EuGH kippt deutsche Regelung zu Kindergeld für Zuzügler

Luxemburg (dpa) – Der Europäische Gerichtshof hat mehrere deutsche Regelungen zum Umgang mit Flüchtlingen und Migranten gekippt. Die höchsten europäischen Richter erklärten in Luxemburg eine Regel zum Nachzug von Familienangehörigen von Flüchtlingen sowie Einschränkungen von Kindergeldleistungen für Zuzügler aus anderen EU-Staaten für rechtswidrig.

In einem weiteren Fall mit Deutschlandbezug wurden die Rechte minderjähriger Flüchtlinge gestärkt, die einen Antrag auf internationalen Schutz stellen. Weiterlesen

Italien darf Rettungsschiffe nicht grundlos kontrollieren

Luxemburg (dpa) – Italienische Behörden dürfen Rettungsschiffe wie die der deutschen Hilfsorganisation Sea-Watch nicht ohne Anhaltspunkte für eine Gefahr in ihren Häfen kontrollieren. Das geht aus einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs hervor. Die EU-Regeln zu den Kontrollen eines Hafenstaats seien auch auf Schiffe humanitärer Organisationen anwendbar, urteilten die Richter am Montag in Luxemburg (Rechtssachen C-14/21 und C-15/21). Weiterlesen

Verarbeiten von Fluggastdaten nur in engen Grenzen möglich

Luxemburg (dpa) – Das Verarbeiten von Fluggastdaten durch die EU-Staaten muss nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs auf das für den Kampf gegen Terror absolut Notwendige beschränkt werden.

Zudem machte das europäische Höchstgericht in dem Urteil vom Dienstag deutlich, dass die Verarbeitung der Daten bei Flügen innerhalb der EU gegen EU-Recht verstoße, sofern keine Terrorgefahr bestehe (Rechtssache C-817/19). Weiterlesen

Booking.com droht Niederlage vor deutschem Gericht

Luxemburg (dpa) – Der Internet-Plattform Booking.com droht in einem Rechtsstreit über die Online-Buchung von Hotelzimmern eine Niederlage vor einem deutschen Gericht.

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg stellte am Donnerstag in einem Urteil klar, dass Verbraucher beim Abschließen einer Buchung anhand der entsprechenden Schaltfläche eindeutig verstehen müssten, dass sie eine Zahlungsverpflichtung eingehen. Booking.com verwendet dafür die Formulierung «Buchung abschließen». Die Richter erklärten, dass nun das deutsche Gericht prüfen müsse, ob der Begriff «Buchung» im deutschen Sprachgebrauch und der Vorstellung des Verbrauchers mit einer Zahlungsverpflichtung in Verbindung gebracht werde. Weiterlesen

EuGH-Urteil zu Polen: Eine Million Euro Zwangsgeld pro Tag

Streit um Justizreform
Von Ansgar Haase und Doris Heimann, dpa

Luxemburg (dpa) – Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Polen zur Zahlung eines täglichen Zwangsgeldes in Höhe von einer Million Euro verurteilt.

Grund für den Schritt ist nach einer Gerichtsmitteilung vom Mittwoch die bisherige Weigerung des Landes, höchstrichterliche Entscheidungen zu umstrittenen Justizreformen umzusetzen.

Konkret geht es dabei insbesondere um die Anordnung, die Arbeit der umstrittenen Disziplinarkammer zur Bestrafung von Richtern zu stoppen. Die Tätigkeit ist nach EuGH-Entscheidungen nicht mit EU-Regeln zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz vereinbar.

Die Einhaltung der Anordnung vom 14. Juli sei erforderlich, um einen «schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden» von der Rechtsordnung und den Werten der EU abzuwenden, ließ der Vizepräsident des Gerichtshofs am Mittwoch mitteilen. Das Zwangsgeld solle bewirken, dass Polen die Einhaltung nicht hinauszögere.

Empörung in Warschau

Ob die Maßnahmen wirklich ihren Zweck erfüllen, ist allerdings zweifelhaft. Die Regierung in Warschau reagierte empört auf die EuGH-Entscheidung und verurteilte sie als «Erpressung». «Der EuGH verachtet und ignoriert die polnische Verfassung und die Urteile des Verfassungsgerichts komplett», kommentierte Vize-Justizminister Sebastian Kaleta. «Das ist eine weitere Etappe der Operation, die Polen den Einfluss auf seine Staatsform wegnehmen soll. Das ist Usurpation und Erpressung»

Der Fraktionschef der nationalkonservativen Regierungspartei PiS, Ryszard Terlecki, sagte auf die Frage, ob Polen nun täglich zahlenwerde: «Wir haben noch nichts gezahlt, also keine Panik»

Regierungschef Mateusz Morawiecki hatte bereits Anfang der Woche in einem Interview der «Financial Times» gewarnt, sein Land werde nicht «mit der Pistole am Kopf» über seine Justizreformen verhandeln. Der für die Verfahren gegen Polen zuständigen EU-Kommission warf er sogar vor, einen «Dritten Weltkrieg» gegen sein Land zu erwägen. «Wenn sie den Dritten Weltkrieg beginnen, werden wir unsere Rechte mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen», sagte er.

Milliardenschwere Hilfen werden blockiert 

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte zuvor deutlich gemacht, dass sie milliardenschwere Corona-Hilfen für Polen so lange blockieren will, bis das Land entscheidende Justizreformen rückgängig gemacht hat. Hintergrund dieser Ankündigung war ein Urteil des polnischen Verfassungsgerichts, nach dem Teile des EU-Rechts nicht mit Polens Verfassung vereinbar sind.

Diese Entscheidung wird von der EU-Kommission als höchst problematisch angesehen, weil sie der polnischen Regierung einen Vorwand geben könnte, ihr unliebsame Urteile des EuGH zu ignorieren. Bei Finanzangelegenheiten sitzt die EU-Kommission allerdings am längeren Hebel. So ist Polen der größter Netto-Empfänger. Aus dem regulären EU-Haushalt erhielt das Land allein im vergangenen Jahr netto rund 12,4 Milliarden Euro. Zudem rechnet es in den kommenden Jahren mit rund 23,9 Milliarden Euro Corona-Hilfen.

Die jetzt verfügten Strafzahlungen könnte die EU-Kommission theoretisch einfach mit Auszahlungen verrechnen. Sie ist nämlich nicht nur für die Überwachung der Rechtsstaatlichkeit, sondern auch für die EU-Haushaltsführung verantwortlich.

Die jetzt vom EuGH erlassenen Finanzsanktionen waren von der Brüsseler Behörde am 9. September beantragt worden. «Die Justizsysteme in der gesamten Europäischen Union müssen unabhängig und fair sein», hatte von der Leyen damals kritisiert.

Disziplinarkammer verstößt laut EuGH gegen EU-Recht

Zuvor hatte der EuGH Mitte Juli entschieden, dass Polen mit der Disziplinarkammer gegen europäisches Recht verstößt. Zudem wurde das Land mit einer einstweiligen Anordnung aufgefordert, die Bestimmungen auszusetzen, mit denen die Disziplinarkammer ermächtigt wird, über Anträge auf Aufhebung der richterlichen Immunität sowie über Fragen zur Beschäftigung und Pensionierung von Richtern zu entscheiden. Der Beschluss betraf zudem noch weitere Bestimmungen des polnischen Rechts, die die Unabhängigkeit von Richter betreffen.

Polen hatte daraufhin angekündigt, dass die umstrittene Disziplinarkammer in ihrer derzeitigen Form abgeschafft werden soll. Die Kammer arbeitete aber weiter alte Fälle ab. Zuletzt hob sie am Mittwoch die Immunität eines ehemaligen Staatsanwalts auf, gegen den wegen möglicher Verstöße in kommunistischer Zeit ermittelt wird.

Die Kammer galt bislang als das Herzstück der von der PiS-Regierung initiierten Justizreformen. Sie kann jeden Richter oder Staatsanwalt entlassen. Kritiker befürchten, sie könne dazu dienen, Richter für unliebsame Entscheidungen zu maßregeln.

Bereits am 20. September war Polen wegen des Braunkohle-Abbaus Turow an der Grenze zu Sachsen vom EuGH zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Trotz einstweiliger EuGH-Anordnung vom Mai habe Warschau den Braunkohle-Abbau nicht gestoppt, hieß es damals in einer Anordnung der EuGH-Vizepräsidentin Rosario Silva de Lapuerta. Deshalb müsse Polen ab sofort für jeden Tag, an dem es der Anordnung nicht nachkomme, 500.000 Euro Strafe in den EU-Haushalt zahlen.

