Karl der Große

Wenn man nach dem bedeutendsten Herrscher der europäischen Geschichte fragt, so wird immer wieder der fränkische König Karl (ca. 748–814) genannt, dessen französische Bezeichnung  „Charlemagne“ sogar das Wort für „groß“ im Namen enthält. Karls Ruhm war schon zu seinen Lebzeiten gewaltig und er blieb es vom Mittelalter bis heute. Karl wurde als Zwanzigjähriger König des germanischen Stammes der Franken und es gelang ihm, das Frankenreich zu seiner größten Ausdehnung zu führen. Nach vielen Kriegen beherrschte Karl schließlich ein Gebiet, das von Elbe und Ostsee bis nach Barcelona reichte und in Italien Rom, das Zentrum der Christenheit, einschloss. In dieser Weltstadt ließ sich Karl im Jahr 800 von Papst Leo III. zum römischen Kaiser („imperator“) krönen. Erstmals seit dem Untergang des weströmischen Reiches im Jahr 476 führte damit wieder ein Herrscher diesen glanzvollen Titel.

Der legendäre Ruhm Karls beruhte auf seiner Herkunft, seiner Macht und seiner Persönlichkeit. Karl war ein Sohn des fränkischen Königs Pippin des Jüngeren und dessen Ehefrau Bertrada der Jüngeren. Karls nah verwandte Eltern entstammten machtvollen Familien des fränkischen Hochadels. Eifel, Ardennen und überhaupt der Maas-Moselraum zählten zu den Stammlanden der Karolinger, der Pippiniden und anderer Ahnenfamilien Karls des Großen. Möglicherweise war Karl darüber hinaus nicht nur diese Abstammung mit der Eifel besonders verbunden, sondern auch durch seine Geburt. Bei der Diskussion seines unbekannten Geburtsorts wird immer wieder auch Mürlenbach in der Vulkaneifel genannt. Die dortige Bertradaburg trägt nicht nur den Namen von Karls Mutter und deren Großmutter Bertrada der Älteren – es ist auch bekannt, dass die Bertradafamilie gerade diesem Teil der Eifel spezielle Aufmerksamkeit zukommen ließ. Karls Urgroßmutter Bertrada stiftete 721 das unweit der Bertradaburg gelegene Kloster Prüm, Karls Eltern und weitere Karolinger machten die Benediktinerabtei zu einer der wichtigsten im Frankenreich. In Prüm starb nicht nur Karls erstgeborener Sohn Pippin, auch Karls Enkel Kaiser Lothar fand dort seine letzte Ruhe. Karl selbst ließ sich in seinem Hauptherrschaftsort Aachen am Nordrand der Eifel bestatten.

Karl der Große schätzte den dünnbesiedelten Eifel- und Ardennenraum nicht nur als Land seiner Vorfahren, sondern auch wegen seiner unermesslichen Jagdgründe. Jagen war seine Lieblingsbeschäftigung, gebratenes Wild seine Leibspeise. Nicht zuletzt durch die Jagd erwarb er sich bewunderte Waffenfähigkeiten, die ihn zusammen mit seiner für damalige Verhältnisse riesigen Körpergröße von 192 cm zu einem Achtung gebietenden Krieger werden ließen. Aber nichts wäre falscher, als sich diesen fränkischen Herrscher als rohen Barbaren vorzustellen. Bis in die Nacht hinein bildete sich der oft schlaflose König weiter und an seinem Hof diskutierte er gern mit einigen der größten Gelehrten seiner Zeit. Bedeutende Neuerungen in Wirtschaft, Kunst und Verwaltung gehen auf ihn zurück. Karls Politik ließ sich nicht von persönlichen Launen leiten, sondern wurde neben starkem Machtbewusstsein von seiner christlichen Religiosität bestimmt. Das bedeutete freilich für seine Gegner nichts Gutes. Gegen die heidnischen Sachsen führte Karl, dessen Vorbild der biblische König David war, jahrzehntelange äußerst grausame Feldzüge, die mit deren Unterwerfung und rücksichtsloser Zwangschristianiserung endeten. Tausende von Sachsen ließ Karl köpfen, die geringsten Zeichen der Ausübung der germanischen Religion waren mit Todesstrafe bedroht.

„Vater Europas“: So wurde dieser gewaltige und gewaltsame Herrscher im Mittelalter genannt. Dieser noch heute verwendete Ausdruck bezieht sich auf die prägende Wirkung, die von seiner Herrschaft auf Europa ausging. Sie ist aber auch noch in einem ganz anderen Sinn berechtigt. Karl hatte – darin mehr seinem Vorbild David als der katholischen Lehre und Moral folgend – neben seinen Ehefrauen zahlreiche Nebenfrauen. Über seine mehr als 20 Kinder breitete sich seine Nachkommenschaft nach und nach in unzähligen europäischen Adelsfamilien und schließlich auch weit darüber hinaus aus. Die gemeinsame Abstammung von Karl dem Großen verbindet heute zahlreiche Eifler mit Persönlichkeiten aus aller Welt bis hin zu den amerikanischen Präsidenten Bush und Obama. Kein Zweifel: Dieser römische Kaiser mit Eifler Wurzeln hat sich historisch verewigt.
  
Verfasser: Gregor Brand
 

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