Lässt sich Bildungsministerin Hubig von Apple kaufen?

Mainz. Immer mehr Lehrkräfte nutzen Tablet-Computer und Smartphones im Unterricht. Sie entwickeln eigene, maßgeschneiderte digitale Lehrbücher. Viele Pädagoginnen und Pädagogen verwenden zudem Unterrichtsmaterialien, die kostenlos im Internet angeboten werden. Die Computer- und Softwareindustrie wittert an Schulen das ganz große Geschäft. Einen Klassenraum mit Tablets, Whiteboards und Beamer auszurüsten, kostet rund 15.000 Euro. Über acht Milliarden Euro würde es kosten, alle Schulen und Klassenräume in Deutschland entsprechend auszustatten. Hinzu kämen enorme Folgekosten. Schließlich müssten die Geräte alle zwei bis drei Jahre ersetzt werden. Im Ergebnis könnte die IT-Industrie jährlich rund drei Milliarden Euro allein an Hardware in Schulen umsetzen.

Es ist auch das Ziel der rheinland-pfälzischen Landesregierung, dass an jeder Schule und in jedem Unterricht digitales Lehren und Lernen zum Teil des schulischen Alltags wird. Besonders Grundschulen sollen auf dem Weg in die digitale Welt begleitet werden, erklärte Ministerpräsidentin Malu Dreyer. In der Pilotphase sollen in den nächsten zwei Jahren bis zu 250 Grundschulen finanziell unterstützt werden. Dafür wurde ein grundschulgerechtes, technisches Ausstattungskonzept erarbeitet. Die jeweiligen  Grundschulen sollen bis zu 7.500 Euro pro Schule aus dem Landesprogramm zur bedarfsorientierten Verbesserung der technischen Infrastruktur erhalten.

Das fatale an der Sache ist, die Tatsache, dass sich die Landesregierung an den Hersteller Apple bindet – exklusiv – und an sein Betriebssystem IOS. Bei Android wäre dies anders, da könnte man die Tablets bei Dutzenden von Herstellern wesentlich günstiger kaufen. Was gerade in Mainz passiert, ist der Beginn der nächsten teuren Fehlentscheidung der Landesregierung. Es ist sicherlich auch kein Geheimnis, dass Apple im Verhältnis zum Umsatz wenig Steuern in Deutschland bezahlt. Hat denn die Landesregierung aus dem Nürburgring-Desaster, dem Desaster Flughafen Hahn, oder dem Desaster Hotel Bad Bergzabern nichts gelernt?   

Christian Gerteis, Mitglied des Geschäftsführenden Vorstandes der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Rheinland-Pfalz, warnt vor einem Exklusivvertrag mit Apple. Prinzipiell könnte das rheinland-pfälzische Bildungsministerium, wenn es denn die Geräte zur Verfügung stellt, auch das Gerät an sich – also Apple – vorschreiben. Allerdings ginge das nur dann, wenn dann das „Komplettpaket“ vom Bildungsministerium übernommen würde – also Software, Einbindung ins Schulnetzwerk, Fortbildung der Lehrkräfte etc..

Es gibt ein sogenanntes Netzwerkverwaltungsprogramm für rheinland-pfälzische Schulen, mns+. Diese Software basiert auf dem Betriebssystem Windows. Eine Einbildung von Apple-Geräten ist hier nicht vorgesehen. Somit wird an den Möglichkeiten von Schulen vorbeigeplant. Apple-Produkte gehören zu den hochpreisigen Produkten am Markt. Schülerinnen und Schüler haben allerdings zu Hause oftmals günstige Geräte zur Verfügung, z.B. Android-Tablets oder Windows-PCs. Auch hier ist z.B. Musik- oder Videoschnitt möglich, teilweise mittels kostenloser Software. Ein Zwang zur Nutzung von Apple-Produkten führt zu einer Marktstärkung von Apple, geht allerdings evtl. am Lebensalltag der Schülerinnen und Schüler vorbei.

Fakt ist, die Entscheidung für einen Apple-Zwang nutzt vorhandene Ressourcen nicht. Weder schulische Netzwerke, noch Lehrerinnen und Lehrer sind in der Regel für dieses Betriebssystem ausreichend vorbereitet. Für die Schülerinnen und Schüler bedeutet die Apple-Nutzung, dass sie eben nicht für ihren Alltag lernen, sondern für die Schule, da zu Hause die Apple-Infrastruktur nur schwach ausgebaut ist. Somit zeigt sich hier ein möglicher Nachteil von Sponsoring: Stärkung von Marktmacht mit geringerem Nutzen für das Lernen, als ohne das Vorschreiben einer Marke.

Außerdem steckt der Teufel im Detail. Schon jetzt fehlt an vielen Schulen das Personal, um die Geräte und Programme zu warten. Dies wird sich mit steigender Wichtigkeit der IT-Nutzung durch SchülerInnen massiv verschärfen, und es sind zusätzliche Ressourcen nötig. Weiter: Welchen Einfluss werden Anbieter von Hard- und Software sowie von Inhalten auf die Lehre an den Schulen haben? Neben Kompatibilitätsfragen und Fragen zur Veränderbarkeit von Inhalten durch die Lehrkräfte, stehen die Befürchtungen, dass zunehmend mehr tendenziöse Inhalte von Interessengruppen zur Verfügung gestellt werden könnten.

Die Eifel-Zeitung hat auch beim Bildungsministerium nachgefragt

Wie kommt es zu dieser Entscheidung, ausgerechnet das teuerste System für die unterfinanzierten Schulen in RLP einsetzen zu wollen?

Eine generelle Vorgabe des Landes für oder gegen ein Modell oder Betriebssystem auf im Unterricht verwendeten digitalen Endgeräten gibt es nicht. Es geht bei der technischen Ausstattung der Schulen ausschließlich darum, dass die Schulen gut arbeiten und ein gutes pädagogisches Angebot machen können.

Die Projektschulen im Landesprogramm können 7.500 Euro entsprechend ihrem jeweiligen pädagogischen Ansatz für den Ausbau des digitalen Lernens und Lehrens über das Pädagogische Landesinstitut (PL) abrufen. Es müssen keine Tablets gekauft werden, ebenso ist eine Verwendung des Geldes für Whiteboards, Lego We.Do, Laptops oder den Ausbau der schulischen Netz-Infrastruktur denkbar. Auch dafür entscheiden sich einzelne Schulen.

Erfahrungen aus den Pilotschulen haben aber gezeigt, dass viele Schulen Tablets einsetzen möchten und sich hier wiederum ein Großteil der Schulen aus verschiedensten Gründen für iPads des Herstellers Apple entscheidet. Gründe sind z.B. Praktikabilität durch leichtere Administrierbarkeit, ein größeres App-Angebot und dadurch vielfältige Möglichkeiten im pädagogischen Einsatz, die Viren- und Datensicherheit. Weil sowohl das Pädagogische Landesinstitut  als auch die Kommunen als Schulträger bei einem vom Land (hier der LDI) abgeschlossenen Rahmenvertrag bezugsberechtigt sind, bringt die Entscheidung für Apple-Produkte auch eine Kostenersparnis mit sich.

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