Lewentz’s Gesetzentwurf zwecks Zerschlagung des Landkreises Vulkaneifel nicht verfassungskonform!

Mainz / LK Vulkaneifel. Der wissenschaftliche Dienst bestätigte am vergangenen Freitag, 05.05.2017 der Landesregierung (Innenminister Lewentz/SPD) die Rechtsauffassung von Landrat Heinz-Peter Thiel und den Fraktionen der CDU, FDP, GRÜNEN, BUV und LINKEN im Vulkaneifel-Kreistag. Demnach ist Lewentz’s Gesetzentwurf zwecks Zerschlagung des Landkreises Vulkaneifel nicht verfassungskonform Die SPD-Fraktion im Vulkaneifel-Kreistag hatte sich übrigens als einzige Fraktion nicht um den Erhalt des Landkreises aktiv beteiligt.

Karikatur Ritter

Zum Hintergrund:
Innenminister Lewentz/SPD beabsichtigt sozusagen als rheinland-pfälzischer Gesetzgeber, im Zuge der Kommunal- und Verwaltungsreform auf Ebene der verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden die zum Landkreis Vulkaneifel gehörenden Verbandsgemeinden Gerolstein, Hillesheim und Obere Kyll aufzulösen. Elf Ortsgemeinden der Verbandsgemeinde Obere Kyll sollen unter Beibehaltung der Kreisgrenzen in die zum Eifelkreis Bitburg-Prüm gehörende Verbandsgemeinde Prüm und drei in die neu gebildete Verbandsgemeinde Gerolstein, welche im Übrigen die Ortsgemeinden der bisherigen Verbandsgemeinden Gerolstein und Hillesheim umfassen soll, eingegliedert werden. Mit der vergrößerten Verbandsgemeinde Prüm soll dadurch vorübergehend eine Landkreis übergreifende Verbandsgemeinde entstehen. Eine Änderung der Kreisstrukturen soll erst auf einer zweiten Reformstufe erfolgen, für die seit einiger Zeit wissenschaftliche Untersuchungen laufen. Ergebnisse, ein Zeitplan und eine Entscheidung für eine Kreisreform im Bereich der betroffenen Landkreise liegen derzeit allerdings noch nicht vor.
Nach Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs unter Einbeziehung der Stellungnahmen der im Gesetzgebungsverfahren hinzugezogenen Anzuhörenden erweist sich das beabsichtigte Gesetzesvorhaben im Wesentlichen nur auf den ersten
Blick als verfassungskonform.

In Bezug auf die vorübergehende Bildung einer Landkreisgrenzen überschreitenden Verbandsgemeinde ergeben sich jedoch grundlegende verfassungsrechtliche Bedenken. Die vorübergehende Bildung einer solchen Verbandsgemeinde dürfte aus Rechtsstaatsgesichtspunkten nur dann zulässig sein, wenn die Dauer der Abweichung vom System nicht in der Schwebe bleibt, sondern für einen von vornherein bestimmten, klar definierten Zeitraum beschlossen wird.

Wissenschaftliche Dienst:  Indem § 1 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzentwurfs keinen solchen Zeitraum vorsieht und ein solcher nicht hinreichend deutlich absehbar ist, dürfte der Gesetzentwurf insoweit nicht verfassungskonform sein.

Im Einzelnen hat die Prüfung zu folgenden Ergebnissen geführt:
1. Maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die Verfassungsgemäßheit des Gesetzentwurfs ist die Gesetzesbegründung, nicht ein etwaiges offensichtlich nicht in den Gesetzentwurf einbezogenes vorausgehendes Schreiben eines Ministeriums. Insoweit ist der Einwand gegen den Gesetzentwurf unerheblich, aus einem Schreiben des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur vom 30. Januar 2014 folge, dass im Interesse des kurzfristigen Umgangs mit der aus der Vergangenheit herrührenden misslichen Finanzlage der Verbandsgemeinde Obere Kyll eine dauerhaft deutlich unteroptimale Reformlösung gewählt worden sei.

