Formel-1 Rennveranstaltungen müssen auf den Prüfstand

Die im Landeshaushalt zur Deckung der Verluste aus der Formel-1-Veranstaltung für das Jahr 2011 eingestellten Mittel von 13,5 Mio. € werden voraussichtlich nicht ausreichen. Die der Nürburgring GmbH bisher bewilligte Tourismusabgabe darf nach ihrer Zweckbestimmung nicht zum Ausgleich oder zur Verringerung dieser Verluste verwendet werden. Die gebotene Dokumentation der Verhandlungen über einen Konzessionsvertrag zwischen der Nürburgring GmbH und einer privaten Betreibergesellschaft unterblieb.

Der mit der Organisation des Formel-1-Rennens beauftragte Vertragspartner erhielt einen pauschalen Aufwendungsersatz und einen Nachteilsausgleich. Der Aufwendungsersatz lag um 27 % über den direkten Kosten, die der Nürburgring GmbH für die Formel-1-Veranstaltung im Jahr 2009 entstanden waren. Der Nachteilsausgleich war weder zutreffend berechnet noch sachlich gerechtfertigt. Der Vertragspartner durfte 9.000 Eintrittskarten auf eigene Rechnung verkaufen, ohne dass eindeutig geregelt war, wie sich das Kontingent zusammensetzt. Er beansprucht aus den Erlösen des Kartenverkaufs einen deutlich höheren Betrag als ihm nach der Vertragsauslegung durch die Nürburgring GmbH zusteht. Der Differenzbetrag liegt bei über 1,5 Mio. €.

Allgemeines

Die Nürburgring GmbH und eine private Betreibergesellschaft schlossen im Dezember 2010 einen Konzessionsvertrag, der die Bedingungen zur Durchführung der Formel-1-Veranstaltungen regelt. Danach bleibt die Nürburgring GmbH Veranstalter. Die Organisation der Formel-1-Veranstaltungen wurde dem Vertragspartner für zunächst zwanzig Jahre übertragen. Für die Konzession erhält die Nürburgring GmbH vom Vertragspartner ein Entgelt. Dabei handelt es sich um die Erlöse aus dem Verkauf der Eintrittskarten für das Formel-1-Rennen abzüglich: a) einer pauschalen Kostenerstattung,
b) einer Kompensation für entgangene Einnahmen während der Formel-1-Veranstaltung,c) der Erlöse aus dem Verkauf von zunächst 9.000 Karten und d) der Abschöpfung von 35 % der Erlöse bei Verkauf von mehr als 65.000 Karten, die jeweils dem Partner zustehen. Für das Rennen 2011 wurde der Nürburgring GmbH ein Mindestentgelt zugesichert.

Das ehemalige Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau übersandte dem Rechnungshof auf dessen Veranlassung den Konzessionsvertrag. Der Rechnungshof hat diesen geprüft und sich hierzu geäußert1. Die Vereinbarkeit der Konzessionsvergabe mit dem EU-Beihilfe- und Vergaberecht war nicht Gegenstand der Prüfung.

Wesentliche Prüfungsergebnisse

Belastungen des Landes infolge hoher Verluste aus der Formel-1-Veranstaltung

Nach den Berechnungen des Rechnungshofs wird der Fehlbetrag der Nürburgring GmbH aus dem Formel-1-Rennen die im Landeshaushalt bereitgestellten Mittel von 13,5 Mio. €2 um deutlich mehr als 1 Mio. € überschreiten. Für künftige Formel-1-Veranstaltungen ist bei einer unveränderten Kostensituation mit noch höheren Verlusten zu rechnen. Die seit 2009 vom Land an die Nürburgring GmbH gezahlte sogenannte Tourismusabgabe3 steht zur Deckung der Verluste aus der Formel-1-Veranstaltung nicht zur Verfügung. Sie dient nach den Bewilligungsbescheiden dem Ausgleich nicht durch Einnahmen gedeckter Teile der ergebniswirksamen Belastungen aus den Investitionen zur Steigerung der touristischen Attraktion des Nürburgrings im Rahmen des Projekts Nürburgring 2009.

Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur hat erklärt, der Vertragspartner habe die Endabrechnung zum Formel-1-Konzessionsvertrag der Nürburgring GmbH Anfang November 2011 vorgelegt. Sie befinde sich derzeit noch in der Prüfung4. Der Verlust aus dem Formel-1-Rennen werde aus derzeitiger Sicht nur unwesentlich unter dem vom Rechnungshof berechneten Defizit liegen. Eine Zahlpflicht der Nürburgring GmbH gegenüber dem Vertragspartner für die Tourismusabgabe
sei nicht gegeben.

Keine Dokumentation der Verhandlungsergebnisse

Ursprünglich wollte die Nürburgring GmbH ihren Vertragspartner auf der Grundlage eines Geschäftsbesorgungsvertrags mit der Durchführung der Veranstaltung beauftragen. Im Lauf der Verhandlungen wurden mehrere geänderte Versionen des ersten Vertragsentwurfs vorgelegt. Der letztlich geschlossene – sogenannte – Konzessionsvertrag enthält Abweichungen vom ersten Vertragsentwurf, die mit dem Wechsel der Vertragsart nichts zu tun hatten und die zu Lasten der Nürburgring GmbH gingen. Bei allen gegenüber der ursprünglichen Version vorgenommenen Änderungen war aus den vom ehemaligen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau vorgelegten Unterlagen nicht erkennbar, ob und wie es in die Verhandlungen eingebunden war. Seinen Angaben zufolge sind sämtliche Änderungen und Verhandlungsergebnisse lediglich mündlich erörtert worden.

Die fehlende Dokumentation über das Zustandekommen des Vertrags ist insbesondere im Hinblick auf die erheblichen finanziellen Auswirkungen für die Nürburgring GmbH und damit möglicherweise auch für den Landeshaushalt nicht sachgerecht.

Überhöhter Aufwendungsersatz

Der Vertragspartner erhielt einen pauschalen Aufwendungsersatz für die Durchführung des Formel-1-Rennens. Dieser lag um 27 % höher als die direkten Kosten, die 2009 bei der Nürburgring GmbH für die Durchführung des Formel-1-Rennens angefallen waren. Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur hat mitgeteilt, für künftige Formel-1-Rennen sei keine Inflationierung oder Anpassung der Kostenpauschale vereinbart worden. Der Rechnungshof weist darauf hin, dass nach dem Konzessionsvertrag ab der dritten Formel-1-Rennveranstaltung nach 2011 die Vergütung für die Durchführung der Rennveranstaltungen neu zu verhandeln ist.

Ungerechtfertigte Gewährung eines Nachteilsausgleichs

Der Vertragspartner erhält zusätzlich zu dem Aufwendungsersatz als Kompensation für entgangene Einnahmen während einer Formel-1-Rennveranstaltung einen Nachteilsausgleich. Begründet wurde dies damit, dass die Grand-Prix-Strecke für einen Zeitraum von 18 Tagen freigehalten werden müsse.
Der Nachteilsausgleich wurde nicht zutreffend berechnet. Nach den Ermittlungen des Rechnungshofs hätte dem Vertragspartner allenfalls ein Betrag zugestanden, der unter 10 % der gewährten Summe lag. Unabhängig hiervon war der Nachteilsausgleich sachlich nicht gerechtfertigt. Während der Dauer der Formel-1-Rennveranstaltung ist von einer höheren Auslastung bis zur Vollauslastung der Hotels, des Motorsport-Villages und des Eifeldorfs auszugehen. Dies führt in den genannten Einrichtungen zu Mehrumsätzen. An diesen und am Nettogewinn ist auch der Vertragspartner vertraglich beteiligt.

Das Ministerium hat erklärt, der Vertragspartner partizipiere nur an den Mehrerlösen und Gewinnen der Formel-1-Veranstaltung, wenn das Jahresergebnis der Gesellschaft die Mindestpacht übersteige.
 

Der Rechnungshof weist darauf hin, dass der Betriebspachtvertrag eine andere Regelung vorsieht. Danach erhält der Vertragspartner zumindest in den ersten beiden Geschäftsjahren eine umsatzabhängige Management-Vergütung.

Unterschiedliche Vertragsauslegung zum Wert von Kartenverkäufen

Nach dem Konzessionsvertrag darf der Vertragspartner insgesamt 9.000 Karten auf eigene Rechnung verkaufen. Die in Vorentwürfen noch enthaltene Regelung über die Ermittlung des Kartenwerts entfiel in dem endgültigen Vertrag. Strittig ist nunmehr, welche Art von Karten abgerechnet werden darf. Der Partner beansprucht einen weit höheren Erlös, als die Nürburgring GmbH ihm zugestehen will. Ersterer war nach seiner Auffassung berechtigt, insbesondere die hochpreisigen Karten auf eigene Rechnung zu verkaufen, während Letztere darauf beharrt, für die vorgenannten 9.000 Karten den Gesamtdurchschnittswert aller verkauften Karten anzusetzen. Der Differenzbetrag liegt bei über 1,5 Mio. €. Das Ministerium hat erklärt, das Verständnis der Regelung sei so, dass alle Karten verkauft würden und vom Gesamterlös ein Teilbetrag für die 9.000 Karten dem Partner verbleibe. Dieser habe nicht das Recht, sich die Karten auszusuchen.

