Mathias Zens

Blickfang und Hauptattraktion der Weltausstellung 1913 im belgischen Gent war eine monumentale Pferdeskulptur: das aus Sage und Legende bekannte Riesenpferd „Ros Beiaard“. Zu denjenigen, die dieses Meisterwerk des Bildhauers Alois de Beule besonders aufmerksam und kenntnisreich betrachteten, gehörte ein 74-jähriger Eifler, der schon seit Jahrzehnten in Gent lebte und einer der bedeutendsten Bürger dieser ostflandrischen Stadt geworden war: Mathias Zens aus Schwarzenborn. Zens war selbst Bildhauer und gewissermaßen der Meister des Meisters, denn Alois de Beule hatte einst zu seinen Schülern gehört. Zens versagte dem „Ros Beiaard“ nicht seine Anerkennung, auch wenn sein eigenes künstlerisches Interesse auf anderem Gebiet lag. Der Schwarzenborner war Meister der neugotischen Kunst, die sich wie ihr mittelalterliches Vorbild vor allem im Zusammenhang katholischer Glaubensorte verwirklichen wollte.

Die neugotische Meisterschaft als Bildhauer verband Zens mit seinem Eifler Landsmann Nikolaus Elscheidt, aber ansonsten waren die Lebensumstände beider sehr unterschiedlich. Während etwa von der Herkunft Elscheidts noch vieles im Dunkeln liegt, sind wir über das familiäre Umfeld von Zens durch die Forschungen seines Großneffen, des 1992 verstorbenen Botschaftsrats Dr. Franz-Josef Zens, gut unterrichtet. Der 1839 geborene Zens war das sechste Kind des Landwirts Mathias Zens und dessen Ehefrau Katharina Hohn/Hahn. Väterlicherseits stammte er – wie der Trierer Historiker Dr. Emil Zenz – vom Schultheißen Matthias Zens (ca. 1670–1720) aus Minderlittgen ab, mütterlicherseits war er ein Enkel des gräflich Manderscheider Oberförsters Adolf Hahn aus Baasem, der im Dezember 1800 von Eifelwilderern erschossen wurde. In der Verwandtschaft von Mathias Zens gab es zahlreiche Priester, und er selbst ist dem Geist tiefer katholischer Frömmigkeit bis an sein Lebensende treu geblieben. Nach der Volksschule in Eisenschmitt erlernte Zens das Schreinerhandwerk, aber schon bald zeigte sich, dass ihn von allen Holzarbeiten die Bildschnitzerei am stärksten faszinierte. Noch vor seiner Volljährigkeit schnitzte er zwei große Madonnenfiguren, die in seiner Heimat auf Bewunderung stießen. Dank der Fürsprache von Adolph Kolping und August Reichensperger erhielt der junge Eifler nach Ableistung des Militärdienstes in einem Fußartillerieregiment ein Stipendium für die Genter Bildhauerschule von Jean-Baptiste Bethune, der führenden Persönlichkeit der belgischen Gotik. Meisterlich ausgebildet wagte der Bildhauer aus dem kleinen Eifeldorf den Schritt in die Selbständigkeit – mit großem Erfolg. Nach wenigen Jahren beschäftigte sein Atelier bereits über 100 Mitarbeiter. Die Kunstanstalt von Zens erhielt Aufträge aus aller Welt und versorgte viele Gemeinden mit Altären, Kommunionbänken, Kanzeln oder Heiligenfiguren. Der Meister selbst war für die künstlerisch anspruchsvollsten Werke verantwortlich. Zens arbeitete nicht nur in Holz, sondern auch mit anderen Materialien. Für die Precious Blood Church bei London schuf er einen Terrakotta-Kreuzweg und für seine elfenbeinerne Madonna mit Kind erhielt er 1905 in Rom den „Grand Prix“. Zwei Jahre später ehrte ihn Papst Pius X. mit dem Orden „Pro Ecclesia et Pontifice“. Der Schwerpunkt des zensschen Schaffens lag in Belgien, wo er beispielsweise die Gesamtausstattung der St. Anna-Kirche in Gent ausführte und wo sein Werk bis heute am häufigsten gewürdigt wird. Trotz seiner weitreichenden Wirksamkeit blieb die Verbindung des Junggesellen Zens zur Eifel immer eng. Dafür sorgte nicht nur der familiäre Kontakt, sondern auch die Nachfrage nach seinen Werken. Zu den Eifler Schöpfungen von Zens zählen die Kreuzwegstationen in der Pfarrkirche Eisenschmitt, ein neugotischer Altar in Oberkail, die Figuren des neugotischen Hochaltars der Stiftskirche zu Kyllburg und vieles mehr. In Trier geht die Inneneinrichtung der neuromanischen St. Paulus-Kirche auf ihn zurück.

Es hat Mathias Zens, der vielen Menschen uneigennützig half, schwer zugesetzt, als er 1914 infolge des Weltkriegs als feindlicher Ausländer Ostflandern verlassen musste. Um so mehr freute es ihn, als er schließlich wieder nach Gent zurückkehren durfte. Dort ist er am 3. Oktober 1921 nach schwerem Leiden gestorben. Seine letzte Ruhe fand dieser Meister katholischer Bildschnitzkunst und Marienverehrer auf einem Friedhof des Genter Stadtteils Mariakerke.
  Verfasser: Gregor Brand
 

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