Verbot dokumentiert Wehrhaftigkeit des Rechtsstaats

Mainz. Auch in Rheinland-Pfalz wird das Verbot der rechtsextremistischen Vereinigung „Die Artgemeinschaft-Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V.“ (kurz: „Artgemeinschaft“) und ihrer Teilorganisationen seit den frühen Morgenstunden vollzogen.

Foto: Andreas Arnold/dpa

Rund zehn Beamtinnen und Beamte des Landeskriminalamtes und des Polizeipräsidiums Mainz haben das Wohnanwesen eines Ehepaares im Landkreis Alzey-Worms durchsucht. Bei den Personen handelt es sich um langjährige Mitglieder der 1951 gegründeten Organisation. Das Ehepaar beteiligte sich in den vergangenen Jahren aktiv an Veranstaltungen der „Artgemeinschaft“. Die Kreisverwaltung Alzey-Worms hat als zuständige Vollzugsbehörde den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss beim Verwaltungsgericht Mainz erwirkt. Die Polizei stellte unter anderem Kommunikations- und IT-Geräte sowie schriftliche Unterlagen als Beweismittel sicher.

„Nach dem Verbot der ‚Hammerskins Deutschland‘ in der vergangenen Woche zeigt unser Rechtsstaat mit den Maßnahmen einmal mehr, dass er wehrhaft ist und rechtsextremistischer Gesinnung entschieden begegnet“, sagte Innenminister Michael Ebling. Der Rechtsextremismus stelle nach wie vor die größte Bedrohung für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung dar. Wie ernst der Staat diese Bedrohung nehme, dokumentiere das entschlossene Vorgehen der Sicherheitsbehörden.

Insgesamt wird der „Artgemeinschaft“ in Rheinland-Pfalz eine Personenzahl im mittleren einstelligen Bereich zugerechnet. Gefestigte Strukturen und Trefförtlichkeiten im Land gibt es nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden nicht.

Die neoheidnische „Artgemeinschaft“, deren Vereinssitz sich in Berlin befindet, ist eine große deutsche neonazistische Vereinigung mit völkischer, rassistischer, antisemitischer sowie antichristlicher Ausprägung. Sie verbreitete unter dem Deckmantel eines pseudoreligiösen germanischen Götterglaubens ein rassistisches Weltbild. Ihr zentrales Ziel war die Erhaltung und Förderung der eigenen „Art“, welche mit dem nationalsozialistischen Begriff der „Rasse“ gleichzusetzen ist. Neben der Ideologie der Rassenlehre weisen Symbolik, Narrative und Aktivitäten des Vereins weitere Parallelen zum Nationalsozialismus auf. So gab der Verein seinen Mitgliedern Anweisungen zu einer richtigen „Gattenwahl“ innerhalb der nord- und mitteleuropäischen „Menschenart“, um das nach ihrer Lesart „richtige“ Erbgut weiterzugeben. Menschen anderer Herkunft wurden herabgewürdigt.

Zweck der nun verbotenen Vereinigung war es, ihre rechtsextremistische Weltanschauung auszuleben und zu verfestigen. Dies erfolgte insbesondere durch die Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen mittels einschlägiger, zum Teil aus der NS-Zeit stammender und nur minimal abgewandelter Literatur. Hinzu kam eine umfängliche Gemeinschaftspflege, zum Beispiel bei in der rechtsextremistischen Szene beliebten Sonnenwendfeiern.

Der „Artgemeinschaft“ werden bundesweit rund 150 Mitglieder und eine Vernetzung mit vielen rechtsextremen und neurechten Gruppierungen zugerechnet. Der Verein erfüllte eine Scharnierfunktion zwischen den verschiedenen Strömungen der extremen Rechten. Von 1989 bis zu seinem Tod 2009 wurde die Gruppe von dem bekannten Neonazi und Rechtsanwalt Jürgen Rieger geleitet.

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen