Desaster am Wohnungsmarkt: Milliarden für Bau gefordert

Von Matthias Arnold, dpa

Berlin (dpa) – Ein Bündnis aus Mieterbund, Baugewerkschaft sowie Sozial- und Branchenverbänden warnt vor einer sich immer stärker zuspitzenden Wohnungsnot in Deutschland. «Die Situation am Wohnungsmarkt ist dramatisch», sagte der Präsident des Deutschen Mieterbunds, Lukas Siebenkotten, am Donnerstag in Berlin. Hauptgrund: Die zunehmende Zuwanderung bei gleichzeitig niedrigem Bautempo. Das Bündnis forderte ein Sondervermögen von 50 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau sowie Steuersenkungen.

Zwischen Januar und September des vergangenen Jahres kamen laut einer Studie des Pestel-Instituts in Hannover und des Bauforschungsinstituts ARGE aus Kiel rund 1,25 Millionen Menschen mehr nach Deutschland, als im selben Zeitraum gingen. Das ist das größte Wanderungssaldo mindestens seit der Wiedervereinigung. Grund sind vor allem die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine.

Doch die vielen Neuankommenden stoßen dem Bündnis zufolge auf zu wenig Wohnraum. Zudem stockt der Wohnungsbau, weil sich viele Menschen das Bauen angesichts gestiegener Zinsen und teurer Materialien nicht mehr leisten können.

Der Mangel ist enorm

«Es fehlen mindestens 700.000 Wohnungen in Deutschland», betonte Siebenkotten. «Und wir müssen davon ausgehen, dass diese Zahl weiter steigt.» Zum Vergleich: 2021 wurden rund 306.000 Wohnungen fertiggestellt, offizielle Zahlen des Statistischen Bundesamts für das vergangene Jahr liegen noch nicht vor.

Mangel herrscht demnach vor allem an bezahlbarem Wohnraum. Das ursprüngliche Ziel der Bundesregierung sieht den jährlichen Bau von rund 400.000 Wohnungen vor, 100.000 davon sollen Sozialwohnungen sein. Würden diese Einheiten tatsächlich gebaut werden, könnte das Problem aus Sicht des Bündnisses bereits in vier bis fünf Jahren behoben sein. Doch auf Basis der Auftragsstudie von ARGE und Pestel-Institut gehen die Verbände und Gewerkschaften davon aus, dass etwa im vergangenen Jahr lediglich rund 20.000 Sozialwohnungen genehmigt worden sind.

«Die Bundesregierung ist nicht allein Schuld an dieser Misere», betonte Siebenkotten. Der Ukraine-Krieg habe die Energie- und damit auch die Produktions- und Baukosten in ungeahnte Höhen getrieben. Was es deshalb brauche, seien vor allem mehr Fördergelder und finanzielle Anreize.

50 Milliarden Euro Sondervermögen gefordert

Das Bündnis, an dem neben dem Mieterbund auch die Industriegewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt (IG BAU), die Caritas, der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel sowie die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau beteiligt sind, fordert angesichts der Krise ein Sondervermögen in Höhe von 50 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau.

Rund drei Viertel der Summe solle der Bund aufbringen, den Rest die Länder. «Und das möglichst rasch», hieß es. Neben dem Sondervermögen müsse die Regierung die Mehrwertsteuer für den sozialen Wohnungsbau von 19 auf sieben Prozent senken. Es brauche außerdem mehr Tempo bei der Bearbeitung von Förderanträgen – was auch mit der mangelnden Digitalisierung der kommunalen Behörden zusammenhänge – sowie schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren.

Zuspruch bekam das Bündnis am Donnerstag unter anderem aus der Baubranche. «Die Studie muss eine letzte Warnung an die Politik sein, endlich zu handeln und der Wohnungswirtschaft Vertrauen für neue Investitionen zu geben», teilte der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, Tim-Oliver Müller, mit.

Bestandsnutzung vs. Neubau

Dass mehr gebaut werden muss, stellt kaum jemand infrage. Diskussionen gibt es jedoch um das Wie und Wo. Der Bausektor gehört zu den größten CO2-Emittenten in Deutschland. Neubauten gehen aus Sicht von Umweltverbänden zu häufig mit Flächenversiegelung einher. Sie fordern deshalb, stärker den Wohnungsausbau im Bestand sowie die Umwidmung von Büro- in Wohngebäude in den Blick zu nehmen. Eine ältere Studie des Pestel-Instituts und der TU Darmstadt aus dem Jahr 2019 sieht darin ein Potenzial für bis zu 1,5 Millionen zusätzlicher Wohnungen.

Umweltschutz und der Kampf gegen Wohnraummangel seien insofern «in Teilen» in Einklang zu bringen, sagte der Chef des Pestel-Instituts, Matthias Günther, am Donnerstag. Was es darüber hinaus brauche, sei der schnellere Ausbau an regenerativen Energien, um insbesondere den Energieverbrauch von Bestandsbauten klimaneutral zu decken.

