Josef Meyer

„Hoch droben im bergigen Eifellande liegt, in ein stilles Wiesental gebettet, mein Heimatdörflein Duppach. Seine achtzig Wohnhäuser sind anscheinend ganz regellos errichtet worden, wie es der Zufall mit sich gebracht hat; just als wären sie dem Sämann zu früh aus dem Sack gefallen.“ Der Eifler, der in so liebenswürdigem Ton seine Erinnerungen aus früher Jugendzeit begann, war der 1857 geborene Josef (auch: Joseph) Meyer, der sich hier wie bei anderen Veröffentlichungen des Künstlernamens „Jodokus“ bediente. Mit diesem Pseudonym, das sich auf den einst in der Eifel stark verehrten Heiligen Jodokus bezog, vollzog Meyer seinen zweiten Namenswechsel. Bereits 1887 hatte der Dreißigjährige bei seinem Eintritt in den Steyler Missionsorden den Ordensnamen Wendelin angenommen, unter dem er fortan für die Steyler Missionare erfolgreich tätig war. Vorangegangen waren Kindheit und Jugend in Duppach, wo Josef als eines von zwölf Kindern einer Bauernfamilie aufwuchs. Auf Vorschlag seines Heimatpfarrers J. P. Schmitz und mit Unterstützung des jahrzehntelang in Duppach unterrichtenden Lehrers J. Dohm ließ sich der sprachbegabte und musikalische Eifeljunge zum Lehrer ausbilden. Für seine erste halbjährige Tätigkeit als Winterlehrer in Kopscheid bei Waxweiler erhielt er acht Taler als Gehalt; für Unterkunft und Beköstigung hatten die Eltern der Schulkinder zu sorgen. Als Josef Meyer 1887 ins Steyler Missionshaus eintrat, konnte er auf eine langjährige pädagogische Tätigkeit zurückblicken. Der junge Orden betraute den schreibgewandten und belesenen Eifler mit der Redaktion und Verbreitung der hauseigenen Schriften. Bruder Wendelin begann bald, eigene Beiträge und Gedichte zu verfassen.

1895 schickte Ordensgründer Arnold Janssen den Duppacher nach Nordamerika, um dort dessen publizistische Begabung im Geist des Ordens nutzbar zu machen. Der leutselige und humorvolle Bruder Wendelin – von Alois Mayer als „Wilhelm Busch der Eifel“ gewürdigt – pflegte in den USA regen Kontakt zu den zahlreich dorthin ausgewanderten Eiflern – darunter etlichen Verwandten Meyers. Bruder Wendelin, der am liebsten schon als Jugendlicher nach Amerika emigriert wäre, schrieb dazu: „Die Eltern und alle Geschwister meiner Mutter waren nach Nordamerika ausgewandert; auch ein Bruder meines Vaters, drei meiner Geschwister, eine große Zahl von Vettern und Kusinen.“ Mit seiner Geige, aber auch durch seine Begabung als Mundarterzähler, schuf sich Meyer gerade unter diesen Eiflern viele Freunde. Diese Verbindungen trugen zum bemerkenswerten Erfolg seiner Publikationstätigkeit bei. Die unter seiner Leitung in Illinois herausgegebene deutschsprachige Zeitschrift „Das Amerikanische Familienblatt“ hatte zeitweise zehntausend Abonnenten; erfolgreich war Meyer auch mit der englischsprachigen Zeitschrift „The Christian Family“.

Zwei Jahre vor seinem Tod veröffentlichte Meyer als „Jodokus“ im amerikanischen Verlag der Steyler Mission den Gedichtband „Frohe Sänge“, dessen Texte ganz der alten Heimat galten. Humorvoll und wehmütig zugleich widmete sich Meyer manchen realen und vielen sagenhaften Begebenheiten in und um Duppach und trug schalkhaft dazu bei, den besonderen Ruf der Wiesbaumer als Urheber der „Wiesbaumer Streiche“ zu festigen. Zu Recht ist Jodokus – nicht zuletzt dank der Bemühungen von Maria und Paul Surges – in seiner Duppacher Heimat unvergessen. Sein Gedichtband wurde 1992 neu aufgelegt, und die Gemeinde Duppach ließ durch den Metallbildhauer Dankwarth Albersmann ein Wandrelief mit der Darstellung Bruder Wendelins schaffen, das 1994 feierlich enthüllt wurde.

Josef Meyer starb 1927 in Roswell (New Mexiko, USA) und wurde an seiner langjährigen Wirkungsstätte Techny in Illinois beigesetzt. Ahnungsvoll hatte er im Vorwort seines Buches in einer Art Vermächtnis geschrieben: „Es geht auf die siebzig zu mit mir, da kann man nicht mehr auf viele Jahre rechnen, und da ich mündlich nicht oft mehr den Erzähler machen kann, will ich meine Feder in den Dienst der guten Sache stellen. Solange das Brünnlein meines Humors noch rinnt und der Boden meines Gedächtnisses nicht gar zu löchrig wird, sammelte ich die hervorquellenden Tröpflein, um Freunden und Landsleuten eine kleine Erquickung kredenzen zu können. Es sei dies ein Zeichen der Liebe zur angestammten Heimat sowohl als der dankbaren Erinnerung an so viele gute Freunde, die mich als Joseph Meyer, Lehrer Meyer oder Bruder Wendelin gekannt haben.“

 Verfasser: Gregor Brand

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen