Lemke: Atomausstieg darf nicht zurückgedreht werden

Rheinland-Pfalz/Nordrhein-Westfalen. In der kommenden Woche verhandelt das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsbeschwerden der Energiekonzerne gegen den Atomausstieg. „Der Atomausstieg darf nicht zurückgedreht werden“, sagen Wirtschaftsministerin Eveline Lemke und der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel. Rheinland-Pfalz ist dem Verfahren beigetreten, um der Klage der AKW-Betreiber entgegen zu treten. „Der Atomausstieg muss Bestand haben. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Gesetzesänderung ist essenziell für die Beendigung der Energieerzeugung aus Atomkraft und der damit verbundenen immensen Risiken für die Bevölkerung“, sagten Wirtschaftsministerin Eveline Lemke und der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel anlässlich einer Pressekonferenz, auf der sie über die Verfassungsbeschwerde der Energiekonzerne gegen den Atomausstieg informierten.

 

„Rheinland-Pfalz ist dem Verfahren beigetreten, um an der Seite der Bundesregierung den Klagen der Energiekonzerne wirksam entgegen treten zu können“, sagte Lemke. Die Ministerin erinnerte daran, „dass die damalige CDU/CSU-FDP-Bundesregierung im Oktober 2010 durch die Laufzeitverlängerung den Atomkonsens aufkündigte, den die vorhergehende rot-grüne Bundesregierung erfolgreich mit den Energieversorgern ausgehandelt hatte.“ Das Bundesverfassungsgericht verhandelt in der kommenden Woche die Verfassungsbeschwerden der Atomkraftwerksbetreiber E.ON Kernkraft GmbH, RWE Power AG und der Vattenfall Europe Nuclear Energy GmbH sowie der Kernkraftwerk Krümmel GmbH & Co. oHG. Die AKW-Betreiber haben das Ziel, dass das Bundesverfassungsgericht die 13. Atomgesetz-Novelle und somit den Atomausstieg für verfassungswidrig erklärt. Sie machen u.a. geltend, dass der Atomausstieg eine Enteignung gewesen sei, dessen Verfassungsmäßigkeit allenfalls durch einen kompensatorischen finanziellen Ausgleich hergestellt hätte werden könne.

 

Lemke und Remmel zeigten sich zuversichtlich, dass der Atomausstieg auch ohne Entschädigungszahlungen an die Kraftwerksbetreiber Bestand hat. „Es kann kein Recht geben, die Reaktoren ohne Rücksicht auf die technischen Auslegungsdauern bis in alle Ewigkeit zu betreiben“, sagte Remmel. „Die Energiekonzerne haben über viele Jahrzehnte hinweg hohe Gewinne erzielt. Die Investition in die Anlagen hat sich für die Konzerne bislang immer amortisiert“, sagte Lemke und fügte hinzu: „Durch den Atomausstieg wird aber nicht nur die direkte Gefahr durch den Betrieb von Atomkraftwerken reduziert, sondern auch die Menge der noch anfallenden radioaktiven Abfälle begrenzt. Dies verringert zugleich die mit der Endlagerung verbundenen Risiken und Kosten.“ Remmel erinnerte daran, dass die Finanzierung des Rückbaus der Atomkraftwerke und der Endlagerung des radioaktiven Abfalls bislang ungeklärt seien. „Es kann nicht angehen, dass jahrzehntelangen Gewinnen aus der Atomverstromung nun eine jahrzehntelange Phase der Übernahme der Kosten durch die Allgemeinheit folgt. Modelle, die sowohl die Interessen der Unternehmen als auch die der Öffentlichkeit in fairer Weise berücksichtigen und ausgleichen, liegen auf dem Tisch. Der Bundesgesetzgeber ist gefordert, zeitnah für eine Lösung zu sorgen.“

 

Lemke erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass mit der 13. Atomgesetz-Novelle auch die alten und störanfälligen Reaktoren Biblis A und Biblis B sowie Philippsburg 1 an der Grenze zu Rheinland-Pfalz abgeschaltet wurden. Das Land Rheinland-Pfalz wird vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe von der Kanzlei Becker Büttner Held aus Berlin vertreten. Rechtsanwalt Dr. Sascha Michaels erläuterte die Rechtsposition des Landes. Demnach sei der Atomausstieg auch ohne Entschädigungszahlung verfassungsgemäß. „Mit der 13. Atomgesetznovelle hat der Gesetzgeber eine verfassungsmäßige und insbesondere auch verhältnismäßige Regelung getroffen. Die Betreiber der Atomanlagen konnten jedenfalls kein Vertrauen auf die sogenannte Laufzeitverlängerung für ihre Kernkraftwerke aus dem Jahr 2010 aufbauen. Denn die 11. Atomgesetznovelle war nach Ansicht des Landes Rheinland-Pfalz mangels Zustimmung des Bundesrates nicht verfassungsgemäß. Im Übrigen war die Zeit bis zur 13. Novelle im Sommer 2011 ohnedies zu kurz, um im Vertrauen auf die Laufzeitverlängerung relevante Investitionen vorzunehmen. Das letzte Wort hat selbstverständlich das Bundesverfassungsgericht.“

 

Das Bundesverfassungsgericht verhandelt am 15. und 16. März die Verfassungsbeschwerden der Energiekonzerne gegen das Atomausstiegsgesetz von 2011 (13. Atomgesetz-Novelle). Mit diesem Gesetz hatte die schwarz-gelb geführte Bundesregierung nach dem Reaktorunglück von Fukushima die kurz zuvor im Oktober 2010 beschlossene Laufzeitverlängerung wieder zurückgenommen. Die von der schwarz-gelben Bundesregierung beschlossene Laufzeitverlängerung kündigte den Atomkonsens auf, den die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2002 mit den Energieversorgungsunternehmen geschlossen hatte. Durch dieses Gesetz wurden die Elektrizitätsproduktionsrechte der in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke begrenzt. Die Rechte waren so bemessen, das sich für das jeweilige Atomkraftwerk insgesamt eine Betriebsdauer von circa 32 Jahren ab Inbetriebnahme ergab. Danach wäre mit einer Beendigung der Atomenergieproduktion – wie jetzt durch die 13. Atomgesetznovelle festgeschrieben – zu Beginn der 2020er Jahre zu rechnen gewesen.

 

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen