Aachener Bischof Helmut Dieser neuer Missbrauchsbeauftragter

Fulda (dpa) – Der Aachener Bischof Helmut Dieser wird künftig für die Deutsche Bischofskonferenz die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche vorantreiben. Mit dem Freiburger Erzbischof Stephan Burger wurde erstmals auch ein Stellvertreter für die Aufgabe benannt.

Die beiden folgen auf den Trierer Bischof Stephan Ackermann, der das Amt des Missbrauchsbeauftragten der Bischöfe nach zwölf Jahren abgegeben hat. Um die Aufarbeitung zusätzlich auf ein breiteres Fundament zu stellen, werden ein unabhängiger Expertenrat sowie eine bischöfliche Fachgruppe eingerichtet, der Dieser vorsitzen wird.

In seiner neuen Aufgabe sieht sich der Aachener Bischof vor großen Herausforderungen, wie er am Mittwoch anlässlich der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda deutlich machte. Der Skandal um vielfachen sexuellen Missbrauch von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in der katholischen Kirche sei «höchst giftig», er wirke nach und zerstöre soziale Beziehungen.

Aufarbeitung eine «unabschließbare» Aufgabe

«Die Kirche kann daran kaputtgehen», sagte Dieser. Die Aufarbeitung sei eine große Aufgabe, die «unabschließbar» sei – sie biete aber auch die Chance auf eine Erneuerung der Kirche. Es gehe um die «Anliegen von tief verletzten Menschen». Sein Ziel in dem neuen Amt sei, eine Atmosphäre zu schaffen, in der Betroffene den Mut fänden, «aus dem Dunkelfeld herauszutreten». Ob sie das Vertrauen fassen, hänge davon ab, dass die katholische Kirche glaubhaft mache:

«Die meinen es ernst».

Dieser wird Vorsitzender einer bischöflichen «Fachgruppe für Fragen des sexuellen Missbrauchs und von Gewalterfahrungen im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz», sein Stellvertreter in dem Gremium ist Erzbischof Burger. Beibehalten wird der Betroffenenbeirat bei der Deutschen Bischofskonferenz. Hinzukommen soll ein unabhängiger Expertenrat, dem neben externen Fachleuten verschiedener Disziplinen und Professionen auch Vertreter des Betroffenenbeirats angehören sollen.

Der Trierer Bischof Ackermann hatte das damals neu geschaffene Amt des Missbrauchsbeauftragten der Deutschen Bischofskonferenz im Februar 2010 übernommen, nachdem der Skandal ins Rollen gekommen war, und galt seither als zentraler Ansprechpartner für den Komplex. Im Mai dieses Jahres gab er seinen Rückzug von dem Amt bekannt und erklärte dabei unter anderem, es brauche möglichst bald «eine neue und breiter aufgestellte Verantwortungsstruktur, damit die katholische Kirche in Deutschland der Vielschichtigkeit der Thematik und der Dimension des Aufgabenfeldes künftig noch mehr gerecht werden kann».

Zuvor war Ackermann in die Kritik geraten, weil er in einer Informationsveranstaltung seines Bistums das Pseudonym einer betroffenen Frau gebrochen und deren Klarnamen genannt habe. Dies disqualifiziere ihn als Missbrauchsbeauftragten, hatte der Betroffenenbeirat bei der Deutschen Bischofskonferenz erklärt. Auch wenn sich Ackermann bei der Frau entschuldigt und eine Unterlassungserklärung unterzeichnet habe, sei sein Verhalten «inakzeptabel und weder nachvollziehbar noch entschuldbar».

Wir sind Kirche: Ackermann-Ablösung «überfällig»

Ziel der nun vorgestellten neuen Struktur sei eine Verstetigung, Neuordnung und Bündelung der verschiedenen Aufgaben und Maßnahmen im Bereich sexuellen Missbrauchs und Gewalterfahrungen, sagte Ackermann in Fulda. Zudem sollten eine größere Unabhängigkeit durch externe Kompetenz und eine breitere Partizipation, mehr Transparenz und Qualität der Aufarbeitung ermöglicht werden. Klar sei: Das Thema bleibe «dynamisch und muss weiter beobachtet und auch weiter entwickelt werden», sagte Ackermann.

Er dankte zugleich Betroffenen, die bereit gewesen seien, über das Schreckliche, das ihnen widerfahren sei, zu sprechen. Es sei ihm bewusst, wie schwer manchen von ihnen der Kontakt gefallen sei. Falls er Betroffene in seiner Aufgabe verletzt habe, wolle er dafür um Verzeihung bitten, sagte Ackermann. Ihn selbst habe das Amt verändert. «Ich bin sensibler geworden für kirchliche Machtausübung.»

