Werner Lamberz

Hätte ein Eifler die DDR retten können? In den siebziger Jahren galt der gebürtige Mayener Werner Lamberz als aussichtsreicher „Kronprinz“ des SED-Vorsitzenden Erich Honecker. Auf Vorschlag Honeckers  war Lamberz 1971 Mitglied des Politbüros geworden und damit in den engsten Führungskreis der DDR aufgerückt. Lamberz, unter anderem Sekretär für Agitation und Mitglied der Volkskammer, hatte zu diesem Zeitpunkt schon eine steile Funktionärskarriere im „Arbeiter- und Bauernstaat“ hinter sich. Schwerpunkte seiner zahlreichen Ämter waren Aktivitäten im Auslandseinsatz und bei der sozialistischen Agitation.

Was hatte den Mann aus der Eifel überhaupt in den deutschen Osten verschlagen? Die Antwort hängt mit den Irrwegen deutscher Geschichte im 20. Jahrhundert zusammen. Werner Lamberz wurde 1929 als Sohn des Maurers Peter Lamberz geboren. Vater Lamberz, Unterbezirkssekretär der KPD, war vor der Machtübernahme Hitlers einer der aktivsten Kommunisten der Osteifel. Er gehörte zu den ersten Rheinländern, die von den Nazis inhaftiert wurden und musste viele Jahre lang in den neu errichteten Konzentrationslagern täglich um sein Leben fürchten. 1944 gab man ihm die Chance, vom KZ Buchenwald ins Bewährungsbataillon 999 zum Front-einsatz zu wechseln. Peter Lamberz nutzte die erste Gelegenheit, um zu desertieren und sich der Roten Armee anzuschließen. Über den sowjetischen Rundfunk forderte der überzeugte Kommunist die deutschen Soldaten zum Überlaufen auf. Nach dem Krieg ernannten die Sowjets Peter Lamberz zum Landrat in der Nähe Berlins. Völlig gegensätzlich war der Lebensweg seines Sohnes Werner verlaufen. Die Kindertage verbrachte dieser noch in Mayen, gut bekannt mit dem zu dieser Zeit ebenfalls dort lebenden Mario Adorf. Der weltberühmte Schauspieler erinnert sich noch gut an den jungen Lamberz, der für ihn „einer der geradesten Charaktere“ war und für dessen Schwester Liane er damals schwärmte. Der Schüler Werner Lamberz, dem später Charisma und höchste Führungsqualitäten nachgesagt wurden, beeindruckte auch die Nationalsozialisten. Als 12-Jähriger durfte der hochgewachsene, blonde und blauäugige Eifler als elitärer „Adolf-Hitler-Schüler“ auf die Ordensburg Sonthofen. Doch spätestens der Untergang des Dritten Reichs setzte allen NS-Zukunftsüberlegungen ein Ende. Der Sechzehnjährige begann 1945 in Mayen eine Installationslehre, zog dann aber 1946 nach dem Tod der Mutter zum Vater nach Brandenburg. Zeitlebens war Werner Lamberz auf seine erlernten handwerklichen Fertigkeiten stolz. Weit wichtiger für seine berufliche Zukunft wurde jedoch sein Eintritt in FDJ und SED. Ausgiebige Schulungen, unter anderem an der Komsomol-Hochschule in Moskau, vermittelten ihm das Rüstzeug, professioneller Propagandist des Sozialismus zu werden. Bei seinen zahlreichen und oft langen Auslandsaufenthalten kamen dem Eifler seine hohe Sprachbegabung und seine unverkrampfte Art zugute. Später rühmte er sich, die meisten Staaten der Welt aus eigenem Erleben zu kennen – ein drastischer Gegensatz zu den Reiseverboten seiner DDR-Mitbürger. Im SED-Zentralkomitee war Lamberz für Auslandsinformation zuständig, ehe er 1967 in die wichtigere Stelle als Agitationschef aufrückte. Lamberz setzte alles daran, die Medien und überhaupt die Kultur der DDR auf sozialistischen Kurs zu bringen beziehungsweise zu halten. Scharfe Zensurmaßnahmen verbanden sich bei ihm mit gern dokumentierter Lebensfreude. Der SPIEGEL wusste 1976 zu berichten, dass der Lamberz-Stab ganze Hotels anmiete, „um zu saufen und es mit den Weibern zu treiben“. Gleichwohl galt Lamberz, Vater zweier Kinder, nicht als Mann des Ausruhens, sondern als zielstrebiger Aktivist. Viele DDR-Bürger trauten dem dynamischen Mayener die Gestaltung eines humaneren Sozialismus zu. Nicht selten wurde er ideologisch mit Hans Modrow verglichen, der einst mit ihm im gleichen Jahrgang in Moskau studiert hatte und auf den sich besonders 1989 viele Hoffnungen richteten.

Ob der hoch intelligente Lamberz tatsächlich in der Lage gewesen wäre, es anders und besser als Ulbricht und Honecker zu machen, konnte er nicht mehr beweisen. Nachdem sich der Afrika-Kenner 1978 mit dem ihm wohlgesonnenen Gaddafi getroffen hatte, stürzte sein Hubschrauber in der libyschen Wüste ab. Lamberz starb im brennenden Wrack – fast auf den Tag genau ein Vierteljahrhundert nach Stalin, dessen Politik gerade auch für Peter und Werner Lamberz so lebensbestimmend gewesen war.

Verfasser: Gregor Brand
 

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