Buchpremiere: Wolfgang Berghofer «Zwischen Wut und Verzweiflung»

Wolfgang Berghofer gehört zu den bekanntesten Akteuren der Wende in der DDR. Zu seinem 80. Geburtstag zieht er Bilanz. Die Politik der Bundesregierung gegenüber Russland hält er für falsch.

Umweltzerstörung, Energiekrise, Bildungsmisere, Krieg, Armut, Überproduktion und Profitgier: Der Publizist und Ex-Politiker Wolfgang Berghofer sieht die Welt am Abgrund und ohne entschlossenen Kurswechsel kaum Chancen für eine friedvolle Zukunft. «Die Konflikte, die vor allem ein Resultat unserer Produktionsweise sind, nehmen zu. Der liberale Kapitalismus nähert sich seinen Grenzen. Wenn er nicht reformiert wird, zerstören wir unsere Lebensgrundlagen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Man könne nicht auf Teufel komm raus immer nur Wachstum propagieren und die Natur zerstören. Das sei zwar seit langem bekannt, aber nie so deutlich sichtbar wie heute.

Berghofer war von 1986 bis 1990 Oberbürgermeister von Dresden und zählt zu den bekanntesten Politikern der Wende in der DDR. Am vergangenen Samstag hatte er seinen 80. Geburtstag gefeiert.

Berghofers neues Buch unter dem Titel «Zwischen Wut und Verzweiflung» ist dieser Tage im Verlag Edition Ost erschienen. Der Autor räumt ein, dass er sich damit vor allem Sorgen von der Seele schreiben wollte. Als dreifacher Großvater denke er natürlich an die Zukunft der jungen Generation. Er könne Menschen verstehen, wenn sie sich aus Protest gegen etwas festkleben, um so auf ein drängendes Problem aufmerksam zu machen – auch wenn ihm selbst dazu weder eine Straße noch ein Museum dafür der geeignete Ort zu sein scheinen. «Doch den Gedanken, der sich dahinter verbirgt, finde ich richtig: Wir müssen mit allen Mitteln versuchen, eine Umkehr zu erreichen.»

«Ich bin nicht links, habe aber linke Positionen in sozialen Fragen. Wir brauchen eine ökologische und soziale Marktwirtschaft. Der Staat muss eine ordnende und regulierende Rolle übernehmen. Wenn er das den freien Kräften des Marktes überlässt, zerstören wir den Planeten», sagte Berghofer. Er selbst werde das zwar nicht mehr erleben, aber schon die Generation nach ihm sei unmittelbar betroffen. Angesichts der Konflikte sei der Führungsanspruch der USA als Weltmacht nicht aufrechtzuerhalten. «Eine einpolare Welt hat keine Zukunft.» Die aktuelle Entwicklung fördere nationalistische, populistische und extreme Strömungen. Die Gesellschaft spalte sich immer mehr.

Berghofer sieht das politische System Deutschlands verkrustet, Stagnation werde schon als Fortschritt wahrgenommen. «Meine Prognose: Wir werden in den kommenden Jahren wesentliche Teile unseres Wohlstandes verlieren. Das dürfte nicht alle treffen, doch die Armut wird wachsen», sagte der Autor, der Geschichte studiert hatte und in der Wendezeit als Oberbürgermeister von Dresden durch pragmatisches Handeln bekannt wurde. Aber auch die Zahl der extrem reichen Menschen nehme zu. Viele Menschen seien orientierungslos und würden Populisten und Nationalisten in die Arme laufen. Es gebe ein tiefes Misstrauen gegenüber der Politik und den klassischen Medien.

«Deutschland muss sich im Rahmen der Europäischen Union von der Vormundschaft der Amerikaner abnabeln und eine eigene Welt- und Innenpolitik machen. Daran führt kein Weg vorbei», sagte Berghofer. Zugleich warb er trotz aller Kritik an Russland und seinem Krieg gegen die Ukraine für eine Normalisierung der Beziehungen zu dem großen Nachbarn. Berghofer lobte in diesem Zusammenhang den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU). Er sei einer der wenigen Politiker, der die Befindlichkeiten der Menschen vor allem in Ostdeutschland bei diesem Thema vertrete.

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