Als «längst überfällig» bewertet die Reformbewegung Wir sind Kirche die Ablösung Ackermanns. Angesichts der Dimension der Aufgabe, die erst im Laufe der zwölf Jahre sichtbar geworden sei, habe der Trierer Bischof «verständlicherweise oft überfordert und hilflos» gewirkt. «Viel zu lange haben die deutschen Bischöfe einen großen Teil ihrer Verantwortung auf den Missbrauchsbeauftragten abgewälzt», so Wir sind Kirche. Doch Ackermann seien kirchenrechtlich die Hände gebunden gewesen, da es keine Weisungsbefugnis gegenüber den Bischofskollegen gegeben habe. Dieses Grundproblem bleibe auch mit der neuen Fachgruppe mit Dieser und Burger an der Spitze als Hemmschuh bestehen.

 

Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung kritisiert Woelki

Köln/Berlin (dpa) – Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, hat den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki wegen seines Umgangs mit Missbrauchsbetroffenen kritisiert. Zwischen den Aussagen des Erzbistums und der Wahrnehmung der Betroffenen liege «offenkundig eine Kluft», sagte Claus dem «Kölner Stadt-Anzeiger». Die jüngste Erklärung von Woelkis Stellvertreter Guido Assmann reiche nicht aus, um die Vorwürfe auszuräumen.

Der «Kölner Stadt-Anzeiger» hatte in der vergangenen Woche offen gelegt, dass PR-Berater Woelkis Ende 2020 auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung um die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals im Erzbistum Köln Pläne für dessen «Überleben» im Amt entworfen hatten. Dem Bericht zufolge schlugen ihm die Kommunikationsexperten vor, den Beirat von Betroffenen sexuellen Missbrauchs auf seine Seite zu ziehen. Tatsächlich konnte Woelki den Beirat dann dazu bewegen, seine Linie zu unterstützen. Assmann wies den Vorwurf der Instrumentalisierung jedoch zurück. Weiterlesen

Hat Woelki Missbrauchsbetroffene nach «Drehbuch» ausgenutzt?

Kirche
Von Christoph Driessen, dpa

Köln (dpa) – Hat Kardinal Rainer Maria Woelki Betroffene von sexuellem Missbrauch nach einem «Drehbuch» von PR-Experten instrumentalisiert? Das ist die Frage, die derzeit das größte deutsche Bistum Köln bewegt.

Und darum geht es: 2020 hatte Woelki entschieden, ein seit langem angekündigtes Gutachten zum Umgang von Bistumsverantwortlichen mit Vorwürfen des sexuellen Kindesmissbrauchs nicht zu veröffentlichen. Er führte rechtliche Gründe dafür an und gab stattdessen ein neues Gutachten in Auftrag. Die Entscheidung war hochgradig umstritten und zog massive Kritik nach sich. Immerhin: Der Betroffenenbeirat des Erzbistums unterstützte Woelkis Vorgehen zunächst. Dann allerdings distanzierten sich die beiden Beiratssprecher Patrick Bauer und Karl Haucke davon, traten von ihren Ämtern zurück und warfen Woelki einen «erneuten Missbrauch von Missbrauchsopfern» vor. «Wir wurden völlig überrannt», sagte Bauer damals. Weiterlesen

Haltung Benedikts XVI. zum Missbrauchsgutachten spaltet

Rom/München (dpa) – Auch nach der neuen Erklärung des emeritierten Papstes Benedikt XVI. zum Münchner Missbrauchsgutachten reißt die Debatte um die Bewertung seiner Rolle nicht ab.

Die Reaktionen auf die lange erwartete Stellungnahme reichten von Wut und enttäuschter Kritik bis hin zu «menschlich und geistlich tief bewegend».

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) nannte die Entschuldigung Benedikts unzureichend. Er bleibe «relativ allgemein», sagte die Präsidentin des ZdK den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Bei seinem Schuldbekenntnis gehe sein Blick nicht zu den Brüdern und Schwestern und den Betroffenen. «Die Empathie gegenüber den Betroffenen fehlt» Deshalb überzeuge die zweite Reaktion von Papst Benedikt «leider nicht», sagte die Präsidentin der Laienvertretung. Weiterlesen

Papst-Kritikerin: Ratzinger bereit, «öffentlich zu lügen»

München/Köln (dpa) – Die Autorin und Ratziger-Kritikerin Doris Reisinger hofft nach der Vorstellung des Münchner Missbrauchsgutachtens auf eine andere Betrachtung des emeritierten Papstes Benedikt XVI.

«Der Hammer dieses Gutachtens ist: Wir wissen jetzt, dass Ratzinger bereit ist, öffentlich zu lügen, um sich seiner Verantwortung zu entledigen», sagte Reisinger dem «Kölner Stadt-Anzeiger» (Freitag). «Wie dreist oder wie verzweifelt muss man sein, um so etwas zu tun?» Weiterlesen

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