Marc A. Mitscher

Über viele Generationen hinweg hatten Marc Andrew Mitschers Vorfahren von der Südseite der Eifel aus auf die vorbeigleitenden Wasser der Mosel geschaut. Die Mitscher-Ahnen lebten als Bäcker, Küfer und Schuster in Litzig und Traben. Um 1850 begab sich Marcs Großvater, der Schreiner Andreas Mitscher, auf die Überfahrt über den stürmischen Atlantik in die Neue Welt. Fast genau 100 Jahre später war Admiral Marc Mitscher, der Enkel jenes eifelmoselanischen Auswanderers, auf eben diesem Ozean Oberkommandierender  der mächtigsten Kriegsflotte der Welt. Kurz nach Beginn von Atomzeitalter und Kaltem Krieg war dies eine der verantwortungsvollsten militärischen Führungspositionen überhaupt. Es war zugleich Mitschers letzte: Genau an seinem 60. Geburtstag am 26. 1. 1947 erlag der ruhmreiche Admiral, der in Krieg und Frieden die gefährlichsten Einsätze überlebt hatte, auf dem Golfplatz des Kriegshafens Norfolk/Virginia einem Herzinfarkt.

Marc Mitscher, auf dessen moselländische Wurzeln der Historiker Dr. H.-G. Böse verdienstvollerweise aufmerksam gemacht hat, war ein Sohn des Wilden Westens. Geboren im von vielen Eifelern besiedelten Wisconsin, zog seine Familie bald nach Oklahoma, in ein Gebiet, das erst in Mitschers Jugendzeit nach Vertreibung der Indianer von Europäern besiedelt wurde. In diesem rauen Landstrich baute Marcs Vater Oscar seinen Laden zu einem Kaufhaus aus. Politisch hoch engagiert – unter anderem als Bürgermeister von Oklahoma City – erstrebte Oscar Mitscher für seinen Sohn mehr als eine Provinzkarriere. Die Eltern schickten den 14-jährigen Marc daher auf eine High School in die Hauptstadt Washington und rieten dem nur in Sport vortrefflichen Schüler, sich danach als Offizier in der berühmten Marineakademie Annapolis zu bewerben.  Zunächst holprig – in der Ausbildung in Annapolis war er nur wenig erfolgreich –, dann aber stetig, nahm Marcs Karriere in der Marine Fahrt auf. Dem kleinen, drahtigen und willensstarken Mitscher war dies jedoch zu lahm:  Wie sein Vater von Pioniergeist und Energie erfüllt, zog es ihn zu den Marinefliegern. Schnell wurde er einer der Besten. 1919 hätte nicht viel gefehlt und dem Flugpionier mit Eifeler Wurzeln wäre die erste Transatlantiküberquerung geglückt. Witterungsbedingt musste er, immerhin schon in Azorennähe, den Flug abbrechen. Hohe Ehrungen und öffentliche Aufmerksamkeit wurden ihm gleichwohl zuteil, die er in den folgenden Jahrzehnten durch weitere brillante Flugleistungen rechtfertigte. Bei Beginn des Zweiten Weltkriegs galt Offizier Mitscher als der anerkannteste Marineflieger der US-Streitkräfte – kein Wunder, dass man ihm 1941 das Kommando über den Flugzeugträger „USS Hornet“ anvertraute. Von diesem Schiff aus starteten B-25 Bomber zu ihren verheerenden Angriffen auf japanische Städte. Mitscher, inzwischen Konteradmiral, trug wesentlich dazu bei, dass die US-Streitkräfte den zunächst so übermächtigen Japanern nach und nach die Herrschaft im Pazifik entrissen. Im Januar 1944 wurde Mitscher das Kommando über die Fast Carrier Task Force 58 übertragen, eine Furcht erregende gewaltige Schlachtflotte aus 15 Flugzeugträgern, über 1000 Flugzeugen und zahlreichen weiteren Kriegsschiffen mit rund 100 000 Mann Besatzung. Mitschers Kampfverband fügte den Japanern dramatische Verluste bei und entschied die größten Seeschlachten des Weltkriegs zugunsten der Amerikaner. Mitscher, seit seiner Jugend „Oklahoma Pete“ genannt, erwarb sich als Meister des kombinierten Einsatzes von Luft- und Seestreitkräften einen legendären Ruf, der auch wesentlich mit seiner Persönlichkeit zusammenhing. Für Admiral Burke war der Eifelspross Mitscher ein begnadeter Stratege mit dem Kampfgeist einer Bulldogge, für US-Großadmiral Nimitz – wie Mitscher deutschstämmig – war er Inbegriff von Stärke, Selbstständigkeit und Siegeswillen.

Mitschers Fronteinsatz endete im Mai 1945. Nach jahrelangem Krieg und Dauereinsatz war seine Gesundheit schwer angeschlagen, doch schon im Juli 1945 wurde er mit neuen wichtigen Aufgaben betraut. In der nur kurzen Ruhephase war er in seinem Geburtsort Hillsboro begeistert empfangen worden und hatte sich mit seiner Familie treffen können. Bei seinem Tod schrieb Präsident Truman: „Die Streitkräfte haben einen mutigen und tapferen Führer verloren“. Noch heute trägt der Raketenzerstörer „USS Mitscher“ den alten eifelmoselanischen Namen über die Weltmeere.
 
Verfasser: Gregor Brand
 

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