John J. Raskob

Nach ihrem Sieg im Ersten Weltkrieg hatten die USA eine bis dahin nicht gekannte politische, militärische und vor allem wirtschaftliche Machtstellung erreicht. In den folgenden Goldenen Zwanzigern blieben im Herzland des Kapitalismus zwar viele arm, manche wurden aber auch enorm reich. Zu den wohlhabendsten, politisch einflussreichsten und gesellschaftlich aktivsten Amerikanern dieser Zeit entwickelte sich der Enkel eines Einwanderers aus der Eifel: John Jakob Raskob (1879–1950). John Raskobs Vermögen wurde um 1930 auf weit über 100 Millionen Dollar geschätzt – nach heutigen Maßstäben war er Milliardär. Und dieser Mann, dessen Urgroßvater Nikolaus Raskob (auch Rascop/Raskopf geschrieben) 1846, nach dem Tod seiner Ehefrau Angela Schottler, aus dem Bauerndorf Großlittgen mit vier Kindern in die USA ausgewandert war, setzte sich ein Denkmal, das zu den Weltwundern der Neuzeit zählt: das Empire State Building in New York. Am 1. Mai 1931 von Präsident Hoover nach einer Rekordbauzeit von nur 13 Monaten eröffnet, war dieser Wolkenkratzer über Jahrzehnte das höchste Gebäude der Welt und gilt als grandioses Meisterwerk. Sein Bau beruhte auf der Vision und dem finanziellen und organisatorischen Einsatz von John Raskob. Der Eifelspross fand mit dem Spitzenpolitiker Al Smith den geeigneten Vorsitzenden der Empire State Corporation, die für den Bau verantwortlich war. Die Zusammenarbeit mit Al Smith, dem Präsidentschaftsbewerber der Demokraten in der Wahl 1928, war kein Zufall. Smith, deutschirischer Abstammung wie Raskob – Raskobs Mutter Anne Moran war irischer Herkunft – war der erste katholische Bewerber um das Amt eines US-Präsidenten, Raskob selbst einer der wenigen Katholiken in der US-Elite. John Raskob war tiefkatholisch – so wie es einst seine Verwandten, die aus Großlittgen stammenden Himmeroder Äbte Robert Bootz und Anselm Raskop, gewesen waren. Zeitlebens setzte sich Raskob engagiert für katholische Projekte ein und unterstützte viele finanziell großzügig. Smith und Raskob verband unter anderem auch die Ablehnung der Prohibition, also des damaligen Alkoholverbots in den USA. Nicht unpassend für den Nachfahren einer zwischen Bitburg und Mosel beheimateten Familie, stand Raskob an der Spitze der Anti-Prohibitionsbewegung.

Nach der Niederlage Smiths bei der Präsidentenwahl war Raskob vier Jahre lang Vorsitzender der US-Demokraten. Innerparteilicher Hauptgegner war für ihn F. D. Roosevelt, der 1932 erstmals zum Präsidenten gewählt wurde und nach zweimaliger Wiederwahl die USA im Krieg gegen das Deutsche Reich und Japan führte. Raskob war ein Hauptgegner von Roosevelts New Deal-Politik. Die Weltgeschichte wäre anders abgelaufen, wenn die Opposition konservativer Demokraten wie Raskob gegen Roosevelt erfolgreich gewesen wäre.
Begonnen hatte der Aufstieg Raskobs in Lockport/New York, wo sich sein Vater John, der durch seine Mutter Margarethe Schomers aus Reuth ein doppeltes Eifelkind war, als kleiner Zigarrenfabrikant durchschlug. Klein war auch sein Sohn John Jakob – doch nur körperlich. Als 21-Jähriger wurde er Sekretär von Pierre S. du Pont, dem Erben des Chemiegiganten du Pont. Raskobs Finanzgenie fiel auf. 1914 wurde er Finanzvorstand bei du Pont, 1918 zusätzlich noch beim aufstrebenden Autoriesen General Motors. Raskob, von Autos früh fasziniert, realisierte als einer der Ersten das Potenzial dieser Branche. Aktien bei GM machten ihn reich und ermöglichten ihm weitere Beteiligungen. Kulturell höchst bedeutsam war sein Einstieg als Aktionär beim Filmpionier Warner Brothers; vermutlich hat erst Raskobs Kapital den Aufstieg Hollywoods ermöglicht. „Jeder sollte reich sein!“ wünschte Raskob in einem berühmten Interview 1929, kurz vor Beginn der Weltwirtschaftskrise, und riet den Amerikanern, in Aktien anzulegen. In den Jahren zuvor hatte gerade die von Raskob entwickelte Idee, Autokauf auf Kredit zu ermöglichen, entscheidend zum Boom der US-Wirtschaft beigetragen. Der Börsencrash 1929 hatte Raskob selbst nur relativ wenig anhaben können. Seine äußerst vielfältigen ökonomischen Aktivitäten – er investierte erfolgreich in Silberminen, Rinderzucht und vieles mehr – hielten weitgehend der Krise stand.

Bis zum Tod fühlte sich der Vater von 13 Kindern von Gott reich beschenkt. Es blieb ihm immer ein tiefes Bedürfnis, einen gehörigen Teil seines Vermögens an weniger Begünstigte weiterzugeben.
 

Verfasser: Gregor Brand
 

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