Defizit der Krankenkassen soll bis 2040 auf fast 50 Milliarden Euro steigen?

Angeblich sollen den Gesetzlichen Krankenversicherungen laut aktuellen Berechnungen bis 2040 fast 50 Milliarden Euro fehlen. Grund: Die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben geht auseinander. Um diese Lücke zu schließen, müsste der Beitragssatz zur Krankenversicherung von derzeit 14,6 schrittweise auf 16,9 Prozent steigen. Sogenannte Experten sehen Anpassungen der überalterten Infrastruktur und eine finanzielle Unterstützung des Bundes bei den Beitragssätzen als notwendig an. Das ist jedenfalls das Ergebnis der Studie „Zukünftige Entwicklung der GKV-Finanzierung“ des IGES Institutes im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Laut dieser Prognose geht nach Jahren mit Rekordüberschüssen in der Gesetzlichen Krankenversicherung ab ca. 2025 die Schere zwischen Gesundheitsausgaben und Beitragseinnahmen wieder auseinander.

Stiller Überlebenskampf

Derzeit tobt im deutschen Gesundheitssystem ein „noch“ stiller Überlebenskampf. Die Kliniken hierzulande sind chronisch unterfinanziert und fahren auf Verschleiß. Es fehlt an Geldern für beste medizinische Versorgung sowie für eine moderne Ausstattung. Das Ergebnis ist gesundheitspolitischer Darwinismus unter den Krankenhäusern. Die Nachrichten über Klinikschließungen häufen sich. Jeden Tag ringen die Klinikbetreiber mit den Lücken im System und werden dafür öffentlichkeitswirksam angeprangert. Die tatsächlichen Verursacher aber werden nicht benannt. Das sind die Träger der dualen Finanzierung, namentlich die Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV‘s) und die jeweiligen Landesregierungen.

Fallpauschalen-System im Reformstau

Tatsache ist, die GKV’s haben erzielen seit mindestens einem Jahrzehnt in Folge ein positives Finanzergebnis. Mit einem Einnahmeüberschuss von 2 Mrd. Euro im Jahr 2018 sogar im dritten Jahr in Folge. Ihre Rücklagen entsprechen mittlerweile mehr als dem Vierfachen der gesetzlich vorgesehenen Mindestreserve. Grund dafür ist auch ein Fallpauschalen-System, bei dem 15 Jahre nach Einführung ein immenser Reformstau besteht. Die Kassen bezahlen pro Fall (Behandlung) schlicht zu wenig an die Krankenhäuser, das zeigt der internationale Vergleich: Bei den durchschnittlichen Fallkosten ist Deutschland unter allen OECD-Staaten mit Abstand das Schlusslicht. Es darf bezweifelt werden, ob es Deutschland unter diesen Umständen schaffen wird, dauerhaft einen international wettbewerbsfähigen Gesundheitssektor aufrechtzuerhalten.

30 Milliarden Rücklagen 

Die Wahrheit ist: Die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland sind inzwischen zu Sparkassen mutiert. Ihre Rücklagen und die Reserven im Gesundheitsfonds sind, vor allem auch durch Mittelentzug bei den Krankenhäusern, auf mittlerweile sagenhafte 30 Milliarden Euro geklettert. Das ist ein Vielfaches der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestreserve. Es klingt geradezu unvorstellbar, dass diese merkwürdige Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung ein Defizit der Krankenkassen von ca. 50 Milliarden Euro prognostiziert.   

Fakt ist, die überschüssigen Milliarden liegen auf den Konten der Krankenkassen herum, statt den Patienten zu nutzen, wofür es bei den Krankenversicherten erhoben wurde. In der aktuellen Nullzins- und Strafzinsphase für Milliarden-Guthaben muss man davon ausgehen, dass infolge der Realentwertung hunderte von Millionen Euro jedes Jahr durch den Schornstein der Krankenkassen verbraten werden. Das ist der Skandal, um den sich die Bundespolitik endlich kümmern muss. Ganz wichtiger Hinweis an die Bundespolitik: Dafür brauchen wir dafür keine neue Studie, bzw. kein teures Gutachten, das die Krankenkassen als die Opfer darstellt.

Ärzte und Pflegepersonal sind die Leidtragenden

Während die Krankenkassen mit cleveren Erlösvermeidungsstrategien Überschüsse erzielen und die Bundesländer strukturelle Überkapazitäten pflegen, trocknen die einzelnen Klinken finanziell aus. Der komplette Sektor ist inzwischen selbst zum Patienten geworden. Unsere Krankenhäuser befinden sich in einem dramatischen Überlebenskampf – zu Lasten von Patienten, Ärzten und Pflegekräften. Hinzu kommt, dass das Personal mehr und mehr unter überbordender Bürokratie leide. Mehr als ein Drittel ihrer Arbeitszeit müssen Pflegekräfte täglich für die Dokumentation aufwenden, bei den Ärzten sind inzwischen sogar 44 Prozent. Wenn Ärzte fast die Hälfte ihrer Arbeitszeit für Papierkram aufwenden, anstatt den Patienten zu helfen, kann etwas im System nicht stimmen!

Bei allem berechtigten Interesse an finanzieller Effizienz, am Ende darf für alle Beteiligten nur ein Ziel wirklich entscheidend sein: die beste medizinische Versorgung für alle Patienten in Deutschland langfristig sicherzustellen. Dieses Ziel können wir im Gesundheitswesen nur erreichen, wenn alle Akteure bereit sind, ihren Teil der Verantwortung konsequent zu übernehmen.

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