„Die Welt ist rund“ – Kästner-Abend in der Stadtbücherei Wittlich

Wittlich. Offensichtlich ist der große deutsche Schriftsteller Erich Kästner doch noch nicht vergessen. Denn der Veranstaltungsraum der Stadtbücherei Wittlich war quasi „ausverkauft“, als der Künstler Hans Georgi am 20. September in einem vielschichtigen Bühnenprogramm die politische und gesellschaftliche Aktualität der Gedankenwelt und Dichtung Erich Kästners darstellte. Bekannt ist Kästner (1899-1974) den meisten Menschen über seine Kinderbücher. „Das doppelte Lottchen“, „Emil und die Detektive“ und „Pünktchen und Anton“ wurden und werden in hohen Auflagen gedruckt und erfolgreich verfilmt. Aber Kästner war eigentlich der Autor für Erwachsene, der die wirtschaftliche Situation in der Weimarer Republik und den politischen Größenwahnsinn des Nationalsozialismus anprangerte.

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Kurze Sequenzen aus der Biographie des heimatverbundenen Sachsen, der am 10. Mai 1933 auf dem Berliner Opernplatz zusah, wie fanatische Nazi-Verbrecher seine Bücher dem Feuer übergaben, wechselte Hans Georgi mit dem Vortrag von Gedichten und Prosastücken sowie Vertonungen einzelner Gedichte, die er zur von ihm komponierten Musik sang. Mit den Frauen, so zeigte der Künstler auf, hatte der seine Mutter verehrende Schriftsteller seine Probleme, protzenden Kapitalismus verachtete er ebenso wie die Dummheit aller Mitläufer, die ihn immer wieder fassungslos machte. Ihn, der das Vorwort zu seinem Roman „Kleiner Grenzverkehr“ wie folgt formulierte: „Das Buch entstand 1937 und sollte, zu Beginn der Salzburger Festspiele, in Österreich erscheinen. Doch es erschien in der Schweiz, weil in Österreich Hitler erschien“. Und mit so wenigen Worten die Transformation der freien Welt in eine faschistische Diktatur ebenso beschreibt wie die erlogene „Zufälligkeit“ der Machtergreifung Hitlers.

Georgi unterhielt mit eher leisen Tönen, doch diese waren eindringlich, gerade, wenn er Parallelen zur heutigen politischen und wirtschaftlichen Situation aufzeigte. So mancher Witz, der Lacher hervorrief, wandelte diese kurzen Momente später in bittere Sequenzen. Ein Abend in der Stadtbücherei Wittlich, der viel Begeisterung und Zuspruch auslöste und hervorrief, ein Abend, der politisch-literarische Kleinkunst in hoher Perfektion bieten konnte und nach weiteren derartigen Veranstaltungen ruft.

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