Streitfall Oder – Verwundeter Fluss vor neuer Katastrophe?

Von Doris Heimann und Monika Wendel, dpa

Berlin/Potsdam/Warschau (dpa) – Ein Reiseanbieter wirbt mit unberührter Wildnis am naturbelassenen Fluss für Kanutouren auf der Oder. Doch das idyllische Bild ist beschädigt, seit dort im August massenhaft Fische starben. Um die 350 Tonnen Kadaver sollen es gewesen sein. Und schlimmer noch: Das Drama kann sich ein Jahr später wiederholen, befürchten deutsche Politiker und Gewässerexperten nach Untersuchungen von Wasserproben.

Es herrscht nach wie vor Alarmstimmung, jedoch keine Einigkeit mit Polen darüber, wie der verwundete Grenzfluss therapiert werden kann.

Eine in Deutschland einzigartige Auenlandschaft, der Nationalpark Unteres Odertal in der brandenburgischen Uckermark, ist zum Ort für eine Tragödie geworden. Das grenzüberschreitende Schutzgebiet gilt als Paradies für Wasservögel als Brut-, Rast- und Überwinterungsplatz. Im Frühjahr und Herbst reisen Natur-Fans an, die den Durchzug Tausender Enten, Gänse oder Kraniche beobachten wollen. Die Sorge ist groß, dass das Fischsterben auch für Seeadler, Kormorane, Fischotter und Eisvögel Folgen hat und die Artenvielfalt bedroht ist.

Fischbestände über alle Arten hinweg drastisch reduziert

«Von einer Erholung der Oder kann definitiv keine Rede sein», bilanziert das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB). Die menschengemachte Umweltkatastrophe habe die Fischbestände über alle Arten hinweg drastisch reduziert. Konfliktstoff steckt vor allem im Ausbau des Flusses, den das Nachbarland zum Ärger deutscher Umweltpolitiker vorantreiben will. Vor Gericht in Warschau erreichten Umweltschützer nun vorerst einen Stopp von Bauarbeiten am Oderufer.

Trotz der Querelen betonen deutsche Regierungspolitiker immer wieder, dass sie den Austausch mit Polen suchen. 2023 solle es Workshops geben, sagt Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) kündigt eine Konferenz an, für die es aus Polen positive Signale gebe. «Das, was sich im Jahr 2022 in der Oder ereignet hat, darf sich nicht wiederholen», sagt der Regierungschef.

Experte: Erholung der Bestände dauert einige Jahre

«Jetzt gibt es noch die Möglichkeit dafür, entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Aber das Zeitfenster wird immer enger», meint der Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder), René Wilke (Linke). In seiner Region und vor allem im artenreichen Naturpark Unteres Odertal ist die Sorge groß. Berufsfischer in Brandenburg pausieren derzeit, um den Fischbestand nicht noch weiter auszudünnen. «Insgesamt werden die Bestände jedoch noch einige Jahre benötigen, um sich zu erholen – wenn sie die Chance dazu bekommen», teilte der Gewässerexperte Christian Wolter vom IGB mit.

In Polen ist das Fischsterben aus der öffentlichen Debatte verschwunden. Ende September hatte eine Expertengruppe ihren Bericht vorgestellt. Der bestätigte die Thesen der deutschen Seite, wonach die Ursache höchstwahrscheinlich die toxische Wirkung einer Algenblüte war. Fazit: «Multikausale Zusammenhänge» hätten zur Katastrophe geführt. Knackpunkt sind aus deutscher Sicht wahrscheinlich hohe Salzeinleitungen in die Oder. Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne) fordert bislang vergeblich, Polen müsse diese offenlegen. «Die Oder ist gestorben, Schuldige gibt es nicht», titelte die Zeitung «Gazeta Wyborcza».

Polens nationalkonservative PiS-Regierung ziehe keine Konsequenzen aus der Umweltkatastrophe, kritisiert Radoslaw Gawlik vom Bündnis «Retten wir die Flüsse». «Die Regierung versucht nicht, die Ursachen des Fischsterbens, also die Verschmutzung des Flusses durch Salzeinleitungen, die wahrscheinlich aus dem Bergbau stammen, wirklich zu bekämpfen.» Trotz der Gefahr, dass sich die Umweltkatastrophe wiederhole, verfolge die Regierung in Warschau vielmehr weiterhin das Ziel, die Oder noch stärker zu regulieren, klagt Gawlik.

