Peter Kremer

Im gleichen Herbst 1901, als mit dem Niederkailer Peter Zirbes „der erste Dichter der Eifel“ starb, wurde genau einen Monat zuvor einer Bauernfamilie 50 km weiter östlich als neuntes von 13 Kindern ein Sohn geboren, der ebenfalls den Namen Peter erhielt und später weithin als „der Dichter der Eifel“ galt: Peter Kremer aus Kaisersesch. Gemeinsam war beiden Autoren die elementare Bedeutung der Eifelheimat für ihr Werk, die Verankerung im christlichen Glauben, die traditionsgebundene Weise ihres Dichtens und Schreibens. Aber es gab auch markante Unterschiede. Dem Bauernsohn Kremer blieb eine Ausbildung über die Volksschule hinaus nicht verwehrt. Er durfte sowohl das Lehrerseminar in Wittlich als auch Ferienkurse an der Universität Bonn besuchen und qualifizierte sich 1927 mit dem Staatsexamen für Germanistik und Geschichte für das Lehramt an Gymnasien. Als Lehrer und Studienrat am Gymnasium zu Wittlich und – nach Kriegsteilnahme und Kriegsgefangenschaft in den USA – in Bernkastel-Kues verfügte Kremer über die finanzielle und soziale Sicherheit einer Beamtenstellung, die Welten entfernt war von dem unsicheren Leben des fahrenden Händlers Peter Zirbes. Es war nicht wirtschaftliche Not, die Peter Kremer dazu trieb, in eindrucksvoller Beständigkeit rund 60 Jahre lang literarisch tätig zu sein. Von den  ersten heimatkundlichen Aufsätzen in den zwanziger Jahren bis zu seinen Alterspublikationen im letzten Jahrzehnt der Bonner Republik widmete er sich den unterschiedlichsten Facetten eifelländischer  Kultur und Geschichte. Die Bücher, die er veröffentlichte, deuten an, dass seine Stärke weniger das phantasievolle Erfinden als vielmehr das stilistisch souveräne Nach- und Neuerzählen vorhandener Stoffe war. Das zeigt sich beispielsweise in dem 1940 erstmals erschienenen „Das lachende Eifeldorf“, in dem Kremer über 70 „Schnurren und Schwänke“ aus allen Teilen der Eifel erzählt. Gern ließ Kremer als Herausgeber andere Autoren über die Eifel zu Wort kommen. In dem 1936 im Wittlicher Georg-Fischer-Verlag veröffentlichten „Der Gang zur Mette“ sammelte er „Geschichten um die Eifelweihnacht“, deren Mischung aus Geschichte, Dichtung und Sage die Atmosphäre einer inzwischen untergegangenen Eifelwelt heraufbeschwört. Als Lehrer musste sich der tiefreligiöse Kremer dem NS-Staat zumindest äußerlich anpassen. Aber sein geistig-weltanschauliches Fundament entlehnte er nicht den Ideologien seiner Zeit, sondern es war und blieb der römische Katholizismus. In einer Zeit, in der manche NS-Rasse-Ideologen die Moselaner wegen deren vermuteter römischer Herkunft mit Misstrauen betrachteten, legte Kremer als Herausgeber und Verfasser überschwängliche Bekenntnisse zur Kultur des Mosellandes ab. Kein Wunder, dass dabei der Wein im Mittelpunkt stand: „Von Wein und Liebe an der lachenden Mosel“ (1935) oder „Die fröhliche Moselweinkarte“ (1967) waren nur zwei seiner Werke, deren Titel zugleich verdeutlichen, dass Kremers Blick auf die Welt sich lieber auf das Positive als auf das Problematische richtete. Zu diesem Positiven zählten für den Bauernsohn eindeutig die bedeutenden Persönlichkeiten, die Eifel und Mosel hervorgebracht hatten. Kenntnisreich lenkte er den Blick sowohl auf weltberühmte Landsleute wie Nikolaus von Kues als auch auf solche, die nur Spezialisten vertraut sind – wie die drei Brüder Henn, von denen jeder Abt wurde. Dass dem Deutsch- und Geschichtslehrer Kremer vor lauter Historie und Kultur die zeitgenössischen Künstler und Dichter nicht gleichgültig waren, zeigen unter anderem seine Freundschaften mit dem Maler Pitt Kreuzberg und dem Bücheler Schriftsteller Wilhelm Hay.

In seinen letzten Jahrzehnten wurde Kremer zu einer Ikone der Eifelkultur. 1965 verlieh ihm der Eifelverein den 1. Eifel-Literaturpreis, später erhielt Kremer das Bundesverdienstkreuz und weitere Auszeichnungen. Ob im Eifel-Kalender, in Kreis- und Heimatjahrbüchern, im „Paulinuskalender“, in den trierischen Regionalzeitungen: Überall war Kremers respektierte Stimme jahrzehntelang präsent. Nicht selten sogar im wörtlichen Sinn: bei Sendungen des Südwestfunks und des Saarländischen Rundfunks, für die er auch als Hörspielautor tätig war. Als der Kaisersescher im Mai 1989 starb, begann jenseits des Eisernen Vorhangs gerade ein welthistorischer Umbruch. Der Dichter und Lehrer Peter Kremer bleibt in seiner Eifler Heimat als große Persönlichkeit des alten Europa in Erinnerung.

Verfasser: Gregor Brand
 

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