2. Der Einwand, der Gesetzentwurf setze bei der Auswahl der Fusionspartner das Kriterium der Freiwilligkeit über die Ziele des Grundsätze-Gesetzes und entscheide sich für eine deutlich ungeeignetere Lösung, dürfte sich als unzutreffend erwiesen haben. Bezogen auf den diesbezüglichen Vorwurf von Oebbecke kann festgestellt werden, dass sich die vom Gesetzentwurf präferierte Variante als Ergebnis einer insoweit verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Abwägung darstellt.

3. Der Gesetzentwurf weicht in § 1
Abs. 1 Satz 3 vom Regelvorrang der landkreisinternen Reform ab (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 1 KomVwRGrG). Das bloße Abweichen von diesem System stellt für sich gesehen noch keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Systemtreue dar. Das Gesetz selbst erachtet nach § 2 Abs. 4 Satz 2 KomVwRGrG Abweichungen vom System als zulässig.

Da der in § 2 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 KomVwRGrG genannte Beispielsfall (ein Zusammenschluss zu einer verbandsfreien Gemeinde oder Verbandsgemeinde mit einer ausreichenden Leistungsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Verwaltungskraft ist nicht möglich) nicht vorliegt, bedarf es eines anderen hinreichenden Sachgrundes nach § 2 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 KomVwRGrG, der die Abweichung vom Regelleitbild rechtfertigt. Ein solcher könnte derjenige der Freiwilligkeit der Fusion sein. Auch diese Ausnahme müsste jedoch denjenigen verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechen, die der Verfassungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung für Fälle der vorliegenden Art entwickelt hat. Danach dürfte aus dem Rechtsstaatsprinzip für eine Ausnahmeregelung zu fordern sein, dass die Dauer der Abweichung vom System nicht in der Schwebe bleibt, sondern die Systemabweichung nur für einen von vornherein bestimmten, klar definierten kurzen Zeitraum beschlossen wird.

Indem § 1 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzentwurfs keinen solchen Zeitraum vorsieht, dürfte der Gesetzentwurf insoweit verfassungsrechtlich wohl nicht zulässig sein.

4. Die Bildung einer Kreisgrenzen überschreitenden Verbandsgemeinde dürfte weder gegen den institutionellen Schutz der Verbandsgemeinde aus Art. 49 LV noch gegen den institutionellen Schutz der Landkreise aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verstoßen. Zu den typusbestimmenden Merkmalen von Verbandsgemeinden gehört, dass sie Gebietskörperschaften und Gemeindeverbände i.S.v. Art. 49 Abs. 2 LV sind, nicht hingegen, dass das gesamte Gebiet einer Verbandsgemeinde dem ihm übergeordneten Gemeindeverband angehört. Ebenso wenig gehört zu den typusbestimmenden Merkmalen eines Landkreises, dass eine Verbandsgemeinde nur einem Landkreis angehört.

5. Die beabsichtigte Gebietsreform dürfte auch nicht deshalb verfassungswidrig sein, weil sie durch die Zugehörigkeit der neuen Verbandsgemeinde Prüm zu zwei Landkreisen möglicherweise zu Nachteilen für die Wahrnehmung der Verwaltungsaufgaben führt. Die vom Verfassungsgerichtshof geforderte Grenze der Existenzgefährdung dürfte weder für die beteiligten Verbandsgemeinden noch die beteiligten Landkreise überschritten sein. Auch ist es Aufgabe des Gesetzgebers zu entscheiden, bei welcher Verbandsgemeinde er die anstehenden Reformmaßnahmen auf der ersten Stufe beginnt und bei welcher er die Reformstufen miteinander verbindet. Die bloße Erschwerung der Aufgabenwahrnehmung dürfte ebenfalls nicht für die Annahme eines Verstoßes genügen.

6. Der mögliche Einwand der Vorgreiflichkeit der Reform für die zweite Reformstufe dürfte sich derzeit nicht stellen, da nach hiesiger Auffassung zu fordern ist, dass die vorübergehende Bildung einer Kreisgrenzen überschreitenden Verbandsgemeinde nur für einen kurzen von vornherein festgelegten Zeitraum erfolgt.

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