Peter Zirbes

Die Weltgeschichte kennt viele Beispiele für solche Lebensschicksale, aber das ändert nichts an ihrer Tragik: Der Gegensatz zwischen dem Leben einer großen Persönlichkeit in Armut und Not einerseits und der nachträglichen Anerkennung andererseits. So verhält es sich auch bei dem in Niederkail geborenen und gestorbenen Dichter Peter Zirbes (1825–1901). Längst ist er als derjenige Eifler anerkannt, der als erster seine Heimat literarisch zum Mittelpunkt machte. Nach seinem Tod lernten Generationen von Eifler Schulkindern Gedichte von ihm auswendig, Eifelkenner würdigten in zahlreichen Aufsätzen sein Leben und Werk und jüngst machte die Schriftstellerin Ute Bales ihn sogar zum Helden des wirklich schönen Romans „Peter Zirbes“. Wie man gerade in diesem an der realen Biographie orientierten Werk mitfühlend nachlesen kann, war es mit dem Ruhm zu seinen Lebzeiten anders bestellt. Seine Eltern, der Landscheider Nikolaus Zirbes und die Niederkailerin Katharina Schmitz, verdienten wie schon ihre Voreltern den kargen Lebensunterhalt als fahrende Händler, die vom Frühjahr bis zum Herbst mit ihren Eselskarren über die Dörfer zogen und Glas- und Steingut feilboten. Wenn es nur ging, zogen die Kinder mit, was zwar deren Weltbildung gut tat, aber zu Lasten der Schulbildung ging. Auch der junge Zirbes besuchte meist nur die Winterschule und diese Ausbildung währte lediglich bis zu seinem 14. Lebensjahr. Angesichts dessen ist der Bildungshorizont des Niederkailers erstaunlich, wie er sich in seinen Texten zeigt. Zirbes verdankte ihn seinem tiefen Bedürfnis nach intellektueller Kost: Er las, soviel ihm als fahrendem Händler und später im Heimatdorf als Kleinbauer und Kleinkaufmann möglich war. Und wenn er etwas gelernt hatte, „so war’s auch hinter das Ohr geschrieben, wo es mir kein Hahn mehr auskratzte“, wie er einmal notierte. Von den Büchern abgesehen, hielt Zirbes auch sonst Augen und Ohren offen und eignete sich so manches Wissen an. Seine Gedichte sind voll von Sagen, Legenden und Begebenheiten seiner Eifelheimat, die er sprachmächtig in die Literatur einbringt. Eine wertvolle Kulturleistung, die allerdings ihrem Verfasser materiell letztlich nichts einbrachte. Mit Hilfe des Superintendenten Oertel veröffentlichte Zirbes als 27-Jähriger die erste Auflage seiner Gedichte im Selbstverlag. Zwar erfolgreich: Die 800 Exemplare waren rasch vergriffen. Trotzdem dauerte es 13 Jahre, ehe Zirbes eine zweite Auflage in Auftrag gab. Früher war es ihm aufgrund der bedrückenden Lebensumstände nicht möglich gewesen: „Kein Geld und keine Protektion / was ist da anzufangen? / Doch ist es manchem Musensohn / fast schlechter noch ergangen.“ Diese Auflage wurde genauso zu einem Verlustgeschäft wie eine rund ein Vierteljahrhundert später erfolgte dritte.

Peter Zirbes war eine auffällige Erscheinung. Schon äußerlich lag er mit seinen 175 cm für damalige Verhältnisse deutlich über dem Durchschnitt. Dunkelhaarig und schwarzbärtig entsprach er mit seinen blaugrauen Augen dem, was man oft den „keltischen Typ“ genannt hat. Sein Schreiben machte ihn in der Heimat zum belächelten weißen Raben. Aber es wäre falsch, sich diesen von Krankheiten geplagten Südeifler als verzärtelten Poeten vorzustellen. „Stopft dem frechen Gesindel das Maul!“ war sein Motto. Und ebenso galt für ihn: „Nur nicht zu prüde! Mich genieren die kräftigen Ausdrücke nicht im mindesten.“ Jahrelang lebte der über Sechzigjährige unverheiratet mit einer um Jahrzehnte jüngeren Witwe zusammen. Eine damals sehr mutige Lebensweise, zumal Pfarrer Rumpelhardt gegen solche „Sünde“ hetzte. Mit 66 Jahren heiratete Zirbes die Witwe; die Ehe wurde schließlich noch mit einem Sohn gesegnet. Das Verhältnis zur katholischen Kirche aber war für den tiefreligiösen Zirbes zerrüttet. Nachdem er am 20. Mai 1900 zur evangelischen Kirche übergetreten war, kannte das Mobbing im Dorf kaum noch Grenzen. Auf den Tag genau ein Jahr später ging sein Haus in Flammen auf – Zufall? Im kalten November des gleichen Jahres verstarb der große Eifeldichter.

In seiner Heimat geht man inzwischen vorbildlich mit dem Zirbes-Erbe um. 1976 gab die VG Wittlich-Land eine von Hans Erben klug kommentierte Gedichtauswahl heraus. Vielfältig hält der Peter-Zirbes-Kulturkreis die Erinnerung an den Lyriker wach, dessen Texte mittlerweile auch auf CD erhältlich sind. Schön wäre es, wenn sein filmreifes Leben und sein Werk in Zukunft noch breitere Beachtung finden würden.

Verfasser: Gregor Brand
 

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