Antideutsche Propaganda

PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski nutzt den geplanten Ausbau der Oder für antideutsche Propaganda. «Die Oder muss ein schiffbarer, regulierter Fluss sein», sagte er kürzlich in einem Fernsehinterview. Wenn es Proteste aus Deutschland gebe, dann liege das daran, dass die Deutschen in Polen Gebiete schaffen wollten, die sie als Freilichtmuseum nutzen könnten. «Die wirtschaftliche Entwicklung Polens ist, gelinde gesagt, nicht das Ziel Deutschlands», sagte Kaczynski.

Es bleibt fraglich, ob die Mahnungen der Fachleute Gehör finden. Der Ausbau der Oder mit Maßnahmen zur Vertiefung fördere Niedrigwasserstände und damit auch die Massenentwicklung der giftigen Alge, warnt das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei. Nötig sei genau das Gegenteil: die Renaturierung. Ein Verwaltungsgericht in Warschau jedenfalls stoppte einstweilen Bauarbeiten zum Flussausbau, denn irreversible Umweltschäden seien nicht ausgeschlossen.

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Bericht zu Oder-Fischsterben lässt Fragen offen

Berlin (dpa) – Der Abschlussbericht deutscher Experten zum massenhaften Fischsterben in der Oder lässt die Frage nach dem genauen Verursacher der Katastrophe weiter offen. Die Forscher einer Nationalen Expertengruppe unter Leitung des Umweltbundesamts legten am Freitag die Ergebnisse ihrer Analysen vor und bestätigten darin die massive Ausbreitung einer giftigen Alge als wahrscheinlichste Ursache der Umweltkatastrophe. Welche Quelle jedoch zu der ungewöhnlich hohen Salzkonzentration im Wasser geführt hatte, die die Vermehrung der Giftalge begünstigte, bleibe «mangels verfügbarer Informationen» unklar, hieß es am Freitag. Weiterlesen

Polnische Experten: Giftige Alge war Grund für Fischsterben

Warschau (dpa) – Polnische Wissenschaftler haben die These bestätigt, dass eine giftige Alge das Fischsterben in der Oder ausgelöst hat. Ein erneutes Auftreten der Algenart Prymnesium parvum in den kommenden Jahren sei möglich, warnten die Experten in Warschau bei der Vorstellung eines vorläufigen Berichts.

Sie empfahlen, die Wasserqualität künftig systematisch zu kontrollieren und die Genehmigungen für Betriebe zum Einleiten von Abwasser zu überprüfen. Am Freitag will das deutsche Bundesumweltministerium die Abschlussergebnisse der deutschen Seite veröffentlichen.

Das polnische Umweltministerium hatte eine Gruppe von 49 Experten aus 14 Forschungsinstituten damit beauftragt, den Ursachen der Umweltkatastrophe auf den Grund zu gehen. «Der Grund für das Fischsterben war höchstwahrscheinlich die toxische Wirkung einer Algenblüte», sagte die Wasserbiologin Agnieszka Kolada vom Institut für Umweltschutz. Weiterlesen

Umweltschützer protestieren mit Kanus gegen Oder-Ausbau

 Letschin (dpa) – Umweltschützer haben zum Internationalen Tag der Flüsse in Kienitz bei Letschin (Märkisch-Oderland) gegen den Ausbau der Oder protestiert. Mit Kanus und Transparenten waren sie am Hafen von Kienitz auf dem deutsch-polnischen Grenzfluss unterwegs.