 

 

 

Klage gegen Nürburgringverkauf von EU-Gericht abgewiesen

Das Gericht der Europäischen Union (EuGH) in  Luxemburg bestätigt den Beschluss der Kommission über die staatliche Beihilfe Deutschlands zugunsten des Nürburgrings

Nürburgring - Skandal
Nürburgring – Skandal

Der im deutschen Bundesland Rheinland-Pfalz gelegene Nürburgring-Komplex umfasst eine Motorsport-Rennstrecke, einen Freizeitpark, Hotels und Restaurants. Zwischen 2002 und 2012 erhielten die öffentlichen Unternehmen, die Eigentümer des Nürburgrings waren (im Folgenden: Veräußerer), hauptsächlich von Seiten des Landes Rheinland-Pfalz Unterstützungsmaßnahmen für den Bau eines Freizeitparks, von Hotels und Restaurants sowie für die Ausrichtung von Formel-1-Rennen.

Diese Unterstützungsmaßnahmen waren Gegenstand eines von der Kommission im Jahr 2012 eingeleiteten förmlichen Prüfverfahrens. Im selben Jahr stellte das Amtsgericht Bad Neuenahr-Ahrweiler (Deutschland) die Zahlungsunfähigkeit der Veräußerer fest, und es wurde entschieden, ihre Vermögenswerte zu veräußern. Am 15. Mai 2013 wurde zum Zweck dieser Veräußerung ein Bietverfahren eingeleitet.

Nürburgring - Skandal
Nürburgring – Skandal

Am 5. April 2011 legte der Ja zum Nürburgring e. V., ein deutscher Motorsportverband, der die Wiederherstellung und Förderung einer Motorsport-Rennstrecke am Nürburgring zum Ziel hat, bei der Kommission eine erste Beschwerde in Bezug auf Beihilfen ein, die von Deutschland zugunsten der Nürburgring-Rennstrecke gezahlt worden waren. Am 23. Dezember 2013 legte er bei der Kommission eine zweite Beschwerde ein, in der er geltend machte, das Bietverfahren sei weder transparent noch diskriminierungsfrei. Der noch zu bestimmende Erwerber werde somit neue Beihilfen erhalten und für die Kontinuität der wirtschaftlichen Aktivitäten der Veräußerer sorgen, so dass sich die Anordnung der Rückforderung der von den Veräußerern empfangenen Beihilfen auf ihn erstrecken müsse.

Am 10. April 2014 legte die in den Vereinigten Staaten ansässige Gesellschaft NeXovation bei der Kommission eine Beschwerde ein, in der sie geltend machte, das Bietverfahren sei nicht offen, transparent, diskriminierungs- und bedingungsfrei gewesen und habe nicht dazu geführt, dass die Vermögenswerte des Nürburgrings zu einem marktgerechten Preis veräußert worden wären, da sie an einen lokalen Bieter, die Capricorn Nürburgring Besitzgesellschaft GmbH (im Folgenden: Capricorn), veräußert worden seien, deren Angebot unter dem ihrigen gelegen habe, aber im Bietverfahren bevorzugt worden sei.

Nürburgring - Skandal
Nürburgring – Skandal

Am 1. Oktober 2014 erließ die Kommission den Beschluss über die staatliche Beihilfe Deutschlands zugunsten des Nürburgrings. Darin stellte sie fest, dass bestimmte Unterstützungsmaßnahmen zugunsten der Veräußerer rechtswidrig und mit dem Binnenmarkt unvereinbar seien. Ferner entschied sie, dass Capricorn und ihre Tochtergesellschaften nicht von einer etwaigen Rückforderung der Beihilfen an die Veräußerer betroffen seien und dass die Veräußerung der Vermögenswerte des Nürburgrings an Capricorn keine staatliche Beihilfe darstelle. Die Kommission war nämlich der Auffassung, dass das Bietverfahren offen, transparent und diskriminierungsfrei durchgeführt worden sei, dass es zu einem marktgerechten Veräußerungspreis geführt habe und dass keine wirtschaftliche Kontinuität zwischen den Veräußerern und dem Erwerber bestehe.

NeXovation und der Ja zum Nürburgring e.V. haben beim Gericht der Europäischen Union Klagen gegen den Beschluss der Kommission erhoben. Mit ihren Klagen begehrten sie die Nichtigerklärung der Entscheidung, mit der die Kommission nach der Feststellung, dass keine wirtschaftliche Kontinuität zwischen den Veräußerern und dem Erwerber bestehe, entschieden hat, dass der Erwerber von einer etwaigen Rückforderung der Beihilfen an die Veräußerer nicht betroffen sei. Ferner begehrten sie die Nichtigerklärung der Entscheidung, mit der die Kommission festgestellt hat, dass die Veräußerung der Vermögenswerte des Nürburgrings an Capricorn keine staatliche Beihilfe darstelle.

Mit seinen Urteilen vom 19.06.2019 stellt das Gericht fest, dass die Klagen als teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet abzuweisen sind.

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