Weltkriegs-Bombe in der Feldstraße entschärft

Wittlich. Am Donnerstag, dem 2. August 2012 wurde bei Ausschachtungsarbeiten auf der Baustelle der Wohnanlage „Lieser Domizil“ ein Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden. Die 250 Kilogramm schwere Fliegerbombe amerikanischer Herkunft wurde wahrscheinlich Heiligabend 1944 über Wittlich abgeworfen und versank, ohne zu explodieren, im Randbereich der Lieser. Dort ruhte sie unbemerkt fast 68 Jahre lang. Nach einer ersten Begutachtung der Bombe ging der Kampfmittelräumdienst von einer sehr schwierigen Entschärfung aus, da der Zünder deformiert zu sein schien. Noch am Donnerstag wurde eine erste Lagebesprechung mit allen beteiligten Behörden, Organisationen und Fachdiensten durchgeführt. Dabei wurde schnell klar, dass im Radius von 500 Meter um den Fundort der Bombe rund 2.700 Menschen aus der gesamten Wittlicher Altstadt und den Wohngebieten rechts der Lieser evakuiert werden mussten. Für Wittlich war die vermutlich größte Evakuierungsaktion seit dem Zweiten Weltkrieg zu organisieren. 

Die Entschärfung wurde für Sonntag, 12 Uhr festgelegt. Der Sonntag wurde ausgewählt, weil an diesem Tag am wenigsten Personen von der Räumung betroffen waren. Die Geschäfte haben geschlossen, bei den Behörden und Betrieben wird nicht gearbeitet. Es gab auch keine sicherheitsrelevanten Bedenken, die Bombe drei Tage am Fundort liegen zu lassen. Bis zur Entschärfung wurde die Bombe durch Kräfte des THW, eines privaten Wachdienstes und tagsüber durch die Baufirma bewacht. Seitens der Stadtverwaltung, der Feuerwehr und den Rettungsdiensten wurde die Evakuierung und zwischenzeitliche Unterbringung von bettlägerigen, kranken und hilfebedürftigen Personen organisiert. Eine der größten Aufgaben war es, die Bevölkerung über die erforderlichen Maßnahmen zu informieren. Dies geschah nicht nur über Zeitung und Internet sondern auch persönlich an der Haustür. Kräfte der Freiwilligen Feuerwehr Wittlich besuchten am Freitagabend jeden Haushalt im Evakuierungsbereich, informierten die Bewohner und verteilten Handzettel. Das am Samstag eingerichtete Bürgertelefon wurde sehr rege genutzt. Es meldeten sich Bürger, welche eine Notunterkunft oder Hilfe bei der Evakuierung benötigten. Viele der Anrufer wollten wissen, ob ihr Haus im Sicherheitsbereich liegt oder ob sie zu Hause bleiben können. Ebenfalls am Samstag wurde durch die Rettungsdienste die Notunterkunft im Atrium des Cusanus-Gymnasiums hergerichtet.

Von der zeitweisen Räumung besonders betroffen waren die Cafes, Restaurants, Eisdielen  und Hotels in der Altstadt, die von 10 bis nach 12 Uhr schließen mussten. Reservierungen und familiäre Veranstaltungen in den Restaurants mussten abgesagt oder verlegt, die anreisenden Hotelgäste über die Sperrungen informiert werden.

