde in der Regel ausschließlich die Ortsgemeinden der VG Hillesheim und Obere Kyll  entlasten

EAZ: Ist die Aussage im Uni-Gutachten, wonach die Fusion der Verbandsgemeinden Hillesheim / Obere Kyll mit Gerolstein das „TOP-Modell“ darstellt denn falsch?

Pauly:  Nein – mit „Blick von oben“ auf die neue und große Verbandsgemeinde sicherlich nicht. Ich glaube schon, dass insgesamt betrachtet ein deutliches Kosteneinsparpotential vorhanden wäre. Daneben hätte diese Verbandsgemeinde mit 38 Ortsgemeinden und rd. 31.000 Einwohner ein starkes Gewicht im Landkreis Vulkaneifel und in der Region.

Dennoch müssen wir die angestrebte Fusion aus unserer Sicht – aus Sicht der Gemeinden und der Bürgerinnen und Bürger im Gerolsteiner Land – betrachten. Und dabei kommt eben zu Tage, dass wir Mehrbelastungen zu tragen hätten und Kostensenkungen sich ganz überwiegend bei den Ortsgemeinden in der Nachbarschaft auswirken. Ich würde es diesen Gemeinden sehr gönnen, wenn sie finanzielle entlastet würden, aber in erster Linie sehe ich eine Verpflichtung gegenüber unseren 12 Ortsgemeinden und der Stadt Gerolstein. Schließlich sind die Mitglieder des VG-Rates und ich gewählt worden, um die Interessen des „Gerolsteiner Landes“ zu vertreten.

EAZ: Aus dem Raum Hillesheim / Obere Kyll hört man Stimmen, das „Gerolstein nicht ernsthaft an einer Dreier-Fusion“ interessiert war. Was sagen Sie dazu?

Pauly:  Wir haben zu Beginn unserer Gespräche vereinbart, dass wir als „gleichberechtigte Partner“ ergebnisoffen über eine Fusion der drei Verbandsgemeinden verhandeln wollen. Daran haben wir uns bis zur Vorstellung des Verhandlungsergebnisses und der Entscheidung des Verbandsgemeinderates Gerolstein am 02.02. gehalten. Der Verbandsgemeinderat Gerolstein und ich selbst haben die Verhandlungen geführt mit dem festen Ziel, die Fusion zu ermöglichen, wenn sie auch für die Gemeinden im „Gerolsteiner Land“ – insbesondere in finanzieller Hinsicht – vorteilhaft ist. Leider ist dieses Ziel nicht erreichbar; es kann auch durch weitere Verhandlungen nicht erreicht werden.

Ich kann eine gewisse Enttäuschung bei unseren Verhandlungspartner über unseren „Rückzug“ nachvollziehen; ich denke aber, dass es nicht gerechtfertigt ist, uns die Ernsthaftigkeit unserer Bemühungen abzusprechen.

EAZ: Der Verbandsgemeinderat Gerolstein hat seine Entscheidung ohne Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger getroffen. Halten Sie dies bei einem so wichtigen Thema für richtig?

Pauly:  In den Verhandlungsgremien wurde bereits sehr früh über die richtige Form der Bürgerbeteiligung gesprochen. Wir waren uns einig, dass am Ende der Verhandlungen und nach einem positiven Votum der drei Verbandsgemeinderäte in mehreren Bürgerversammlungen eine umfassende Bürgerinformation erfolgen muss, bevor alle betroffenen Ortsgemeinden um Zustimmung zu der Fusion gebeten werden. Nach dem Beschluss unseres Verbandsgemeinderates bleibt – zumindest im Gerolsteiner Land – „alles beim Alten“, so dass formal keine Beteiligung der Bürger/Innen und der Ortsgemeinderäte erforderlich ist. Ich halte auch inhaltlich solche Beteiligungen für entbehrlich, weil die Situation aus Gerolsteiner Sicht so eindeutig gegen eine Fusion spricht. Den höheren Umlagen für die Gemeinden, verbunden mit einer höheren Pro-Kopf-Verschuldung, stehen keine positiven Effekte gegenüber, die einer Bewertung oder Abwägung durch die Bürgerinnen und Bürger bedürfen. Ich hoffe, dass wir durch die Berichterstattung in unseren eigenen Medien (Mitteilungsblatt, Internet) und auch durch dieses Interview eine weitgehende Bürgerinformation erreichen und die Entscheidung nachvollziehbar ist.

EAZ: Eine abschließende Frage an den Bürgermeister der Verbandsgemeinde Gerolstein: Wie geht es weiter mit dem „Gerolsteiner Land“?

Pauly: Wir haben in den letzten Monaten viel gelernt und ich glaube wir können unsere Situation im Vergleich zu unseren direkten und entfernteren Nachbarn besser einschätzen als ohne Uni-Gutachten und Fusionsprozess. Alle Verantwortlichen in Rat und Verwaltung sind sich einig, dass der „Verwaltungs- und Schulstandort Verbandsgemeinde Gerolstein“ weiter gestärkt werden muss. Ich werde den Gremien des Verbandsgemeinderates dazu in Kürze einen Maßnahmenkatalog vorschlagen und darf nach den bisherigen Beratungen davon ausgehen, dass meine Vorschläge Zustimmung finden und wir erste konkrete Projekte in diesem Jahr angehen können.
  
Ich sehe die Verbandsgemeinde Gerolstein in ihrer bisherigen Größe und Zusammensetzung  auf einem guten Weg. Wir sind mit rd. 14.000 Einwohnern zukünftig vielleicht eine „kleine Verbandsgemeinde“, ich glaube aber fest, dass wir dennoch im Konzert mit „größeren Nachbarn“ unsere Rolle spielen und dabei eine gute Figur machen werden.
 

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