Herausforderung islamistischer Terror: Aktuelle Sicherheitspolitik Thema beim diesjährigen Aschermittwochtreff des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33

Cochem. Die Einladung von Kommodore Oberst Andreas Korb zum Vortrag „Politisch-religiöser Extremismus am Beispiel ISIS“ anlässlich des diesjährigen Aschermittwochtreffs des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 fand große Resonanz: Rund 200 geladene Gäste aus dem öffentlichen Leben und dem Umfeld des Geschwaders strömten am 18. Februar in den großen Saal der Heimgesellschaft in der Fliegerkaserne Brauheck. Unter vielen hochkarätigen Gästen aus der Landes- und Kommunalpolitik begrüßte Oberst Korb die Staatssekretärin im rheinland-pfälzischen Innenministerium, Heike Raab, die Landtagsabgeordneten Anke Beilstein und Benedikt Oster, den Landrat des Landkreises Cochem-Zell, Manfred Schnur, sowie die Bürgermeister der Verbandsgemeinden Cochem und Ulmen, Helmut Probst und Alfred Steimers.

Als höchster militärischer Vertreter war der Kommandeur des Kommandos Einsatzverbände der Luftwaffe und 15. Kommodore des Geschwaders, Generalleutnant Martin Schelleis neben weiteren aktiven und ehemaligen hochrangigen Offizieren zugegen. Zu Beginn seiner einführenden Rede ging Oberst Korb zunächst auf das am 26. Januar bei einer multinationalen Übung geschehene Flugzeugunglück auf einem Luftwaffenstützpunkt in der Nähe der spanischen Stadt Albacete ein. Beim Absturz eines griechischen Kampfjets waren insgesamt elf Soldaten getötet und viele weitere verletzt worden. Zur gleichen Zeit seien auch 80 Soldaten mit fünf TORNADOs aus Büchel vor Ort gewesen, so Oberst Korb. Diese seien glücklicherweise zwar körperlich unverletzt geblieben, hätten die tragischen Ereignisse jedoch so unmittelbar miterlebt, dass sie psychologisch hätten betreut werden müssen.

Im traditionellen Rückblick skizzierte der Kommodore das Jahr 2014 aus Geschwadersicht. Trotz widriger Umstände und personeller Engpässe habe der Verband am Heimatflugplatz Büchel sowie bei Übungsvorhaben im In- und Ausland annähernd 5.000 Flugstunden erflogen und dabei seine Einsatzbereitschaft nachgewiesen. Er wies darauf hin, dass es derzeit Bestrebungen gebe, das Waffensystem TORNADO noch über das Jahr 2025 hinaus zu nutzen. Konkrete Entscheidungen hierzu stünden jedoch noch aus. Auf den diesjährigen Gastvortrag hinführend erläuterte Oberst Korb, dass er es im Herbst 2014 durchaus für möglich gehalten habe, dass sich die Luftwaffe an den Luftschlägen gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) im Irak und in Syrien beteilige. Dies sei umso bedeutsamer, als dass „das Taktische Luftwaffengeschwader 33 zur Zeit der einzige Verband der Bundeswehr ist, der für einen solchen Einsatz geeignete Fähigkeiten zur Verfügung stellen kann“, so Oberst Korb.

Er betonte zugleich, dass niemand darauf aus sei, in einen Einsatz geschickt zu werden und Waffen einzusetzen: „Wenn Konflikte sich mit nicht-militärischen Mitteln lösen lassen, dann ist eine solche Lösung immer einem Einsatz von Streitkräften vorzuziehen.“ Wenn dieser jedoch gefordert werde, stehe man bereit. Mit dem Hinweis auf die gegenwärtigen Entwicklungen in Libyen und die Anschläge mutmaßlich islamistischer Terroristen in Paris und Kopenhagen führte Oberst Korb den Anwesenden die Aktualität der Thematik vor Augen und stellte den diesjährigen Gastredner, Dr. Kai Hirschmann, vor. Dr. Hirschmann ist Dezernatsleiter im Bereich „Grundlagen Politischen Bildung“ am Zentrum Innere Führung der Bundeswehr, Hochschullehrer am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn, sowie stellvertretender Direktor des IFTUS-Instituts für Krisenprävention in Essen.

Im anschließenden, einem ebenso aktuellen wie anschaulichen Vortrag erklärte Dr. Hirschmann, dass das Aufkommen und Erstarken islamistischer Terrororganisationen wie Al-Qaida, Boko Haram oder IS Folge zerfallender Staaten seien. So hätten bereits die Verteidigungspolitischen Richtlinien des Bundesministeriums der Verteidigung 2011 festgestellt, dass „die größten Herausforderungen heute weniger in der Stärke anderer Staaten, als in deren Schwäche liege.“ Gerade die infolge der Dekolonialisierung willkürlich durch europäische Mächte abgegrenzten Staaten in Afrika und Asien neigten zum Zerfall. Nach dem Sturz vormaliger autokratischer Herrscher – beispielsweise infolge militärischer Interventionen westlicher Staaten oder infolge der Protestbewegungen des Arabischen Frühlings – hätten insbesondere politisch-religiös motivierte Extremisten das entstandene Machtvakuum genutzt. Deren Ziel sei – unabhängig vom Namen oder regionalen Schwerpunkt der einzelnen Gruppierung – die Errichtung eines neuen (staatlichen) Systems nach deren politischen und religiösen Vorstellungen.

Entstanden seien die islamistischen Bewegungen als Opposition gegen die meist despotischen, gemäßigt muslimischen Regierungen seit den 1950er Jahren. Sie folgten einer Weltanschauung eines alternativen Politik- und Gesellschaftssystems, das vorgebe, die Gebote des Islam abzubilden. Wichtig sei dabei, so Dr. Hirschmann, die Religion des Islam nicht mit Islamismus oder gar islamistischem Terrorismus gleichzusetzen. Deren Schnittmenge mit dem eigentlichen Islam sei denkbar gering und beruhe auf einer höchst selektiven Interpretation des Islam, die den Glaubensbegriff missbrauche.

In einem Überblick über die unterschiedlichen islamistischen Terrorgruppierungen vom Maghreb in Westafrika bis nach Afghanistan und Pakistan im mittleren Osten erläuterte Dr. Hirschmann deren Wesen und Besonderheiten und zeigte die beachtlichen Territorien auf, die diese mittlerweile unter ihre Kontrolle gebracht hätten. Obgleich die unterschiedlichen dschihadistischen Gruppierungen rivalisierten und sich teilweise in ihrer Brutalität und ihrem Vorgehens unterschieden, betonte Dr. Hirschmann, dass deren Ideologie im Kern dieselbe sei. Gerade die Anschläge in Paris, unter anderem auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“, hätten jüngst gezeigt, dass Extremisten auch gemeinsam Gewalttaten verübten, obwohl sie sich unterschiedlichen Terrororganisationen zugehörig fühlten.

Hinsichtlich ISIS (Islamischer Staat im Irak und Syrien) führte Dr. Hirschmann aus, dass diese Terrororganisation mit ausgeprägten Strukturen und Hierarchien gut und straff organisiert sei. Während ISIS seine finanziellen Mittel aus Erpressung, kriminellen Netzwerken, Geiselnahmen, dem Verkauf von Öl aus besetzten Gebieten und Spenden generiere, stammten Waffen und insbesondere schweres Kriegsgerät aus in Syrien und im Irak gestürmten Militärdepots. Die personelle Basis rekrutiere sich neben aus dem Ausland eingereisten Islamisten (darunter ca. 550 aus Deutschland) vor allem aus syrischen und irakischen Sunniten, die in den letzten Jahren, zum Beispiel nach dem Sturz Saddam Husseins im Irak, ihre bevorzugte Stellung in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft verloren hätten und in den Widerstand gegen das herrschende System eingetreten seien.

Abschließend ging Dr. Hirschmann auf mögliche Gefahren in und für Deutschland ein und erläuterte, wie und aus welchen Kreisen sich deutsche oder in Deutschland lebende Muslime radikalisierten. In der anschließenden Diskussion bestand Gelegenheit offene Fragen zu klären, bevor die Teilnehmer des diesjährigen Aschermittwochtreffs ihre gewonnenen Erkenntnisse beim anschließenden Empfang mehren konnten.

Autor: Thomas Müllen

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