„Sind sie noch einig? Oder haben sie schon geerbt“

Zell. Mit dem hintergründigen Spruch des Volksmundes „Sind sie noch einig? Oder haben sie schon geerbt?“ befasste sich in einem Info-Abend bei der Kolpingfamilie Zell der Zeller Notar Dr. Rochus Scholl zum Thema „Aktuelles Erbrecht“. Es waren nicht nur Kolping-Mitglieder in den Saal des Zeller Pfarrzentrums gekommen. Dass das Erben und Vererben immer wieder mit einer Portion Unsicherheit verbunden ist, konnten die sehr interessierten Zuhörer bei den umfangreichen Infos des Fachmannes mal wieder feststellen. Trotz des schwierigen Rechtsgebietes erläuterte der Referent Dr. Scholl recht übersichtlich die Grundzüge der gesamten Materie. Insbesondere die Möglichkeit, durch Testament oder Erbvertrag Einfluss auf die Rechtsnachfolge von Todeswegen zu nehmen.

Die verschiedenen Regelungsalternativen wie Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge, Vermächtnis, Teilungsanordnung oder Testamentsvollstreckung konnte der Notar recht übersichtlich und verständlich „an den Mann beziehungsweise an die Frau“ bringen. Aber auch das Gebiet der erbschaftssteuerlichen Aspekte kam nicht zu kurz. Sehr eingehend behandelte der Fachmann die gesetzliche Erbfolge. „Vor dem Vererben steht der eigene Tod. Deshalb wird dieses Thema etwas zurückhaltend behandelt und Regelungen hinausgeschoben“ stellt der Referent zuerst einmal fest. Er stellte die Frage, ob man überhaupt ein Testament brauche. Grundsätzlich würde die sogenannte gesetzliche Erbfolge nur die Blutsverwandten als Begünstigte bestimmen.

Ein Testament dagegen könne die gesetzliche Erbfolge verändern, weil dieses Papier der gesetzlichen Erbfolge vorgehe. In einem solchen Falle sei nur noch das Pflichtteil zu berücksichtigen, das den Blutsverwandten zustehe, was jedoch „nur die halbe Miete“ sei und nur in Form eines Geldanspruches. Das Erbrecht, was in Deutschland ausdrücklich im Grundgesetz verfassungsrechtlich garantiert ist, kennt als Berechtigte nur natürliche Personen. Der Fiskus als juristische Person kommt als Erbe nur in Frage, wenn kein Angehöriger gefunden und kein Testament geschrieben wurde. Der Staat erbt auch dann, wenn die Erbschaft vom letztmöglichen Erben ausgeschlagen wurde. Es handelt sich dann um ein Zwangserbe. Er haftet jedoch nur mit dem Nachlass und nicht für Schulden.
 
Bei Beurteilung des Erbrechts stände bei vielen die Erbschaftssteuer im Vordergrund. Jedoch werde dieses Thema viel zu viel aufgebauscht. In Deutschland bringe diese Steuerart im Verhältnis zu der Höhe der Erbsummen verschwindend wenig Steuern. Man müsse in diesem Zusammenhang einen Blick auf die bestehenden drei Steuerklassen werfen. So seien in der günstigsten Steuerklasse eins (Ehegatte usw.) zum Beispiel ein persönlicher Freibetrag von 500.000 Euro zu berücksichtigen und für Kinder einer von 400.000 Euro, für Enkel 200.000 Euro (Steuersatz ab 7 %). Dagegen sind die Steuersätze für die Steuerklassen zwei (z.B. Geschwister, ab 15 %) und drei für entferntere oder nicht Verwandte viel höher (ab 30%, nur 20.000 Euro frei). „Nicht jeder kann sich deshalb über Erbschaften gleichermaßen freuen. Dies liegt vor allem daran, dass in Deutschland Erben in Erbschaftssteuerklassen eingeteilt sind“ betont Dr. Scholl.
 
Dem Volksmund nach ist es besser, „mit der warmen Hand zu geben als mit der kalten“. Es handelt sich dann um eine Vermögensübergabe zu Lebzeiten. Dies wird als vorweggenommene Erbfolge bezeichnet. Dabei sei jedoch anzuraten, dass bei Pflichtteilsberechtigte (Ehepartner, Kinder, Eltern) in einem Vertrag oder Schriftstück festgelegt wird, die Zuwendung auf etwaige Pflichtteilsansprüche anzurechnen. „Die rechtzeitige schriftliche Festlegung ist notwendig. Später ist sonst eine Anrechnung nicht mehr möglich“ verweist der Zeller Notar. Interessant ist auch die Feststellung des Referenten für die interessierten Zuhörer aus der gesamten Verbandsgemeinde Zell: „Das Testament ist ein relativer Spielball“.

Deshalb rät er zu einem notariellen Testament. Auch im Hinblick auf die Tatsache, dass dies kostengünstiger ist, als die spätere Beantragung eines Erbscheines beim Amtsgericht. Dieses ersetze dann den Erbschein und man brauche nicht auf die teils zeitaufwendige Arbeit beim Amtsgericht zu warten. Die Ehegatten konkurrieren mit den Verwandten der ersten und zweiten Ordnung, sowie mit den Großeltern des Erblassers. Der eingetragene Lebenspartner hat ebenfalls ein solches Erbrecht.  Zum Abschluss der sehr diskutier freudigen Runde im Pfarrsaal verwies Dr. Scholl auf die Möglichkeit des Vorteils, die Verteilung des Erbes im sogenannten „Gießkannensystems“ vorzunehmen: Man verteilt sein Erbe nicht nur an einen Berechtigten, sondern im Hinblick auf die einzeln möglichen persönlichen Freibeträge direkt an mehrere meist Verwandte. Dann sei bei jedem Erben ein Freibetrag in Abzug  zu bringen. hpa
 

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