Im August war es in der Oder zu einem massenhaften Fischsterben gekommen. «Um weiteren Katastrophen vorzubeugen, müssen wir gemeinsam den Oderausbau beenden und in die Durchführung des Schutzes und der Renaturierung der gesamten Oder investieren sowie giftige Einleitungen untersagen», forderte der Initiator der Protestaktion, Norbert Bartel. Weiterlesen

Umweltministerin rechnet mit langfristigen Schäden für Oder

Berlin/Frankfurt (Oder) (dpa) – Bundesumweltministerin Steffi Lemke erwartet für die Oder angesichts des großen Fischsterbens langfristige Schäden. «In der Oder als Ökosystem entstand weit größerer Schaden als das Fischsterben allein. Die ersten Untersuchungsergebnisse lassen befürchten, dass es gravierendere Schäden geben könnte», sagte die Grünen-Politikerin im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. «Die Ursachen sind noch nicht endgültig geklärt. Aber ich würde schon das Fazit ziehen, dass es sich um eine menschengemachte Gewässerverschmutzung handelt – vermutlich in Kombination mit der Hitze, die niedrige Wasserstände und hohe Wassertemperaturen verursachte.» Weiterlesen

Mehr Hinweise auf Algengift als Grund für Fischsterben

Berlin/Warschau (dpa) – Im Rätsel um das massive Fischsterben in der Oder verdichten sich aus Sicht von Experten die Hinweise, dass die Tiere an einem von Algen produzierten Gift verendet sind. Die Bundesregierung wies am Montag polnische Vorwürfe zurück, Deutschland verbreite «Fake News» (Falschnachrichten) zu den möglichen Ursachen der Umweltkatastrophe. Die Regierung in Warschau warf der deutschen Seite vor, sie habe nicht genug Ölsperren zum Auffangen der verendeten Fische errichtet. Weiterlesen

Schwierige Ursachenforschung zum Fischsterben

Potsdam (dpa) – Die Suche nach der Ursache für das massenhafte Fischsterben in der Oder dauert weiter an. Das Landeslabor Berlin-Brandenburg (LLBB) untersucht nach Angaben des Brandenburger Umweltministeriums weiterhin Wasserproben verschiedener Tage und Messpunkte sowie Fische.

Die Ursachenforschung gestalte sich auch deshalb schwierig, weil Informationen – auch von polnischer Seite – zu eventuellen Einleitungen oder konkreten Anlässen für die Umweltkatastrophe weiter fehlten, hatte das Ministerium am Mittwochabend mitgeteilt.

Laufende Untersuchungen hätten bisher keine eindeutigen Belege für eine singuläre Ursache für das Fischsterben in der Oder ergeben, teilte das Ministerium weiter mit. Bislang zeigten Analyseergebnisse keine besonders hohen Werte für Metalle wie etwa Quecksilber. Weiterlesen

Fischsterben in Oder setzt Polens PiS-Regierung unter Druck

Umweltverschmutzung
Von Doris Heimann, dpa

Warschau (dpa) – Ein polnischer Regierungschef, der erst mit zwei Wochen Verspätung von dem Fischsterben in der Oder erfährt. Seine Umweltministerin, die nicht sagen will, an welchem Tag sie über die Katastrophe informiert wurde. Und der Leiter der Gebietsverwaltung Niederschlesien, der in Ruhe Urlaub macht, während daheim die Helfer massenhaft verendete Fische aus dem Fluss bergen. Polens nationalkonservative PiS-Regierung hat ihr Krisenmanagement beim Umgang mit dem Fischsterben gründlich vermasselt.

Die Ursache für die Umweltkatastrophe in Polens zweitlängstem Fluss ist noch ungeklärt. Aber nicht nur im Nachbarland Deutschland beklagen Politiker die schlechte Informationspolitik polnischer Behörden. Auch im Land selbst wächst der Unmut über die PiS-Regierung. Die Opposition, Naturschützer und Bürger werfen ihr Passivität und Arroganz der Macht vor. Weiterlesen

Bange Blicke auf Stettiner Haff nach Fischsterben

Stettin (dpa) – Rund eine Woche nach Bekanntwerden des massenhaften Fischsterbens in der Oder richten sich die Blicke mehr und mehr auf den Mündungsbereich vor der Ostsee.

Man setze alles daran, dass kein toter Fisch im Stettiner Haff ankomme, hatte der Umweltminister von Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus (SPD), gesagt. Mit Stand Dienstag seien im deutschen Teil des Haffs keine toten Fische gesichtet worden. Die Oder fließt in das Stettiner Haff, durch das die Grenze von Deutschland und Polen verläuft, und von dort aus in die Ostsee. Weiterlesen

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