Marlis Allendorf

– Sozialistische Journalistin aus Dudeldorf

290_allendorf_22_16Marlis (auch: Marlies, eigentlich Marie-Luise) Allendorf zählte im letzten Jahrzehnt der DDR zu den bekanntesten Journalistinnen des sich selbst so verstehenden „Arbeiter- und Bauernstaates“. Als Chefredakteurin der wichtigsten DDR-Frauenzeitschrift „Für dich“, aber auch durch Rundfunkbeiträge und als Autorin gestaltete sie nicht unerheblich das Frauenbild dieses Staates mit, auch wenn insbesondere dessen Sportlerinnen – wie etwa Katharina Witt – wesentlich stärker im Rampenlicht standen.

Die Angabe, dass Marlis Allendorf 1927 in Dudeldorf geboren wurde, findet sich in lexikalischen Einträgen, aber ihren Geburtsnamen sucht man dort vergeblich. Erst eine Nachfrage bei dem Dudeldorfer Historiker Dr. Ernst Lutsch, dem besten Kenner der Geschichte seines Heimatortes, ergab, dass der Geburtsname der späteren Journalistin „Rösch“ lautete. Obwohl auch noch zwei jüngere Geschwister in Dudeldorf geboren wurden, zählte die Familie Rösch nicht zu den Einheimischen. Vater Wilhelm Rösch, ein Bäcker, stammte aus der sachsen-anhaltinischen Bergbaustadt Harzgerode, Mutter Meta Henriette (geb. Ludwig) erblickte im Oberelsass das Licht der Welt. Aus beruflichen Gründen hatte sich das junge Ehepaar in der Südeifel niedergelassen, aber die starken Verbindungen zum Heimatort des Vaters blieben bestehen. Nach einigen Jahren zog die Familie wieder nach Harzgerode, wo Marlis Rösch die Schule besuchte und in den ersten Nachkriegsjahren als Näherin arbeitete. Der weitere Werdegang der intelligenten und von sozialistischen Idealen erfüllten Handwerkertochter wurde maßgeblich von ihrem politischen Engagement geprägt. Als Zwanzigjährige war sie der FDJ beigetreten, 1949 wurde sie Mitglied der SED. In den fünfziger Jahren arbeitete sie als Lehrerin und nutzte erfolgreich Gelegenheiten zur beruflichen und politischen Weiterqualifizierung.
1959 wurde Marlis Rösch wissenschaftliche Mitarbeiterin im Sekretariat des Zentralen Ausschusses für Jugendweihe. In die folgenden Jahre fielen in persönlicher Hinsicht zwei besondere Ereignisse: Einerseits die Heirat mit dem Pädagogen und Autor Gerhard Allendorf, dem Sekretär des Zentralen Ausschusses für Jugendweihe in der DDR, andererseits eine schwere Tuberkuloseerkrankung. Trotz der mit dieser Krankheit verbundenen Einschränkungen schaffte es die ehrgeizige Kommunistin, ihre Dissertation zum Thema „Zur Geschichte der Sozialenzykliken des Vatikans“ fertigzustellen; die Arbeit wurde 1963 am Institut für Gesellschaftswissenschaft beim ZK der SED in Berlin (Ost) veröffentlicht. Dr. Allendorf untersuchte darin, wie die Sozialtheorien der deutschen katholischen Sozialreformer des 19. Jahrhunderts „im Kampf gegen den wissenschaftlichen Sozialismus und die sozialistische Arbeiterbewegung“ ausgearbeitet wurden.

Nach der Promotion wurde die Zeitschrift „Für Dich“ zum Hauptarbeitsgebiet der publizistisch sehr produktiven Journalistin, die teils als angestellte Redakteurin, teils als freiberufliche Journalistin arbeitete. Die Zeitschrift war Ende 1962 mit einer Pilotausgabe, dann ab Februar 1963 regelmäßig erschienen und hatte schließlich konstant die enorme Auflage von knapp einer Million. In der Redaktion arbeiteten neben wenigen Männern über 60 Redakteurinnen.  Hauptzielgruppe der Zeitschrift war die berufstätige Frau; die Beiträge auch von Marlis Allendorf beschäftigten sich mit allen Fragen, die in diesem Zusammenhang interessant waren. Dazu gehörten nicht zuletzt auch Familie und Kinderziehung, da die Kombination von Berufstätigkeit und Mutterschaft als gesellschaftlicher Normalfall galt. In stärker wissenschaftlich orientiertem Zusammenhang wurde der Themenkomplex „Die Frau im Sozialismus“ von Marlis Allendorf in einem 1975 unter diesem Titel veröffentlichten und in mehrere Sprachen übersetzten Buch dargestellt.

Der Aufstieg der engagierten Publizistin erreichte 1982 einen Höhepunkt mit der Ernennung zur Chefredakteurin der „Für Dich“. In dieser Funktion war Allendorf ebenso für die Jubiläumsausgabe 1982 anlässlich des 1000. Heftes der „ambitioniertesten Frauenzeitschrift der DDR“ (Sabine Schmidt, 1999) verantwortlich wie für die Jubiläumsnummer 1988 zum 25-jährigen Bestehen. Außer durch ihre zahlreichen Artikel war sie den Bürgern der DDR auch durch regelmäßige Rundfunkbeiträge eine vertraute Stimme.

Die Publizistin Allendorf wurde in der DDR hoch anerkannt. Die gebürtige Dudeldorferin erhielt u. a. 1976 den Literaturpreis des Demokratischen Frauenbunds Deutschland (DFD), 1979 die Clara-Zetkin-Medaille. Von 1982 bis 1990 war sie Mitglied im Präsidium des DFD, zudem gehörte sie jahrelang zum Zentralvorstand des DDR-Journalistenverbandes und zur Frauenkommission beim SED-Politbüro. Nach der Wiedervereinigung verbrachte Dr. Allendorf ihre beiden letzten Lebensjahrzehnte im Ruhestand. Dass die überzeugte Marxistin von der politischen Entwicklung nicht begeistert war, kann man sich denken. Trotz mancher Hinweise in der wissenschaftlichen Literatur auf ihre Tätigkeit fehlt bis jetzt eine wünschenswerte umfassende Darstellung ihrer Biographie. Dr. Marlis Allendorf starb 2010 in Berlin.

Verfasser: Gregor Brand

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen