Nobelpreisträgerin Herta Müller mit Georg-Meistermann-Preis ausgezeichnet

Grandioser Festakt im Wittlicher Eventum

Wittlich. „Es ist uns eine Ehre, dass Sie bereit waren, den Meistermann-Preis anzunehmen und heute mit Ihrem Ehemann Harry Merkle in Wittlich sind!“ sagte Bürgermeister Joachim Rodenkirch am Donnerstag, 10. März 2016, im Eventum. Feierlich wurde hier der Autorin und Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller der Georg-Meistermann-Preis der Stiftung Stadt Wittlich verliehen. Ein grandioser Festakt, zu dem rund 1.400 Besucher aus nah und fern gekommen sind und Zeugen eines herausragenden aber auch ergreifenden Ereignisses wurden.

Herta Müller im Wittlicher Eventum (Foto: Jan Mußweiler)
Herta Müller im Wittlicher Eventum
(Foto: Jan Mußweiler)

Zur Einstimmung wurde der Imagefilm der Stiftung Stadt Wittlich gezeigt, der im vergangenen Jahr aus Anlass des 25-jährigen Jubiläums der Stiftung produziert worden ist.

Ein kurzer unterhaltsamer Auftakt, der in gut zwei Minuten die Zuschauer in das „Geheimnis von Wittlich“ einweiht. Der Film, produziert von der TreeState Productions GmbH, zeigt in kurzen Sequenzen gar märchenhaft die Geschichte der Stiftung und deren wohltätiges Wirken.

Bürgermeister Rodenkirch begrüßte neben der Hauptakteurin und deren Ehemann zunächst zahlreiche Ehrengäste und ganz besonders den Laudator Martin Schulz. Dann beschrieb Rodenkirch, wie ihm Ernest Wichner, der Leiter des Literaturhauses in Berlin, bei der Causa Meistermann-Preis behilflich war und den Kontakt zu Herta Müller herstellte. „Wie wir heute sehen mit Erfolg.“ so Rodenkirch und beendete seine Ansprache mit einem Zitat aus dem Buch „Immer derselbe Schnee und immer der selbe Onkel“, das Herta Müller im Jahr 2011 veröffentlichte: „Mein Großvater war im Ersten Weltkrieg Soldat. Er wusste, wovon er spricht, wenn er in Bezug auf seinen Sohn Matz (im Zweiten Weltkrieg gefallen) oft verbittert sagte: „Ja wenn die Fahnen flattern rutscht der Verstand in die Trompete.“ Diese Warnung passte auch auf die folgende Diktatur, in der ich selber lebte. Täglich sah man den Verstand der kleinen und großen Profiteure in die Trompete rutschen. Ich beschloss, die Trompete nicht zu blasen. Rodenkirch appellierte an die Festgäste „Verehrte Damen und Herren, genau das sollte jeder Einzelne von uns auch beschließen, die Trompete nicht zu blasen!“

Dann sahen die Zuschauer einen Filmausschnitt aus der Dankesrede Herta Müllers, die sie anlässlich der Verleihung des Nobelpreises für Literatur im Jahr 2009 gehalten hatte. Ergreifend und mahnend, wie ihre literarischen Werke auch.

v.l.n.r. Hermann Simon und Joachim Rodenkirch überreichen Herta Müller den Georg-Meistermann-Preis. Laudator Martin Schulz klatscht Beifall. (Foto: Jan Mußweiler)
v.l.n.r. Hermann Simon und Joachim Rodenkirch überreichen Herta Müller den Georg-Meistermann-Preis.
Laudator Martin Schulz klatscht Beifall. (Foto: Jan Mußweiler)

Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments würdigte die Preisträgerin als unbeugsame und unbequeme Frau und sagte: „Wir alle sollten Herta Müller dafür dankbar sein, dass sie bis heute unbeugsam und unbequem geblieben ist, ob wir mit ihr in allem übereinstimmen oder nicht.“ Ohne Frage sei Herta Müller eine der großen Schriftstellerinnen unserer Zeit. Sie sei aber auch eine mutige Frau. Eine Frau, die niemals schweigen würde, sondern unbeirrbar und unüberhörbar den durch Gewalt und Unrecht zum Verstummen gebrachten eine Stimme gäbe, den Blick auf unsere Vergangenheit lenke und alle dazu aufrufe, jeden Tag für die Verteidigung der Menschenrechte und die Würde des Menschen einzutreten. Müller mahne in ihrem Werk „Die Atemschaukel“, dass die Opfer im Osten Europas nicht zu vergessen seien, sagte Schulz und „Herta Müller entreißt die Opfer dem Vergessen, dem Verleugnet werden, lässt ihnen Gerechtigkeit widerfahren und gibt ihnen, so empfinde ich es, damit ihrer Würde zurück.“ beschreibt Schulz die Lektüre dieses Buches und damit die Begegnung mit der Schriftstellerin Herta Müller. Abschließend sagte Schulz: „Deshalb: dass in diesem Jahr Herta Müller den Georg-Meistermann-Preis der Stadt Wittlich erhält, ist eine ausgezeichnete Wahl. Liebe Herta Müller, herzlichen Glückwunsch zu einer weiteren, verdienten Auszeichnung.“

Ernest Wichner im Gespräch mit Herta Müller (Foto: Jan Mußweiler)
Ernest Wichner im Gespräch mit Herta Müller (Foto: Jan Mußweiler)

Den Georg-Meistermann-Preis überreichten in Form einer Bronzeplakette und einer Urkunde Professor Dr. Hermann Simon, Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung Stadt Wittlich und Vorstandsvorsitzender Joachim Rodenkirch. Herta Müller wurde ein großer Applaus des Wittlicher Publikums zuteil. Müller bedankte sich und sagte: „Ich möchte den Preis den Menschen zukommen lassen, die heute in unser Land fliehen müssen. Für diese Menschen soll das Geld verwendet werden.“ Die Preisträgerin bedankte sich aber nicht einfach nur für die Auszeichnung. Herta Müller schlug geschickt die Brücke von ihrem eigenen Schicksal zu dem Georg Meistermanns. Denn wie sie in Rumänien, musste Meistermann in der Zeit des Nationalsozialismus sein Studium abbrechen und Meistermann erhielt von den Nazis ein Ausstellungsverbot und Müller vom rumänischen Geheimdienst ein Veröffentlichungsverbot.

Bürgermeister Rodenkirch bei seinem Grußwort (Foto: Jan Mußweiler)
Bürgermeister Rodenkirch bei seinem Grußwort (Foto: Jan Mußweiler)

Anschließend sprach Ernest Wichner, langjähriger Freund und Vertrauter, mit Herta Müller über ihr Leben, ihr Wirken und vor allem über ihre Begegnungen mit dem Dichter Oskar Pastior. Gebannt verfolgen 1.400 Menschen den Ausführungen Müllers, die es versteht, das Grauen, das in den sowjetischen Zwangslagern herrschte, ins Eventum zu projizieren. Ein zutiefst ergreifender Moment während des Festaktes. Herta Müller spricht so authentisch vom unmenschlichen Handeln, was Menschen tun und erleiden müssen. Die Zuhörer sind regelrecht gefesselt und erfahren schließlich, dass der „weiße Hase“ ein Synonym für das weiße Haar der Zwangsarbeiter darstellt, das im Gesicht der Hungernden Menschen wuchs, kurz bevor sie verhungerten.

Die Wahl, Herta Müller mit dem Georg-Meistermann-Preis auszuzeichnen, hätte angesichts der aktuellen Flüchtlingskrise tatsächlich nicht besser ausfallen können. Denn die Preisträgerin siedelte im Jahr 1987 nach Deutschland über. Herta Müller wurde 1953 im deutschsprachigen Nitzkydorf in Rumänien geboren. Nach dem Studium der deutschen und rumänischen Philologie arbeitete sie zunächst als Übersetzerin in einer Maschinenfabrik, wurde entlassen, weil sie sich weigerte für den rumänischen Geheimdienst Securitate zu arbeiten. Ihr erstes Buch „Niederungen“ lag danach vier Jahre beim Verlag und wurde 1982 nur zensiert veröffentlicht. 1984 erschien es in gekürzter Fassung in Deutschland. Die Schriftstellerin war immer wieder Verhören, Hausdurchsuchungen und Bedrohungen durch die Securitate ausgesetzt und konnte danach in Rumänien nichts mehr veröffentlichen. Herta Müller wurde bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und erhielt im Jahr 2009 den Literatur-Nobelpreis.

Musikalisch wurde der Festakt vom Kammerensemble des Collegium Musicum der Universität Trier umrahmt. Fabia Neuerburg (Querflöte), Bernard Hess (Oboe), Cornelia Steffens (Klarinette) Vanessa Felten (Horn) und Johanna Philippi (Fagott) begeisterten das Publikum mit drei Stücken von Joseph Haydn. Ω

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