Folgen der Einschaltung einer Kommanditgesellschaft

Der Vertragspartner bediente sich bei der Durchführung der Formel-1-Rennveranstaltung einer Kommanditgesellschaft, die über kein eigenes Personal verfügt. Nach dem im März 2011 geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag erhält die Kommanditgesellschaft von dem Vertragspartner eine pauschale Kostenerstattung, die in ihrer Höhe dem pauschalen Aufwendungsersatz der Nürburgring GmbH an den Vertragspartner entspricht. Zusätzlich erhält die Kommanditgesellschaft vom Vertragspartner eine weitere Vergütung für Personalkosten, obwohl diese bereits in der pauschalen Kostenerstattung enthalten waren. Letztlich entsprach dieser Betrag rechnerisch dem Nachteilsausgleich, der dem Vertragspartner von der Nürburgring GmbH gewährt wurde. Damit gestand der Vertragspartner der Kommanditgesellschaft insgesamt eine um 17 % höhere pauschale Kostenerstattung zu, als er von der Nürburgring GmbH erhält.

Der Zusatzbetrag stand der Kommanditgesellschaft sachlich nicht zu. Er sollte Nachteile des Vertragspartners und nicht der Kommanditgesellschaft ausgleichen. Das Ministerium hat erklärt, die Einschaltung der Kommanditgesellschaft führe nicht zu einer Verschlechterung der Situation für die Nürburgring GmbH/das Land. Der Rechnungshof weist darauf hin, dass der Nachteilsausgleich im Falle des Verbleibs bei dem Vertragspartner dessen EBITDA5 erhöht hätte, das zu 90 % an die
Nürburgring GmbH abzuführen gewesen wäre, soweit nicht die Mindestpachtregelung gegriffen hätte.

Mangelhafte Befassung des Aufsichtsrats der Nürburgring GmbH

Der Aufsichtsrat der Nürburgring GmbH stimmte dem Konzessionsvertrag im Dezember 2010 zu, nachdem ihm erst am Vortag die komplexen Vertragsgestaltungen vorgelegt worden waren. Über den Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrags mit der Kommanditgesellschaft wurde der Aufsichtsrat Anfang Mai 2011 unterrichtet. Der Vertrag selbst wurde ihm nicht vorgelegt. Die Zustimmung der Geschäftsführung der Nürburgring GmbH zu dem Geschäftsbesorgungsvertrag vom März 2011 erfolgte ohne vorherige Genehmigung des Aufsichtsrats. Das Ministerium vertritt die Auffassung, ein Genehmigungserfordernis des Aufsichtsrats zu dem Geschäftsbesorgungsvertrag bestehe nicht. Es handele sich bei der Zustimmung um eine gewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme des Geschäftsführers der Nürburgring GmbH. Die vertraglichen Regelungen zwischen der Nürburgring GmbH und dem Vertragspartner sowie diesem und der Kommanditgesellschaft seien spiegelbildlich erfolgt.

Angesichts des durch die Formel-1-Rennveranstaltung entstandenen Verlustes für die Nürburgring GmbH und der damit verbundenen Belastung für den Landeshaushalt handelte es sich bei der Übertragung der Veranstaltung auf die Kommanditgesellschaft um ein über den gewöhnlichen Geschäftsverkehr hinausgehendes Geschäft. Dieses hätte nach § 7 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Nürburgring GmbH der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats bedurft. Im Übrigen waren die vertraglichen Regelungen nicht spiegelbildlich, wie die der Kommanditgesellschaft zugestandene höhere Kostenpauschale zeigt.

Folgerungen

Folgende Forderungen sind nicht erledigt:

Der Rechnungshof hat gefordert, über die Vertreter des Landes in den Gesellschaftsgremien darauf hinzuwirken, dass

a) dem Vertragspartner weder unmittelbar noch mittelbar die an die Nürburgring GmbH gezahlte Tourismusabgabe weitergereicht wird,

b) im Falle weiterer Formel-1-Veranstaltungen auf dem Nürburgring mit dem Vertragspartner über eine sachgerechte Verminderung der Kostenpauschale und den Wegfall des Nachteilsausgleichs verhandelt wird,

c) als Wert der auf Rechnung des Vertragspartners verkauften Karten nur der Durchschnittswert aus allen Kartenverkäufen angesetzt wird,

d) der Aufsichtsrat der Nürburgring GmbH mit allen Geschäften, die über den gewöhnlichen
Geschäftsverkehr hinausgehen und die seiner Zustimmung bedürfen, befasst wird,

e) bei künftigen Vertragsverhandlungen für eine ordnungsgemäße Dokumentation des Verhandlungsverlaufs und der Verhandlungsergebnisse Sorge getragen wird.

Der Rechnungshof hat empfohlen,

a) die möglichen Belastungen des Landes aus den Formel-1-Rennveranstaltungen im Haushaltsplan des Landes vollständig darzustellen,

b) in die Haushaltspläne des Landes eine verbindliche Erläuterung aufzunehmen, nach der die Tourismusabgabe nur der Nürburgring GmbH oder den Flughafengesellschaften Hahn ausgezahlt werden darf.

 

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