Kommunalpolitik in Gerolstein: Die Kluft zwischen Parteien und Bürgern muss endlich überwunden werden

Heidi Gerhards hat mit ihrem Leserbrief (EAZ, 35. KW) ins Schwarze getroffen: Die Parteien in Gerolstein haben versagt! Ihrem Auftrag, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken (Art. 21 GG), verweigerten sich die Parteien allerdings nicht nur zuletzt, als es darum ging, geeignete Kandidaten für das Amt des Gerolsteiner Stadtbürgermeisters zu finden. Schon seit einigen Jahren gelingt es ihnen nicht mehr, auf die Menschen zuzugehen. Eine funktionierende politische Kommunikation zwischen Parteien und Bürgern gibt es in Gerolstein nicht – jedenfalls nicht von seiten der CDU und SPD. Die Bürger sollen wählen und haben danach gefälligst zu akzeptieren, was im Hinterzimmer oder in „nichtöffentlicher“ Sitzung ausgehandelt und ihnen danach (wenn überhaupt!) in der Tageszeitung verkündet wird.

Dabei gäbe es doch genug Möglichkeiten, die Bürger in politische Entscheidungsprozesse einzubinden: Warum werden nicht regelmäßig Bürgerversammlungen im Rondell durchgeführt? Gerade vor unbequemen und weitreichenden Entscheidungen könnte man durch mehr Bürgernähe die politische Legitimation erhöhen (im Volksmund: die Bürger mit ins Boot holen). Bürgernähe ließe sich darüber hinaus auch über das Internet herstellen. Leider scheinen die Parteiverantwortlichen in Gerolstein nicht zu erkennen, dass das Internet für die Bürgerbeteiligung, ohne die es in einer Demokratie eben nicht geht, zunehmend an Bedeutung gewinnt. Dies macht ein Blick auf die Internetseiten der Parteien deutlich. So feiert sich die Gerolsteiner SPD auf ihrer Webseite (www.spd-gerolstein.de) ausschließlich selbst: Das Sommerfest im Lokschuppen (Zufall!?) fanden alle toll (natürlich!). In den übrigen, nicht gerade zahlreichen Artikeln freut man sich zum Beispiel über ein „Traumergebnis“ von Kurt Beck beim Landesparteitag und die erneute Kandidatur von Astrid Schmitt bei der Landtagswahl 2011. Auf der Startseite schreibt der Vorsitzende der SPD Gerolstein, Hermann Lux: „Es ist uns ein Anliegen, über die Hintergründe und die Ziele unseres Handelns offen und objektiv zu informieren.“ Fakt ist: Man findet auf der Webseite der SPD Gerolstein keinen einzigen Artikel, der in irgendeiner Weise über ein aktuelles kommunalpolitisches Thema informiert.

Auch die CDU Gerolstein hat das Internetzeitalter offensichtlich verschlafen. Die Webseite des Stadtverbandes (www.cdu-gerolstein.de) wurde jahrelang nicht aktualisiert. Inzwischen wird der Besucher automatisch auf die Webpräsenz des Kreisverbandes weitergeleitet. Die Webseite des Gemeindeverbandes (www.cdu-gerolsteinerland.de) ist einfach nur schlecht. Eine Rubrik namens „News“ gibt es zwar. Allerdings ist die einzige Neuigkeit, welche die CDU zu bieten hat, schon etwas älter: Am 30. Januar 2009 (!) vermeldet man ein neues Layout der Webseite. Die Rubrik „Termine“ ist leer. Unter „Kommunalwahl 2009“ findet man „Positionen und Standpunkte“, die allerdings so knapp und allgemein formuliert sind, dass sie faktisch keinen Wert besitzen. Das „Archiv“ umfasst insgesamt sieben „Artikel“ aus dem Kommunalwahlkampf 2009.

Der letzte Beitrag stammt bezeichnenderweise vom 21.09.2009. Nach der Abstrafung bei der Kommunalwahl teilt man in einem Dreizeiler mit: „Vielen Dank, dass Sie uns Ihre Stimme gegeben haben. Wir nehmen den Wahlauftrag an und werden in den kommenden Tagen mit den anderen Parteien und Wählergruppen sprechen, um die Politik im Gerolsteiner Land zu gestalten.“ Zunächst vielversprechend wirkt hingegen die Rubrik „Interaktiv“. Allerdings macht sich auch hier schnell Ernüchterung breit: Unter „Fragen und Antworten“ darf der Besucher Fragen stellen, die dann angeblich öffentlich beantwortet werden. Als bisher einziger fragt ein bekannter CDUler aus Gerolstein: „Funktioniert das schon?“

Die Grünen (www.gruene-vulkaneifel.de) und die FDP (www.fdp-vulkaneifel.de) präsentieren sich im Internet nur auf Kreisverbandsebene. Während die Grünen ins Menü ihrer Webseite immerhin einen separaten Punkt „Gerolstein“ integriert haben und dort immerhin drei relativ aktuelle Artikel bereitstellen, kann man den Internetauftritt der FDP getrost als überflüssig bezeichnen: Artikel mit kommunalpolitischem Bezug findet man auf der Seite faktisch nicht. Nur die Regionalgruppe der Bürgerunion Vulkaneifel (www.buv-regionalgruppe-gerolstein.de) verfügt über einen Internetauftritt, den man als guten bzw. überhaupt als Beitrag zur Willensbildung bezeichnen kann. Einziges Manko: Die Webseite ist recht unübersichtlich, was an einer veralteten Programmiertechnik, wohl aber auch an der Fülle der bereitgestellten Informationen liegen mag.

Fazit: Nur die BUV (bis 2009: Wählergruppe Möller) hat in den letzten Jahren einen Beitrag zur politischen Willensbildung in Gerolstein geleistet. Bei Grünen und FDP sollte man Abstriche machen, weil sie als kleine Parteien einfach nicht über die notwendigen Ressourcen verfügen. Die großen Parteien haben hingegen auf ganzer Linie versagt. Entscheidungen wurden oftmals getroffen, ohne auf die Sorgen und Bedürfnisse der betroffenen Bürger einzugehen. Dabei ist in unserem politischen System der stetige Austausch zwischen Parteien und Bürgern zwingend erforderlich: Ratsmitglieder und Abgeordnete sind eben keine „Delegates“, die als Sendboten in ihrem Abstimmungsverhalten dem Willen ihrer Wähler unterworfen sind. Als „Trustees“ (Treuhänder) sind sie in ihrer Urteilsbildung frei, an Weisungen durch die Wähler grundsätzlich nicht gebunden. Aus dieser Unabhängigkeit folgt jedoch nicht, dass man Entscheidungen im Hinterzimmer treffen darf, um diese den Bürgern danach als vollendete Tatsachen zu servieren.

Vielmehr sind die Ratsmitglieder – und auch die hinter ihnen stehenden Parteien – ihren Wählern gegenüber zu ständiger Rechenschaft verpflichtet. In diesem Punkt haben CDU und SPD in Gerolstein großen Nachholbedarf. Im Hinblick auf die Bürgermeisterwahl heißt das: Gerolstein braucht einen Bürgermeister, der auf die Menschen zugeht und so die geistige Kluft zwischen Parteien und Bürgern zu überwinden hilft.

Der neue Bürgermeister muss aber auch auf die Parteien einwirken, dass diese selbst wieder stärker den Kontakt zu den Bürgern suchen. Die Parteien in Gerolstein müssen endlich ihre verfassungsrechtlich vorgesehene Aufgabe, bei der Willensbildung des Volkes mitzuwirken, erfüllen!
 
S. Lorse, Gerolstein

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