Nikolaus Kronser

Das tschechische Karlsbad zählt zu den berühmtesten Kurorten der Welt. Kaiser und Könige, aber auch Größen des Geistes und Geldes, machten den Bäderort ebenso bekannt wie die 1819 dort gefassten historisch so bedeutsamen „Karlsbader Beschlüsse“. In diesem Zentrum der Heilkunst wirkte zwei Jahrzehnte in der ersten Reihe der renommierten Ärzte ein Eifler: der Sanitätsrat Dr. Nikolaus Kronser.
Ob seine Eltern Nikolaus und Angela (geb. Piesbach) bei der Namensgebung ihres 1809 in Kues geborenen dritten Kindes an den illustren Nicolaus Cusanus dachten, weiß man nicht, aber später bekannte sich Dr. Kronser als „größter Verehrer“ seines Landsmannes. Mit dem Kardinal verbanden den Winzersohn Kronser manche verwandtschaftlichen Linien. Seine Vorfahren hatten ihre Wurzeln überwiegend an der Mittelmosel und seine Großmutter Dentzer gehörte zu einer Familie, die schon seit Jahrhunderten in Kues ansässig war. Fast sah es so aus, als würde auch der junge Kronser Priester werden. Nach dem Abitur in Trier studierte er zunächst Theologie, brach dieses Studium jedoch ab, worauf seine tief enttäuschten Eltern sich weigerten, ihn weiter finanziell zu unterstützen. Kronser nahm dankbar die Hilfe eines Onkels an, der als Geistlicher in Wien wirkte, und begann in der Hauptstadt des Habsburgerreiches ein Medizinstudium. In seiner Doktorarbeit unterteilte er die Medizin in drei Richtungen („Secten“) und sprach mutig allen ihre Berechtigung zu – auch der umstrittenen Homöopathie. Zugleich versuchte er, sie in einer größeren Einheit – der „Holopathie“ – zusammenzufassen. Dieser Denkweg erinnert verblüffend an Cusanus, für den Dreiheit und Einheit zentrale Begriffe waren. Die cusanische Kombination von Dreiheit und Einheit kehrt später bei Kronser wieder, wenn er angesichts der Friedhöfe von Karlsbad die Trias von Katholiken, Protestanten und Juden erwähnt und charakteristisch hinzufügt: „in der Tiefe der Erde sind doch alle in friedlicher Harmonie vereinigt“.

Privat erlebte der erfolgreiche Dr. Kronser sowohl Harmonie als auch Trauer und Streit. Durch seine Heirat mit der Hofschauspielerin Antonie Fourier (1809–1882) wurde er Teil der Wiener Prominenz. Von ihren drei Kindern starben jedoch zwei früh. Die Absicht des selbstbewussten Moselaners, Hofarzt in Wien zu werden, scheiterte, weil es einem Konkurrenten gelang, Dr. Kronser als politischen Radikalen darzustellen, der 1849 beim Prümer Zeughaussturm zu den Hauptaktivisten gehört habe. Dieser leidige Streit führte dazu, dass Kronser Wien verließ und in Karlsbad ein neues Wirkungsfeld betrat. Wie sein Biograph Franz Schmitt zeigte, legte Kronser als Arzt großen Wert auf die Psyche: „Wichtiger, als manchen Kranken scheinen dürfte, ist eine passende Stimmung der Seele.“ Dem Winzersohn Kronser lag es zudem besonders am Herzen, Moselwein als „Gesundheitswein“ zu empfehlen, da dieser „das beste Mischungsverhältnis der Weinbestandteile“ besitze. Sanitätsrat Dr. Kronser konnte solche Empfehlungen mit wissenschaftlicher Autorität erteilen. Als bekannter Fachschriftsteller hatte er Studien zur Therapie und Geschichte von Gicht, Cholera und Pest veröffentlicht und war Mitglied internationaler medizinischer Gesellschaften. Sein „Illustrierter Katechismus von Karlsbad“ förderte nicht nur den Ruhm Karlsbads, sondern auch seinen eigenen. Mit einem Grafen, der ihn als Privatarzt engagierte, unternahm er jahrelange Reisen bis nach Ägypten. Zu den verblüffenden Früchten dieser Afrika-Erfahrung gehört ein „Hieroglyphen-Roman“, der ebenso wie zahlreiche Gedichte Kronsers literarischen Ehrgeiz dokumentiert. Bei einem Parisaufenthalt besuchte er den kranken Dichter Heine, nicht zuletzt „der physiognomischen Studien wegen, auf die ich seit langem mir etwas zu Gute hielt“. Bei seiner positiven Würdigung von Heines freundlicher Erscheinung übersah er nicht einmal dessen „schwachblondes Schnurrbärtchen“.

Nach dem Tod seiner Frau ließ sich der wohlhabende greise Sanitätsrat im Heimatort Kues nieder, den er früher alljährlich zur Traubenlesezeit besucht hatte. Die Verbindung zu Österreich blieb durch seinen Bruder Christoph erhalten, der dort erfolgreicher Unternehmer geworden war. Dessen Sohn Nikolaus war Patenkind von Dr. Kronser; später wurde dieser politisch tätige Neffe Ehrenbürger von Maxglan (Salzburg). Sein Onkel, der welterfahrene Sanitätsrat, starb 76-jährig im Sommer 1886 und wurde auf dem heimatlichen Friedhof beigesetzt.
    
Verfasser: Gregor Brand

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