1.700 Arbeitsstunden für acht Minuten Entschärfung

Der Sonntag begann für die 179 Helfer früh. In der Feuerwache Stadtmitte wurde bereits um 7 Uhr die Einsatzleitung aktiviert. Von dort aus wurden alle Maßnahmen koordiniert. Außerdem wurde in der Fahrzeughalle eine Notunterkunft eingerichtet. 75 Bürger, darunter viele Familien mit Kindern, nahmen diese Möglichkeit in Anspruch. Die Rettungsdienste (Malteser und Deutsches Rotes Kreuz) evakuierten insgesamt 140 Personen. Für die Versorgung der bettlägerigen Personen wurde eigens eine ganze Station im St. Elisabeth-Krankenhaus in Wittlich freigemacht. Hier wurden 32 Personen untergebracht. Im Atrium des Cusanus-Gymnasiums wurden 88 noch rüstige, ältere Menschen versorgt und betreut. Neben einem Gottesdienst mit Pfarrer Hartwig Honecker wurde durch eine Verpflegungseinheit der Malteser Mittagessen serviert. Bürgermeister Joachim Rodenkirch besuchte die evakuierten Personen in den Notunterkünften. Bei dieser Gelegenheit dankte er den Rettungsdiensten für deren Arbeit.

Die Evakuierungsmaßnahmen liefen größtenteils problemlos ab. Einige wenige Bürger weigerten sich zunächst ihr Zuhause zu verlassen. Die Polizei konnte diese jedoch schnell davon überzeugen, dass der Sicherheitsbereich aus eigenem Interesse verlassen werden musste. Pünktlich um 10 Uhr wurde das Gebiet abgesperrt. Insgesamt 20 Straßensperren wurden durch Polizei, Feuerwehr, THW, Straßenmeisterei und dem Servicebetrieb der Stadtwerke (Bauhof) errichtet. Der Luftraum über Wittlich wurde gesperrt. Danach wurde der Bereich noch einmal abgefahren und kontrolliert. Dabei bot sich den Einsatzkräften eine teils gespenstige Ruhe. So leer war Wittlichs Innenstadt noch nie.

Um 12 Uhr begann die Entschärfung. Währenddessen stand eine Einsatzbereitschaft der Feuerwehr Wittlich auf dem Edeka-Parkplatz bereit, um bei einem während der Sperrung des Sicherheitsbereichs eintretenden Notfall schnelle Hilfe leisten zu können. Das THW hielt im oberen Bereich der Gerberstraße ein Fahrzeug bereit um dem Kampfmittelräumdienst bei Bedarf weiteres Werkzeug zur Verfügung zu stellen. Die Männer des Kampfmittelräumdienstes Rheinland Pfalz, Dietmar Schmid und seine Kollegen Frank Rombach, Heiko Pargel und Jürgen Wagner entschärften die Bomben nahezu in Rekordzeit. Um exakt 12.08 Uhr klingelte in der Feuerwehreinsatzzentrale das Telefon: „Die Bombe ist entschärft“. Umgehend wurde die Evakuierung aufgehoben und die Sperrungen wieder abgebaut. Bürgermeister Joachim Rodenkirch gratulierte den Männern des Kampfmittelräumdienstes und bedankte sich für die gute Arbeit. Nachdem alle Personen aus den Notunterkünften wieder zuhause waren, endete der Einsatz auch für die letzten Hilfskräfte gegen 15.30 Uhr.

Die letzte Bombe in Wittlich wurde an Karfreitag 2011 entschärft. Die Splitterbombe wurde auf der Baustelle der Großsporthalle gefunden. Damals mussten nur rund 300 Personen ihre Wohnungen zeitweise verlassen. Auch diese Bombe wurde von Dietmar Schmid und seinem Team entschärft.

Daten und Fakten

Rund 2.700 Bürger mussten vorübergehend ihre Häuser und Wohnungen verlassen. Die Rettungsdienste betreuten in den Sammelstellen 195 Personen, davon 32 bettlägerige Menschen. Am Sonntag waren insgesamt 179 Helfer im Einsatz: Stadtverwaltung Wittlich (5 Personen) , Freiwillige Feuerwehr Wittlich (50 Personen), Polizei (13 Personen), Technisches Hilfswerk Wittlich (10 Personen), Malteser (43 Personen), Deutsches Rotes Kreuz (51 Personen), Straßenmeisterei (4 Personen) und Servicebetrieb Wittlich (3 Personen). Von Donnerstag bis Sonntag wurden durch die ehrenamtlichen Helfer rund 1.700 Stunden geleistet (Feuerwehr, THW, DRK und Malteser). 

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