Johannes Trithemius

Als gegen Ende des vergangenen Jahrtausends einige Wissenschaftler die Theorie aufstellten, dass im alttestamentarischen Urtext der Bibel verschlüsselte Botschaften zum Gang der Weltgeschichte enthalten seien, stieß man in Veröffentlichungen zu diesem „Bibel-Code“ öfters auf den Namen eines Eifelkindes, das zu hellsten Köpfen seiner Zeit zählte: Johannes Trithemius (1462–1516). Der US-Bestsellerautor Satinover bezeichnete den später nach seinem Geburtsort Trittenheim Benannten als einen der brillantesten Universalgelehrten der Renaissance. Satinover folgte damit dem Urteil damaliger Zeitgenossen wie des Humanisten Hegius, der nach einem Treffen mit Trithemius notierte: „Ich habe das große, glänzende Licht der Welt gesehen“.

Die Verbindung des Eifelmoselaners mit dem Bibel-Code hängt damit zusammen, dass Trithemius ein Pionier der der Lehre von der Verschlüsselung von Informationen war. Seine Bücher über Polygraphie und Steganographie sind die ersten gedruckten Werke zur Kryptographie. Mit diesen Schriften erwarb sich Trithemius den Ruf, Meister okkulten Wissens zu sein und es war nicht zu übersehen, dass er auf diesen Gebieten zu den kenntnisreichsten Männern seiner Zeit jener Epoche gehörte. Vor allem war er erstaunlich vertraut mit der jüdischen Geheimlehre der Kabbala, vor deren schwer zugänglichem Wissen er größten Respekt zeigte. Kein Wunder, dass Trithemius vielen geradezu unheimlich wurde und manche ihm alles zutrauten. So berichtete Martin Luther einmal seinen Gästen, Trithemius habe in Gegenwart Kaiser Maximilians die Seelen berühmter Toter beschworen und Helden der Antike wie Achill und Alexander den Großen leibhaftig erscheinen lassen. In diesen Zusammenhang passt es, dass die erste Erwähnung des berühmten Dr. Faust von Trithemius stammt. Trithemius, der immer behauptete, niemals schwarze Magie zu betreiben, hielt seinen Zeitgenossen Faust für einen schändlichen Betrüger.

So aufschlussreich solche Vorgänge für die Einschätzung des genialen Moselaners sind, so wenig braucht man sie, um dessen geistesgeschichtliche Bedeutung zu würdigen. Als Verfasser der  ersten gedruckten Literaturgeschichte der Welt steht Trithemius ebenso am Anfang einer bedeutenden Entwicklung wie als Autor einer der ersten Bibliographien am Beginn modernen wissenschaftlichen Arbeitens. Andererseits war Trithemius gerade auch auf dem Gebiet der Wissenschaft Kind seiner Zeit und kann nur schwerlich mit den heutigen Maßstäben wissenschaftlicher Objektivität gemessen werden. Wie viele mittelalterliche Vorgänger hatte er kaum Bedenken, bei seinen zahlreichen historischen Schriften gelegentlich Gewährsleute einfach zu erfinden. Während sich manche Gelehrte früher über solche Schwindeleien nicht genug ereifern konnten, schmunzeln heute selbst Historiker über fiktive Gestalten wie Hunibald und Meginhard, die Trithemius kreativ fast nach Art eines Romanautors auftreten ließ. Zu diesen erfundenen Persönlichkeiten gehört möglicherweise auch der nur durch Trithemius bekannte Gelehrte und Philosoph Johann von Wittlich.

Sollte dies der Fall sein, so ging es Trithemius wohl darum, den Ruhm seiner moselländischen Heimat zu vergrößern. Das wäre allerdings nicht nötig gewesen. Als er am 1. Februar 1462 als Sohn der aus der gleichen Gegend stammenden Winzersleute Johann und Elisabeth geboren wurde, lebte sein Landsmann Nikolaus Cusanus noch, einer der größten deutschen Denker überhaupt. Wie der gleichfalls universal gebildete Cusanus, so war auch Trithemius ein Mann der Kirche. Nach einer schwierigen, durch die Ablehnung des Stiefvaters geprägten Kindheit hatte sich der mit einem grandiosen Gedächtnis begabte Johannes heimlich Latein und Griechisch beigebracht und war Benediktinermönch im Kloster Sponheim geworden. Keine zwei Jahre später wurde der erst 21-Jährige sensationell zum Abt gewählt. Während seiner langen Amtszeit machte der wissensbesessene Eifler die Klosterbibliothek zu einer der größten Europas. Sponheim wurde Anziehungspunkt für europäische Intellektuelle, die den Mythos Trithemius mit eigenen Augen sehen wollten.

Das Verhältnis zu den Sponheimer Mitbrüdern, die seinen Reformeifer als Belastung empfanden, verschlechterte sich dagegen. So verbrachte Trithemius sein letztes Lebensjahrzehnt als Abt in Würzburg. Dort vollendete er ein Lebenswerk, dessen Geheimnisse auch rund 500 Jahre später noch nicht alle entschlüsselt sind.   

Verfasser: Gregor Brand

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