EU-Parlamentspräsident Schulz empfängt die „Dreiländer-Region gegen Tihange“ in Brüssel. Schulz: „Ich stehe auf Ihrer Seite. Wir sollten mit Tihange 2 in dieser Form nicht leben müssen.“

Landkreis Vulkaneifel unterstützt die Allianz gegen Tihange – Landrat Thiel bei Übergabe des Auskunftsersuchen mit in Brüssel

Die Vertreter der „DreiländerRegion gegen Tihange“ (hier vor dem EU-Parlamentsgebäude) bringen eindrucksvoll dem EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz in Brüssel die Sorgen von  acht Millionen Bürgern zum maroden Reaktor Tihange 2 näher. Ein in acht Aktenordnern akribisch zusammengestellter Fragenkatalog wurde übergeben. Foto:  Andreas Herrmann
Die Vertreter der „DreiländerRegion gegen Tihange“ (hier vor dem EU-Parlamentsgebäude) bringen eindrucksvoll dem EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz in Brüssel die Sorgen von acht Millionen Bürgern zum maroden Reaktor Tihange 2 näher. Ein in acht Aktenordnern akribisch zusammengestellter Fragenkatalog wurde übergeben.
Foto: Andreas Herrmann

Vulkaneifel/Brüssel. Die Menschen in der DreiländerRegion rund um Aachen haben Angst vor einem GAU im Kernkraftwerk Tihange, der diese Region unbewohnbar machen würde. Inzwischen bezweifeln auch unabhängige Experten, dass der Reaktorblock Tihange 2, der zuletzt am Freitag, 10.06.2016, abgeschaltet werden musste, noch über die nötigen Sicherheitsreserven verfügt, um einem Störfall standhalten zu können. Deshalb haben über 80 Landräte, Oberbürgermeister und weitere Hauptverwaltungsbeamte unter Federführung von Städteregionsrat Helmut Etschenberg ein Auskunfts- und Informationsersuchen an die EU-Kommission gerichtet. Begleitet wurden sie dabei auch von den EU-Abgeordneten der DreiländerRegion. Parlamentspräsident Martin Schulz, der als Bürger dieser Region die Sorgen der Menschen teilt, hat die von den Düsseldorfer Anwälten Dr. Ute Jasper und Dr. Laurence Westen (Kanzlei Heuking-Kühn-Lüer-Wojtek) ausgearbeitete Forderung in Brüssel entgegengenommen.

„Ich stehe auf Ihrer Seite“, sagte Schulz. Wir sollten dem belgischen Staat mit Infrastruktur und monetär helfen. Wir sollten mit Tihange 2 in dieser Form nicht leben müssen.“ Auf den in Deutschland beschlossenen Atomausstieg bezogen führte er weiter aus: „Die drittgrößte Energienation der Welt zeigt, dass man den Energiewandel managen kann. Es ist möglich, auch ohne Kernenergie ökonomisch erfolgreich zu sein. Das ist meine Position und dafür kämpfe ich auch.“ Städteregionsrat Helmut Etschenberg freute sich über die deutlichen Aussagen des EU-Parlamentspräsidenten: „Ich bin dem Präsidenten des EU-Parlaments sehr dankbar, dass er sich unser Anliegen zu eigen macht und unsere Ziele unterstützt, damit dieser Kraftwerksblock Tihange 2 nicht weiter betrieben wird.“

Schulz hat in Brüssel dabei den in acht Aktenordnern akribisch zusammengestellten Fragenkatalog in Empfang genommen. Die Europäische Kommission wird darin gebeten, sämtliche Informationen zur Verfügung zu stellen, die ihr im Zusammenhang mit dem Kernkraftwerk Tihange 2 vorliegen. Außerdem soll sie alle ihr zustehenden Informationsansprüche gegenüber dem Königreich Belgien sowie weiteren Adressaten geltend machen und prüfen, ob das Königreich Belgien mit seinem Vorgehen in Bezug auf den Kernreaktor Tihange 2 gegen Vorgaben aus den europäischen Verträgen verstoßen hat bzw. verstößt.

Der Reaktor Tihange 2 musste in den letzten Jahren mehrfach wegen Betriebsstörungen vom Netz genommen werden. Bei Untersuchungen zeigten sich mehrere tausend Risse im Reaktordruckbehälter. Die zuständige belgische Behörde hat selbst bestätigt, dass die Ursachen der Risse bis heute nicht geklärt sind. Aufgrund dieser Risse wird beispielsweise das Kühlwasser geheizt, da sonst ein Bersten des Reaktordruckbehälters („thermischer Schock“) droht. Der Leiter des Büros für Atomsicherheit, Prof. Wolfgang Renneberg, vergleicht die Situation im Stahlmantel des Reaktors mit einem Reißverschluss, der zu platzen droht. „Die FANC muss endlich sagen, was wir zu erwarten haben, wenn der schlimmste Fall eintritt. Es geht hier nicht um Tihange oder Doel, sondern um die Menschen in weiten Teilen Europas. Für mich wäre entscheidend, diese Kraftwerke nicht weiter laufen zu lassen.“

Während der belgische Innenminister Jan Jambon immer wieder die Sicherheit der Anlage betont, hat Gesundheitsministerin Maggie de Block entschieden, die gesamte Bevölkerung Belgiens mit Jodtabletten zu versorgen: „Somit dürfte nach Ansicht vieler Menschen erwiesen sein, dass die Atomkraftwerke alles andere als sicher sind“, sagt Etschenberg. Eine Betriebsgenehmigung für das Wiederhochfahren von Tihange 2 wurde im Übrigen nie veröffentlicht. Vermutlich hat es auch keine Unterrichtung der Europäischen Kommission über die Wiederinbetriebnahme nach dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (Art. 37 EURATOM) gegeben. Jeder Mitgliedstaat ist danach verpflichtet, der Kommission über jeden Plan zur Ableitung radioaktiver Stoffe aller Art die allgemeinen Angaben zu übermitteln, auf Grund deren festgestellt werden kann, ob die Durchführung dieses Plans eine radioaktive Verseuchung des Wassers, des Bodens oder des Luftraums eines anderen Mitgliedstaates verursachen kann.

Die starke Allianz aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz sowie den Niederlanden und Luxemburg vertritt die Interessen von rund acht Millionen Menschen! Städteregionsrat Helmut Etschenberg, der mit einer Klage vor dem belgischen Staatsrat (Kanzlei blixt – Brüssel) Anfang Februar „den Stein ins Rollen brachte“ ist froh, dass sich so viele Mitstreiter gefunden haben: „Wir kämpfen mit all unseren Möglichkeiten gegen Tihange 2. Ich bin davon überzeugt, dass es gelingen wird, den maroden Kraftwerksblock abzuschalten. Mit dieser starken Gemeinschaft sind wir diesem Ziel heute wieder ein Stück nähergekommen.“

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