Der Mangel an Kommunalpolitikern in Rheinland-Pfalz liegt nicht an Finanzausgleich

Mainz (dpa/lrs) – Ministerpräsidentin Malu Dreyer tritt Aussagen der Opposition entgegen, die Finanzpolitik der Landesregierung sei die Ursache für den Mangel an Kommunalpolitikern in Rheinland-Pfalz. Bei dieser Behauptung würden unterschiedliche Themen vermischt, sagte die SPD-Politikerin in einem Redaktionsgespräch der Deutschen Presse-Agentur in Mainz.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer, SPD, (Foto: Jörg Halisch/dpa)

«Ganz im Gegenteil stärken der neue kommunale Finanzausgleich (KFA), die Übernahme eines großen Teils der Liquiditätskredite und weitere Programme wie etwa KIPKI die finanzielle Situation der Kommunen und eröffnen Handlungsspielräume, die vorher nicht vorhanden waren.» KIPKI ist die Abkürzung für das mit 250 Millionen Euro ausgestattete Kommunale Investitionsprogramm Klimaschutz und Innovation.

Der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion Gordon Schnieder warf Dreyer «einen offenbaren Realitätsverlust» vor und verwies unter anderem auf den Rücktritt von Ortsbürgermeister und Ortsgemeinderat im pfälzischen Freisbach sowie auf den Austritt der Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck aus der SPD. «Freisbach ist vielerorts im Land – immer mehr kommunale Funktions- und Mandatsträger verzweifeln.» Die kommunale Finanzpolitik der Landesregierung nehme den Dörfern, Städten und Gemeinden im Land die Luft zum Atmen. «Auch der neue Kommunale Finanzausgleich stellt eben nicht die zwingend notwendige Verbesserung bei der Finanzausstattung dar», betonte Schnieder. «Diesen Zahn werden auch andere Kommunen im Land der Ministerpräsidentin in nächster Zeit noch ziehen.»

Seit vielen Jahren könnten manche Listen für Kommunalwahlen kaum noch gefüllt werden, stellte Dreyer fest. Schon lange sei es Standard, dass Menschen, die sich für eine Kandidatur bereit erklärten, mehrfach auf Listen erschienen, weil nicht genügend Leute gefunden würden. «Wir haben 2260 Gemeinden, darunter auch viele kleine und sehr kleine Kommunen, die alle einen Gemeinderat haben», sagte Dreyer. «Seit Jahren gibt es die Debatte, und nicht nur in Rheinland-Pfalz, wie man ausreichend Kandidatinnen und Kandidaten findet», betonte die Sozialdemokratin. Es müssten mehr Frauen und junge Leute für die Kommunalpolitik gewonnen werden. «Andere Sitzungszeiten und auch mehr digitale Beteiligung sind ebenfalls wichtige Themen.»

«Ich kenne sehr viele Kommunalpolitiker, die machen ihr Amt mit großer Freude», sagte Dreyer. «Sie haben den Anspruch zu gestalten, und sie wollen auch, dass ihre Kommune finanziell gut dasteht.» Die Landesregierung unterstütze dies und der KFA habe auch positive Wirkungen. «Alle kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte sowie bislang 23 von 24 Landkreisen haben einen genehmigten Haushalt für das laufende Jahr.» Viele Kommunen seien zudem auf einem guten Weg aus der Schuldenfalle. Darüber hinaus führe Innenminister Michael Ebling (SPD) viele Gespräche, wie dieses Ziel erreicht werden könne. «Wir wollen niemanden überfordern, es geht um einen Pfad hin zu einem ausgeglichenen Haushalt», sagte die Regierungschefin.

«Wir geben den Kommunen mehr Geld, wir übernehmen die Hälfte der Altschulden, geben 250 Millionen zusätzlich für Klimaschutzprogramme», betonte Dreyer. «Es braucht aber auch weiter Anstrengungen in den Kommunen, um nicht direkt wieder neue Schulden aufzunehmen.» Das Volumen des kommunalen Finanzausgleichs sei in ihrer Regierungszeit seit 2013 nahezu verdoppelt worden. Und die Übernahme kommunaler Liquiditätskredite in Höhe von insgesamt rund drei Milliarden Euro sei ein «historischer Schuldenschnitt». Bei KIPKI könnten die Kommunen ohne einen einzigen Euro Eigenbeteiligung gestalten.

Die Stadt Pirmasens beispielsweise bekomme in diesem Jahr rund 18 Millionen Euro mehr Finanzausgleichsleistungen als im vergangenen Jahr. Der Haushaltsplan 2023 der Stadt, die als eine der ärmsten in Deutschland galt, weise einen Überschuss in Höhe von rund 6,3 Millionen Euro aus. Der Landkreis Germersheim bekomme rund 20 Millionen Euro mehr. «Er weist für das laufende Jahr einen Jahresüberschuss in Höhe von knapp 700.000 Euro aus.»

«Wir sehen aber auch, dass es einige Gemeinden sehr schwer haben, die es vielleicht nicht schaffen, von heute auf morgen einen ausgeglichenen Haushalt hinzubekommen.» Hier müsse geschaut werden, wie sich die kommunalen Einnahmen verbessern ließen. «Das geht nicht nur über Hebesätze», sagte Dreyer. «Es kann auch über den Bau eines Windrades, einen Solarpark und solidarisches Handeln über Gemeindegrenzen hinaus gelingen.» Wenn eine Gemeinde beispielsweise keine Flächen für Windräder oder ein Gewerbegebiet habe, könnten solche Projekte auch gemeinsam mit anderen Gemeinden im Umkreis gestemmt werden, um Einnahmen zu generieren, wie es mancherorts auch bereits geschehe.

Potenzial für Einsparungen sieht die Ministerpräsidentin beim Thema interkommunale Zusammenarbeit. «Nicht jeder muss alles selbst machen», sagte sie. «Und die Digitalisierung lässt das ja auch zu.»

Schnieder kündigte einen Kommunalgipfel seiner Fraktion unter dem Motto «Jetzt redet ihr!» am 29. September in Mainz an. Dazu seien alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie Ortsvorsteherinnen und Ortsvorsteher der rund 2260 Gemeinden eingeladen. «Die aktuellen Rahmenbedingungen stellen unsere Kommunen mehr und mehr vor Herausforderungen, die kaum noch zu bewältigen sind», sagte Schnieder. «Wöchentlich werden daher die Hilferufe aus den Gemeinden lauter. Wir nehmen diese Rufe ernst und wir wollen den kommunalen Funktions- und Mandatsträgern Gehör verschaffen.»

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