Karl Kaspar Siebold

Seit der Steinzeit versuchten leidgeplagte Menschen, durch Eingriffe in den Körper Linderung oder Heilung ihrer Krankheiten zu erreichen – nicht selten mit furchterregenden Mitteln. So große Fähigkeiten sich manche Heiler auch bei den meist sehr schmerzhaften und gefährlichen Operationen erwarben – es dauerte bis zur Neuzeit, ehe sich die Chirurgie von einer Art Handwerkskunst zu einer medizinischen Wissenschaft entwickelte. In der vordersten Reihe derjenigen herausragenden Arztpersönlichkeiten, die an diesem Fortschritt maßgeblich beteiligt waren, steht ein Eifler mit altgermanisch klingendem Nachnamen: Karl Kaspar Siebold aus der einstigen Ritter- und Residenzstadt Nideggen.

Siebolds Lebensgang steht im Zeichen dieses Übergangs von der medizinischen Kunst alter zu der moderner Prägung. Sein Vater Johann Christoph praktizierte noch als traditioneller Wundarzt. Er erwarb damit genug Ansehen, um nicht nur Ratsherr in Nideggen zu werden, sondern auch die Tochter Esther des Bürgermeisters und Stadtschreibers Johann Peter Brünninghausen heiraten zu können; seiner katholischen Braut wegen trat er vom evangelischen zum katholischen Christentum über. Das einzige Kind aus dieser Verbindung, der 1736 geborene Sohn Karl Kaspar, besuchte zunächst das Jesuitengymnasium in Düren, ehe er sich mit 16 Jahren an der Universität Köln für Philosophie einschrieb. 1755 aber zog es ihn, vielleicht auch wegen der schweren Erkrankung der Mutter, in die beruflichen Spuren des Vaters und er ließ sich zwei Jahre lang von diesem zum Wundarzt ausbilden, also in einer Kunst, für die auch wegen der häufigen Kriege – 1756 hatte der Siebenjährige Krieg begonnen – großer Bedarf bestand. Von 1757 an praktizierte der junge Siebold drei Jahre lang als Feldscher in französischen Diensten und gelangte schließlich kriegsbedingt 1760 nach Würzburg. In dieser fürstlichen Residenzstadt fiel das medizinische Können des jungen Eiflers dem angesehenen Oberwundarzt und Hebammenmeister Georg Christoph Stang am Julius-Spital auf. Stang stellte Siebold kurzerhand als seinen chirurgischen Obergesellen ein. Neben der ärztlichen Praxis hörte der wissenschaftsbegeisterte Nordeifler drei Jahre lang medizinisch-naturwissenschaftliche Vorlesungen an der Universität Würzburg. Finanziert vom Würzburger Fürstbischof begab sich Siebold danach für weitere drei Jahre auf Studienreisen in führende Zentren anatomischen Wissens in Frankreich, England und Holland. Nach seiner Rückkehr – er war nun Anfang Dreißig – heiratete der Wundarztsohn die 22-jährige Tochter Veronica seines ärztlichen Lehrmeisters Stang. Die Ehe der beiden Arztsprösslinge wurde Ausgangspunkt einer Nachkommenschaft, die über viele Generationen Ärzte und Wissenschaftler von nationalem und internationalem Rang  hervorbrachte. Wie ihr Vater, so wurden auch drei von Karl Kaspars Söhnen Medizinprofessoren in Würzburg. Teils spöttisch, teils ehrfürchtig nannte man die nun immer berühmter werdende medizinische Fakultät in Würzburg „Academia Sieboldiana“. Von der Staunen erregenden Vielzahl weiterer Wissenschaftler aus dieser Familie mit Eifler Wurzeln sei hier nur noch Karl Kaspars Enkel, der Arzt, Biologe und Ethnologe Philipp Franz von Siebold (1796–1866) genannt, der als wissenschaftlicher Entdecker Japans gilt und dessen Andenken dort bis heute in höchsten Ehren gehalten wird.

Stammvater Karl Kaspar erwarb sich seinen medizinischen Ruhm als Professor für Anatomie, Chirurgie und Geburtshilfe in Würzburg. Seine Operationskunst mit zahlreichen Neuerungen in der Chirurgie zog ebenso wie seine Lehrtätigkeit Studenten aus ganz Europa an, von denen nicht wenige selbst bedeutende Ärzte wurden. Siebold wurde Leibarzt seines Fürsten, und als er 1801 in den erblichen Adelsstand erhoben wurde, galt der Nordeifler längst als „Fürst der Chirurgen“. Auf Siebold gehen unter anderem Verbesserungen in der Hebammenausbildung, der Geburtschirurgie sowie grundlegende Fortschritte in der medizinischen Hygiene zurück. Der erste moderne Operationssaal der Welt wurde 1805 von ihm in Würzburg eröffnet – eine grandiose medizinische Pionierleistung.

Als Karl Kaspar von Siebold, der mit 63 Jahren noch einmal geheiratet hatte, 1807 starb, war er einer der berühmtesten Ärzte Europas. Heute halten das Siebold-Museum in Würzburg und die Siebold-Gesellschaft die Erinnerung an diese herausragende Medizinerfamilie fest.
  
Verfasser: Gregor Brand
 

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