Paul Dresser

Unter allen historischen Eifelkindern ist er wohl das größte Schwergewicht: Paul Dresser, einer der erfolgreichsten Liedkomponisten des 19. Jahrhunderts, wog zu seinen Spitzenzeiten über 150 kg. Gewichtig ist aber auch seine kreative Lebensleistung: An der Wende zum 20. Jahrhundert gab es keinen erfolgreicheren Komponisten amerikanischer Unterhaltungsmusik. Dressers größter Hit „On the Banks of the Wabash, Far Away“ aus dem Jahr 1897 gilt als zweiterfolgreichster Song des 19. Jahrhunderts. Dieses Lied allein brachte ihm die für damalige Künstler ungeheure Summe von über 100 000 Dollar ein; nach heutigen Begriffen verdiente Dresser mit seiner Musik vermutlich ein beinahe zweistelliges Millionenvermögen. In diesem Song erinnert sich Dresser an seine Kindheit im US-Bundesstaat Indiana. Dort war er 1858 als viertes Kind des aus Mayen ausgewanderten Johann Paul Dreiser und dessen gleichfalls deutschstämmiger Frau geboren worden. Da seine älteren Geschwister früh im Kindesalter starben, wuchs Paul als Ältester der zahlreichen Geschwisterschar auf. Sein jüngster Bruder Theodore Dreiser wurde zu einem der berühmtesten amerikanischen Schriftsteller; er ist bereits früher in dieser Reihe der historischen Eifelkinder vorgestellt worden.

Die Entwicklung des schon als Kind recht pummeligen Paul verlief ganz anders, als es sich seine streng religiösen Eltern wünschten. Sie hatten den Dreizehnjährigen in der Hoffnung, aus ihm könne ein Priester werden, auf eine betont katholische Schule geschickt. Doch wenn jemand nicht zum Priester berufen war, dann war es der rebellische Paul. Nach kurzer Zeit riss er aus dem Seminar aus und führte in seinem Heimatort das Leben eines jugendlichen Herumtreibers: kurze Aushilfsjobs, viel Alkohol, Prostituierte und sonstige „schlechte“ Gesellschaft. Zwar gelang es den Eltern noch einmal, den wilden Paul zum Schulbesuch zu überreden, aber mit 16 war dieser Abschnitt bereits wieder vorbei. Das Einzige, was der junge Dreiser – der sich schließlich „Dresser“ nannte – an der Schule halbwegs schätzte, war der Musikunterricht. Paul nahm sein unangepasstes Leben wieder auf, das ihn als 19-Jährigen sogar für mehrere Monate wegen Whisky-Diebstahls ins Gefängnis brachte. Inzwischen hatte sich bei verschiedenen Gelegenheiten gezeigt, dass die große Begabung des extrovertierten Paul in der Musik lag. Ob als Pianist, Organist oder Sänger: Dresser konnte ein Publikum begeistern, zumal er über Witz und großes schauspielerisches Talent verfügte. Er schloss sich sogenannten Minstrel-Gruppen an, die mit ihrer populären Unterhaltungsmusik von Stadt zu Stadt zogen. Kaum dem Teenager-Alter entwachsen, wurde er Mitglied einer der beliebtesten und bestverdienenden dieser Bands und trat als Musiker und Entertainer in Chicago, New York und anderen Städten auf. Am Ende seines dritten Lebensjahrzehnts galt Paul Dresser als einer der wichtigsten Unterhaltungsmusiker der USA. Er arbeitete jetzt mit den großen Musikverlegern und Produzenten in New York zusammen. Diese Zusammenarbeit trug in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts große Früchte: Dresser, ideenreich und produktiv, schrieb Hunderte von Songs, von denen zahlreiche zu den populärsten seiner Zeit wurden. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts verdüsterte sich allerdings das Schicksal des lebenslustigen Mannes. 1900 starb sein Vater nach einem zwischen hart erarbeitetem Wohlstand und großer Armut schwankenden langen Leben. Trotz aller Konflikte hing der gutherzige Paul stets an Eltern und Geschwistern und unterstützte sie großzügig. Aber auch sonst ging er mit seinem Geld nicht haushälterisch um. Den Lebensstil des ewigen Junggesellen kennzeichneten zahlreiche Liebesaffären und üppige Ausgaben für Saloons, Bordelle, Freunde in Not. Als sich der US-Musikgeschmack änderte, blieb der kommerzielle Erfolg aus. 1905 war der einst reiche Starmusiker pleite. Nur ein Jahr später starb der trotz mancher Diäten nach wie vor massige Mann.

Paul Dresser geriet auch nach seinem Tod nicht in Vergessenheit. Etliche Plätze sind nach ihm benannt, sein Geburtshaus wurde zum historischen Monument, sein sentimentales Wabash-Lied zur Hymne des Staates Indiana erklärt. 1942 verfilmte Hollywood das schillernde Leben dieses Eifelkindes und seit 2003 hält eine erste große Biographie die Erinnerung an diesen frühen Megastar der US-Unterhaltungsmusik wach

Verfasser: Gregor Brand
 

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