UN-Beauftragte: Einsatz von internationaler Truppe in Haiti

Port-au-Prince/New York (dpa) – Die neue UN-Sonderbeauftragte für Haiti, María Salvador, hat vor dem UN-Sicherheitsrat für den Einsatz einer internationalen Truppe in dem gewaltgeplagten Karibikstaat geworben.

Das Land erlebe eine der schlimmsten Menschenrechtskrisen seit Jahrzehnten und eine beispiellos dramatische Sicherheitslage, in deren Zuge sich Gewalt auch in der Region ausbreiten könne, sagte sie gestern in ihrem ersten Bericht an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York, seit sie vor wenigen Wochen das Amt übernahm. Die Zeit dränge und die Haitianer verdienten es, dass der UN-Sicherheitsrat dringend handele.

Haiti leidet unter Kämpfen zwischen zahlreichen Banden, die nach Schätzung der UN inzwischen etwa 80 Prozent der Hauptstadt Port-au-Prince unter ihrer Kontrolle haben. Die Interimsregierung, die seit der Ermordung des Staatspräsidenten Jovenel Moïse im Juli 2021 an der Macht ist, bat Anfang Oktober um Hilfe durch eine bewaffnete internationale Truppe – die kam bislang nicht. Weiterlesen

Vodou in Haiti: Die dämonisierte Volksreligion

Von Nick Kaiser, dpa

Port-au-Prince (dpa) – Am Abend des 14. August 1791 trafen sich in einem Wald in Haitis Bergen Sklaven von den umliegenden Plantagen zu einer Zeremonie ihrer Religion Vodou (früher Voodoo geschrieben). Nach überlieferten Schilderungen opferte die Priesterin Cécile Fatiman dem Geist Ezili Dantor ein schwarzes Schwein. Der Priester Dutty Boukman rief dazu auf, sich an den weißen Sklaventreibern zu rächen.

Für viele Haitianer ist die nach dem Ort des Geschehens benannte Bois-Caïman-Zeremonie der wahre Start der Revolution, die Tage später ausbrach und 1804 in Haitis Unabhängigkeit mündete.

100 Prozent Vodou-Anhänger

In Haiti, so ein oft bemühter Spruch, sind 70 Prozent der Menschen Katholiken, 30 Prozent Evangelen und 100 Prozent Vodou-Anhänger – so zentral ist der Glaube als Volksreligion für ihr Selbstverständnis. Dennoch wurde Vodou erst vor 20 Jahren in dem Karibikstaat offiziell als Religion anerkannt. Vor 20 Jahren, am 7. April 2003 – zum 200. Todestag des Freiheitskämpfers Toussaint L’Ouverture – verfügte der damalige haitianische Präsident Jean-Bertrand Aristide die rechtliche Gleichstellung des Vodou mit den christlichen Konfessionen.

Seitdem trauten sich die Menschen in Haiti etwas mehr, öffentlich über Vodou zu sprechen, sagt Kyrah Malika Daniels, Assistenzprofessorin für Afro-Amerika-Forschung an der Emory University in den USA. «Aber im Großen und Ganzen wird die Religion nach wie vor unglaublich entwertet, dämonisiert und missverstanden.» Die Anhänger würden von der Polizei schikaniert.

Naturgeister und Heilige

Im 17. und 18. Jahrhundert wurden Hunderttausende Afrikaner als Sklaven nach Haiti verschleppt. In Westafrika, in der Gegend des heutigen Benin, hatte der Vodou seinen Ursprung. Auf den Zuckerrohrplantagen Haitis mussten die Sklaven ihren Kult tarnen, weil die weißen Herrscher das Christentum unter ihnen durchzusetzen versuchten. So entstand ein sogenannter Synkretismus: die Vermischung zweier Religionen. Heute entspricht fast jedem der Naturgeister im Vodou – den «Loa» – ein katholischer Heiliger.

Dass in Haiti durch die Sklavenrevolution die erste von Schwarzen geführte Republik der Welt entstand, wurde in der weißen Welt als Bedrohung aufgefasst. Haiti wurde als Land blutdürstiger Teufel dargestellt, nicht zuletzt in Hollywood – der Begriff «Zombies» kommt vom haitianischen Vodou-Glauben.

Aber auch im unabhängigen Haiti hatte die Religion einen schweren Stand. Anführer des Aufstands konnten nach weit verbreitetem Glauben zu Gottheiten werden, wie der emeritierte Afrikanistik-Professor und Mitherausgeber des «Journal of Haitian Studies» in den USA, Patrick Bellegarde-Smith – selbst ein Vodou-Priester – im Buch «Fragments of Bone» schreibt: «Sobald sie jedoch an der Macht waren, verboten die Generäle/Präsidenten aus Angst vor der nachgewiesenen Macht der Religion diese, um ihren eigenen Machterhalt zu sichern oder um die (europäische) Weltöffentlichkeit zu beschwichtigen.»

Noch heute werden laut Daniels Vodou-Anhänger dämonisiert und verfolgt. Insbesondere haitianische Protestanten fühlten sich durch diese bedroht. Sie verweist auf einen Bericht, dem zufolge nach dem verheerenden Erdbeben von 2010 Vodou-Anhänger, die mit Gesang die Geister um Hilfe baten, niedergeschrien wurden. Man habe ihnen vorgeworfen, das Beben ausgelöst zu haben, sagt Daniels. «Als wir 2021 im Süden des Landes noch ein schweres Erdbeben hatten, waren die Leute wieder schnell dabei, dem Vodou die Schuld zuzuschieben.»

