Bischof Ackermann predigt zu Silvester über Gestaltwandel der Kirche

Trier – Die Kirche als eine einladende Gemeinschaft, zu der eine durchaus gestufte Bindung denkbar ist: Dieses Bild hat Bischof Dr. Stephan Ackermann an Silvester 2019 im Trierer Dom gezeichnet. Denn Jesus sei es vor aller persönlicher Unterstützung und Anhängerschaft darum gegangen, dass möglichst viele Menschen für ihr Leben Hilfe erfahren und dass Gottes Heil – auf welchen Wegen auch immer – in dieser Welt Raum gewinnt. „Auch in diesem Sinn wollen die Orte von Kirche in den Pfarreien der Zukunft Bewährtes erhalten und zugleich Neues möglich machen durch offenere Formen, die dazu einladen, mit Gott, der Botschaft Jesu und der Kirche in Berührung zu kommen“, erklärte Ackermann und hob damit ein wesentliches Element der geplanten Umsetzung der Diözesansynode hervor.

Ackermann hatte aus der Weihnachtsansprache 1969 des damaligen Regensburger Theologieprofessors Joseph Ratzinger unter dem Titel „Wie wird die Kirche im Jahr 2000 aussehen?“ zitiert und resümiert, in mancher Hinsicht hätten sich die Prognosen des späteren Papstes Benedikt XVI nicht erfüllt: etwa dass die Kirche nur noch eine kleine, in der politisch-gesellschaftlichen Diskussion irrelevante und verinnerlichte Kirche sei. Andererseits seien manche Vorhersagen eingetroffen: Kirchenbauten blieben leer; die Kirche sei stärker zu einer „Freiwilligkeitsgemeinschaft“ geworden, die auf „die Initiative ihrer einzelnen Glieder angewiesen ist“; und der Vorgang einer „Kristallisierung und Klärung“ koste viel Kraft und sei lang und mühsam. „Wir haben den Eindruck, dass sich der Prozess des Gestaltwandels der Kirche in den letzten Jahren beschleunigt hat. Heute wissen wir besser, was der Konzilstheologe Ratzinger damals geahnt hat“, sagte Ackermann.

Umbruchsituation trifft alle engagierten Katholiken

Der Bischof konkretisierte diesen „Blick zurück und nach vorne“ auf die Situation des Bistums und wandte sich gegen den Vorwurf, die Bistumsleitung würde mit der durch die Diözesansynode angestoßene Reform etwas ins Werk setzen, was ohne wirkliche Not bestehende und funktionierende Strukturen zerschlage. Er beleuchtete unter anderem die zurückgehende Zahl an Gläubigen, pfarrlich Engagierten sowie Priestern, Diakonen, Seelsorgerinnen und Seelsorger, Ordensleute. Dabei, so betonte Ackermann, gehe es ihm nicht darum, „in den letzten Stunden des alten Jahres ein Untergangsszenario zu malen: Es geht um einen nüchternen Blick auf die Wirklichkeit und die Erkenntnis, dass die Umbruchssituation, die für wache Geister wie Joseph Ratzinger schon vor 50 Jahren erahnbar war, nun mit spürbarer Wucht jeden engagierten Katholiken in seinem alltäglichen Kirchenerleben trifft“.

Die weitreichenden Änderungen der Strukturen im Bistum in Folge der synodalen Beratungen seien „gerade nicht bloß eine defensive Strukturanpassung und Mangelverwaltung“, sondern favorisierten „eine Struktur, die einer neuen Qualität des kirchlichen Lebens dienen und für einen längeren Zeitraum funktionstüchtig sein soll“.

 

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Schlüsselelement „Orte von Kirche“

 

Als Schlüsselelement für das künftige Leben in der Pfarrei nannte der Bischof das Konzept der sogenannten Orte von Kirche. Sie seien als Signal zu verstehen, dass die Kirche an konkreten Orten, in bestimmten Gruppen und Gemeinschaften lebt. „Die Idee der Orte von Kirche ist damit das genaue Gegenteil der Vorstellung von großen, anonymen XXL-Pfarreien, in denen alles zentralisiert wird. Die Orte von Kirche stehen für die Überzeugung, dass das konkrete kirchliche Leben vor Ort geschieht.“

 

Damit sei die Möglichkeit gegeben, bisherige wie auch neue oder außerpfarrliche Aktivitäten, Engagements und Initiativen zu integrieren. „So bieten die Orte von Kirche die Chance, dass Bewährtes weiterhin Platz haben soll und andererseits neue, niederschwelligere Formen entstehen.“ Für Ackermann hilft der Blick auf vielfältige Orte von Kirche zudem, der „Gefahr einer zu starken Binnenorientierung unserer Gemeinden zu wehren: Wir müssen doch ehrlicherweise bekennen, dass nicht wenige kirchliche Gruppen für diejenigen, die nicht dazu gehören, wie geschlossene Clubs wirken. Wo das so ist, müssen Gruppen jetzt schon die Erfahrung machen, dass sie über kurz oder lang aussterben“.

 

Diakonische und missionarische Kirche sein

 

Der Bischof erinnerte daran, dass im Lesungstext des 1. Johannesbriefs das Staunen darüber zum Ausdruck komme, dass Gott, der das Licht und das Leben der Menschen ist, auf dieser Erde erschienen ist. „Das Leben und die Botschaft vom Leben, das ‚Wort des Lebens‘, hat gesiegt, ohne Gewalt einzusetzen.“ Für den Briefschreiber und die Christen, die hinter ihm stehen, sei dies das kostbarste Geschenk, was sie sich vorstellen können. „Sie haben Jesus in einer Nähe und Greifbarkeit erfahren, die sie bis ins Innerste erfüllt“, und wollten diese Erfahrung nicht nur weitergeben, sondern „mithilfe dieser Botschaft Gemeinschaft knüpfen“. Denn diese Botschaft stifte Gemeinschaft, dränge danach, mit anderen geteilt zu werden, um Kreise zu ziehen und immer mehr Menschen an der Freude teilnehmen zu lassen, die sie schenkt. „Ohne die anderen bleibt die Freude des Glaubens unvollkommen.“ In dieser Haltung sei Kirche diakonisch und missionarisch zugleich.“

 

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