Die Deutsche Umwelthilfe kritisierte am Donnerstag zudem die häufige Praxis, Gebäude abzureißen und neuzubauen, anstatt die Bauten ressourcenschonend zu sanieren. «Es ist angesichts der enormen Belastung von Klima und Ressourcen und dem hohen Bedarf nach bezahlbarem Wohnraum geradezu abstrus, dass die Bauministerien der Länder Gebäudeabrisse nicht an ökologische Kriterien koppeln und freien Lauf lassen», teilte DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz mit.

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Mieterbund fordert Entlastungspaket

Berlin (dpa) – Angesichts der Preisexplosion bei Energie fordert der Deutsche Mieterbund die Bundesregierung zu einem Entlastungspaket für Mieterinnen und Mieter auf. So verlangt der Verband ein Kündigungsmoratorium.

Es müsse sichergestellt werden, dass niemandem gekündigt werden dürfe, der wegen stark gestiegener Heizkosten seine Nebenkostenabrechnung oder hohe Preisanpassungen nicht fristgerecht bezahlen könne.

Außerdem müsse es für alle einkommensschwachen Haushalte einen dauerhaften Heizkostenzuschuss geben. Das Wohngeld solle erhöht werden. Durch einen Gaspreisdeckel könne gesetzgeberisch ausgeschlossen werden, dass die Endkundenpreise ins Unermessliche stiegen. Zudem fordert der Mieterbund, dass Strom- und Gassperren verhindert und Mieterhöhungen stärker begrenzt werden.

Warnungen ernst nehmen

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin: «Die Warnungen des Mieterbunds müssen wir ernst nehmen.» Mieterinnen und Mieter drohten extreme Energiepreissteigerungen im Herbst und Winter, nachdem die Preise für Gas und Strom ja bereits gestiegen sind.

Mast sagte: «Wir müssen verhindern, dass Menschen auf der Straße landen, weil sie ihre Nebenkosten nicht mehr zahlen können.» Dafür müssten alle Hebel in Bewegung gesetzen werden. «Wir stehen an der Seite des Mieterinnen und Mieter», versprach die SPD-Politikerin.

Die absolute Mehrheit der Mieter beziehe Gas als Heizenergie und wäre von den Tariferhöhungen direkt betroffen, so der Mieterbund. Dies würde entweder über eine sofortige Vertragsanpassung bei Gas-Etagenheizungen passieren oder im Rahmen der Nebenkostenabrechnung durch erhöhte Voraus- beziehungsweise Nachzahlungen an den Vermieter. Dieses Szenario drohe, wenn die Bundesnetzagentur eine erhebliche Reduzierung der Gasimportmenge feststelle.

Gaslieferungen durch Nord Stream gedrosselt

Russland hatte Gaslieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream gedrosselt. Am 11. Juli beginnt eine jährliche, zehntägige Wartung der Pipeline. Fraglich ist, ob Russland den Gashahn danach wieder aufdreht.

Der Mieterbund warnt, die Folgen einer sofortigen Marktpreisanpassung seien unabsehbar und müssten rechtlich geregelt und sozial abgefedert werden. Im Falle einer Preisanpassungsklausel müssten weitergegebene Kosten reguliert werden. Ansonsten drohten soziale Verwerfungen.

 

 

 

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Mieterbund dringt auf schnelle Entlastung für Mieter

Berlin (dpa) – Angesichts drohender Mieterhöhungen dringt der Mieterbund auf Entlastungen für Haushalte.

«Wir brauchen Begrenzungswerkzeuge. Die Ampel-Koalition muss endlich ihr angekündigtes Vorhaben, die Kappungsgrenze von 15 auf 11 Prozent abzusenken, umsetzen», sagte der Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB), Lukas Siebenkotten, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Nach üblichen Mietverträgen darf die Miete derzeit höchstens um 20 Prozent in drei Jahren steigen, in Städten mit Wohnungsmangel um 15 Prozent. SPD, Grüne und FDP haben im Koalitionsvertrag vereinbart, diesen Wert auf 11 Prozent zu senken. Weiterlesen

Heizkosten: Mieterbund mahnt Entlastungen für Mieter an

Berlin (dpa) – Der Deutsche Mieterbund hat die Politik zu Entlastungen der Mieter bei den Heizkosten aufgefordert.

Vor einer Abstimmung des Bundesrats über eine neue Heizkostenverordnung sagte Bundesdirektorin Melanie Weber-Moritz der Deutschen Presse-Agentur, leider sei im Rahmen der Anpassung versäumt worden, die einseitige Umlage der CO2-Bepreisung auf die Mieterinnen und Mieter zu beenden. «Das führt gerade für Mieterhaushalte in unsanierten Gebäuden zu deutlich höheren Heizkosten» Weiterlesen

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