Zunehmend neue Anhänger findet die Religion laut Bellegarde-Smith in den USA unter jungen Menschen haitianischer Herkunft. Er führt das auf einen Stolz auf die haitianische Identität in Abgrenzung zu anderen Einwanderergruppen zurück. Dutzende Vodou-Priester und Priesterinnen hätten heute Doktortitel und lehrten an US-Hochschulen, sagt er der Deutschen Presse-Agentur. «Vodou geht als Natur-, Traditions-, Stammes- und indigene Religion über die Grenzen einer Religion hinaus, es verankert ein nationales Ethos.»

Weiterlesen

Knapp drei Dutzend Cholera-Tote im Krisenstaat Haiti

Port-au-Prince (dpa) – Fast drei Dutzend Todesfälle haben die Gesundheitsbehörden im karibischen Krisenstaat Haiti nach dem jüngsten Cholera-Ausbruch gemeldet – nun kündigte die Pan-Amerikanische Gesundheitsorganisation (PAHO) Hilfe an.

Die PAHO habe das haitianische Gesundheitsministerium und internationale Partner bei der Einrichtung von Cholera-Behandlungszentren in den betroffenen Gebieten unterstützt, sagte PAHO-Direktorin Carissa Etienne in einem Video. Weiterlesen

1,5 Millionen Menschen von Bandenkämpfen in Haiti bedroht

Port-au-Prince (dpa) – Bei Bandenkämpfen in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince sind Berichten zufolge binnen fünf Tagen mindestens 89 Menschen getötet worden. Weitere 16 Menschen würden vermisst, zudem gebe es 74 Verletzte, berichteten haitianische Medien unter Berufung auf die Menschenrechtsorganisation RNDDH. Mindestens 127 Häuser seien in Brand gesteckt oder zerstört worden.

Nach einer Mitteilung der Organisation Ärzte ohne Grenzen waren in dem Stadtteil Cité Soleil Tausende Menschen ohne Trinkwasser, Nahrung und medizinische Versorgung eingeschlossen. Das örtliche UN-Büro twitterte, insgesamt könnten sich in der Stadt 1,5 Millionen Menschen wegen Bandengewalt nicht mehr frei bewegen. Humanitären Helfern müsse sofort Zugang zu ihnen gewährt werden, um Nothilfe zu leisten.

Seit vergangenem Freitag kämpfen in Cité Soleil – einer großen, dicht besiedelten Armensiedlung am Rande von Port-au-Prince – schwer bewaffnete Banden gegeneinander um Territorium. Solche Kämpfe im Großraum der Hauptstadt haben seit mehr als einem Jahr die ohnehin schwierige Sicherheitslage in dem ärmsten Land des amerikanischen Kontinents bedeutend verschlechtert. Tausende Menschen mussten ihr Zuhause verlassen, es kam zu Versorgungsengpässen. Allein zwischen dem 24. April und dem 6. Mai kosteten Bandenkämpfe nach einem RNDDH-Bericht 191 Menschen das Leben, darunter acht Kinder.

«Ärzte ohne Grenzen ruft die bewaffneten Gruppen auf, den Schutz der Zivilbevölkerung zu wahren und humanitären Organisationen zu ermöglichen, auf die dringenden Bedürfnisse der Bevölkerung zu reagieren», hieß es am Mittwoch in einem Appell der Organisation. «Entlang der einzigen Straße nach Brooklyn (ein Teil der Cité Soleil) sind wir auf Leichen gestoßen, die verwest oder verbrannt sind», schilderte der Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen, Mumuza Muhind. «Die Menschen haben weder Zugang zu Wasser noch zu Strom und Latrinen, und medizinische Versorgung wird dringend benötigt.»

 

 

 

Weiterlesen

Sturm «Grace» nähert sich Haiti nach Erdbeben-Katastrophe

Saint-Louis-du-Sud (dpa) – Die Zahl der Todesopfer nach dem Erdbeben auf Haiti steigt weiter stark an – nun drohen heftige Regenfälle und Sturm auch noch die verzweifelte Suche nach Überlebenden zu erschweren. 1297 Tote meldete der Zivilschutz des Landes auf Twitter.

Befürchtet wird eine noch höhere Zahl, weil Tausende Gebäude zerstört wurden. Menschen wurden unter eingestürzten Wohnhäusern, Hotels, Schulen, Kirchen begraben. Bergungsarbeiten und Hilfsmaßnahmen sind angelaufen. Nun könnte bereits am Montag ein tropisches Tief das Katastrophengebiet treffen. Weiterlesen

Schweres Erdbeben erschüttert Haiti

Saint-Louis-du-Sud (dpa) – Ein schweres Erdbeben der Stärke 7,2 hat am Samstagmorgen den Karibikstaat Haiti erschüttert. Zwar wurden zahlreiche Todesopfer und große Zerstörung befürchtet, das genaue Ausmaß war allerdings zunächst noch unklar.

Örtliche Medien berichteten vor allem im Süden des Landes von mehreren Toten und zerstörten Gebäuden. Das Beben hatte sich am Samstag gegen 8.30 Uhr einige Kilometer von der südlichen Gemeinde Saint-Louis-du-Sud und etwa 125 Kilometer westlich der Hauptstadt Port-au-Prince in einer Tiefe von rund zehn Kilometern ereignet. Es weckt böse Erinnerungen an das verheerende Erdbeben im Jahr 2010, das mehr als 200.000 Menschenleben forderte. Weiterlesen

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen