Kreistag zieht Konsequenzen aus Kernschmelze in Japan

Wittlich. Global denken, lokal handeln: Was im Juni 1992 bei der UNO-Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro begann, ist in der Agenda 21 aufgegangen und schreit nach ernstgemeinter Umsetzung. Auch der Kreistag von Bernkastel-Wittlich rang am Montag damit. In der ersten Sitzung, die der neue Landrat Gregor Eibes zu leiten hatte, schenkten sich die Fraktionen nichts.

Wobei es nicht immer um Substanzielles ging. Mal stritt man um ein einziges Wort, mal um einen Absatz einer Absichtserklärung, die nichts weiter kann als Zeichensetzen, mal um das Vor und Zurück ähnlich lautender Anträge verschiedener Fraktionen. Eibes musste reichlich Geduld aufbringen, bis alle Abstimmungen in trockenen Tüchern waren. Der Resolution für die sofortige Abschaltung der vier Reaktorblöcke von Cattenom und der Erklärung, man wolle ein energieautarker Landkreis werden, sollen nun konkrete Schritte folgen. Die von der SPD beantragte Informationsfahrt ins Kernkraftwerk wurde beispielsweise abgelehnt. Sie mache keinen Sinn, wenn man gerade den Willen zur Stilllegung bekundet habe, so die Mehrheitsmeinung. 

2013 laufen die Verträge mit den RWE aus – DIE Chance, eine Ausschreibung ausschließlich für „grünen“ Strom abzufassen. Keine Fraktion ließ Zweifel daran, dass der Weg für Bernkastel-Wittlich in diese Richtung führen wird. Wie genau er verläuft, dieser Weg, und wie schnell man ihn gehen kann oder gehen muss, darüber herrscht nicht unbedingt Einigkeit.

Immerhin stimmte die Mehrheit schon einmal für Photovoltaikanlagen auf kreiseigenen Dächern, um Schritt für Schritt energie-autark zu werden. Kompliziert wurde es dann beim neuen Stromliefervertrag. Die einen sehen in den RWE und seinen drei großen Mitbewerbern die maßgeblichen Sündenböcke, werfen ihnen einen durchsichtigen Zertifikatehandel mit Ökostrom vor, der in Wahrheit kein Kilowatt grünen Strom mehr produzieren lässt.

Die anderen, wie Jürgen Jakobs (CDU) und Dirk Richter (FDP) erinnern daran, dass alles bezahlbar bleiben muss – die ADD schaut einem Landkreis, der pleite ist, genau auf die Finger – und zurzeit nur  etwa 20 Prozent des Stroms aus regenerativen Quellen stammt. Gregor Eibes als Vater der vorbildlichen Energielandschaft Morbach bringt ein gehöriges Maß an Glaubwürdigkeit mit und muss sich seine Kompetenz in energiepolitischen Dingen nicht erst in Wittlich anlesen. Sein Auftreten als Sitzungsleiter verriet diese Kompetenz.

Der aktuelle Stromliefervertrag des Landkreises stammt aus dem Jahr 2007. Damals hatte die Kreisverwaltung an der Bündelausschreibung des Landkreistages Rheinland-Pfalz teilgenommen. Hintergrund sind möglichst große Abnahmemengen, um möglichst günstige Preise zu erzielen. Seinerzeit kam das günstigste Angebot von den RWE. Dieser Vertrag läuft grundsätzlich noch bis Ende 2013. Angesichts der mehrfachen Kernschmelzen in Fukushima hat Eibes zwischenzeitlich eine Zielpreis-Vereinbarung mit den RWE getroffen.

Die RWE haben nun eine Frist bis Ende 2011: Sollte es ihnen bis dahin gelingen, für das Jahr 2013 eine verbindliche Zusicherung von 100 Prozent Ökostrom für den Kreis zuzusichern, bleibt es beim RWE als Lieferanten.

Kommt die Zusicherung nicht, wird während des Jahres 2012 von Bernkastel-Wittlich neu ausgeschrieben. Ob wiederum als Bündelausschreibung mit anderen Landkreisen gemeinsam oder separat hängt von mehreren Faktoren ab. Sollte der Landkreistag in seine Ausschreibung die Formulierung aufnehmen, dass auch er ausschließlich Ökostrom beziehen möchte, bleibt man im gemeinsamen Boot. Falls nicht, wird der Kreistag neuerlich darüber beraten.

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